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Blick durch ein Lupenglas auf Stapel von Münzen, auf denen kleine Häuser stehen
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Immobilien- und Vermögenstreuhänder, Fachgruppe

Rechtssicherheit rund um die Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen wiederhergestellt?

10.Senat des OGH stellt klar: § 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist auf längerfristige Mietverträge nicht anwendbar! Diese sind vereinbarungsgemäß nicht darauf auslegt, vom Vermieter innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vollständig erfüllt zu werden.

Lesedauer: 6 Minuten

07.08.2025

Der zuständige Fachsenat des OGH hat hinsichtlich der seit nunmehr zwei Jahren herrschenden Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, mit seiner Entscheidung 10 Ob 15/25s  vom 30.07.2025 eine sachgerechte und praxisnah differenzierte Klarstellung getroffen, die von der Immobilienwirtschaft begrüßt wird und wieder Vertrauen in die Rechtssicherheit erwecken lässt.

Obwohl der OGH intern nicht an das Judikat 10 Ob 15/25s gebunden ist und künftig wieder davon abgehen könnte, scheint dies aufgrund der detaillierten Auseinandersetzung mit der bisherigen Judikatur, der Lehrmeinungen, der EuGH-Rechtsprechung und den Gesetzesmaterialen in der Entscheidungsbegründung des 10. Senats, vorerst unwahrscheinlich.

Es bleibt nur zu hoffen, dass mit der Entscheidung 10 Ob 15/25s ein Urteil mit Bestand vorliegt, welches nun endlich die dringlich erforderliche und sachgemäße Judikaturwende eingeleitet hat. 

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der ursprünglichen Problemstellung und der Rechtsauffassung des 10. Senats rund um die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Mietverträge (d.h. Unternehmer:in vermietet und Konsument:in mietet) finden Sie nachstehend: 

Was ist der Normzweck des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG?

Diese Norm des KSchG findet Anwendung, wenn der Mieter Verbraucher und der Vermieter Unternehmerstatus hat (B2C-Verträge). Die Bestimmung erklärte bis dato Vertragsklauseln über Dauerschuldverhältnisse für unzulässig, die es Unternehmern erlauben in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine einseitige Entgeltänderung vorzunehmen, sofern solch eine Klausel nicht im Einzelnen dezidiert mit dem Verbraucher ausgehandelt wurde. Schutzzweck der Norm ist daher, Verbraucher vor überraschenden Entgeltänderungen zu schützen.

Ist § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf längerfristige Wohnungsmietverträge anwendbar?

Lange gelangte der § 6 Abs 2 Z 4 KSchG in der Jurisdiktion des OGH über Wertsicherungsabreden in Wohnungsmietverträgen gar nicht zur Anwendung.

Im Bereich der Dauerschuldverhältnisse fand die Bestimmung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung lediglich in Bezug auf einseitige Preiserhöhungsrechte des Unternehmers in AGB für Heimträgerverträge (3 Ob 268/09x), Leasingverträge (2 Ob 198/10x) und Energielieferverträge (5 Ob 103/21i) Anwendung.

In der OGH-Entscheidung 2 Ob 36/23t, der ein Verbandsprozess über einen Wohnungsmietvertrag im Teilanwendungsbereich des MRG zugrunde lag,  hielt der OGH – ohne jedwede weitere Begründung - erstmals fest, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auch auf Mietverträge, die dem Anwendungsbereich des KSchG unterliegen anwendbar sei und eine Wertsicherungsklausel im Mietvertrag, nach der bei kundenfeindlichster Auslegung entgegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG (= einzelvertraglich ausbedingt) schon innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte, unzulässig ist (RS0115215 [T5]).

Die Rechtsauffassung, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen anwendbar ist, wurde ohne tiefergehende Begründung oder Auseinandersetzung mit kritischen Lehrmeinungen, in den Folgeentscheidungen des OGH 8 Ob 37/23h und 8 Ob 6/24a vorausgesetzt und vorerst bestätigt, was seit über zwei Jahren für immense Rechtsunsicherheit sorgte.

Welche Rechtsfolge zieht ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nach sich?

Ein Verstoß gegen die KSchG-Bestimmung, hat die Nichtigkeit der gesamten Klausel zur Folge. Diese Rechtsfolge gründet auf der EuGH-Judikatur zur unionsrechtlichen Klauselrichtlinie: bei Verwendung missbräuchlicher Klauseln in B2C-Verträgen findet keine geltungserhaltende Reduktion statt, bei der lediglich der unzulässige Klauselteil entfällt.  Vielmehr kommt es zum Wegfall der gesamten Vertragsklausel, welche auch nicht durch dispositives Recht oder durch ergänzende Vertragsauslegung ersetzt werden kann.

Für Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen würde das bedeuten: für das Mietverhältnis bestand zu keinem Zeitpunkt eine wirksame Wertsicherungsvereinbarung, sodass der bei Vertragsabschluss nominell vereinbarte Mietzins, weder in der Vergangenheit wertgesichert werden durfte noch pro futuro wertgesichert werden darf und damit bis Vertragsende eingefroren bleibt. Mieter könnten demnach zu Unrecht eingeforderte und bezahlte Inflationsanpassungen aus der Vergangenheit bereicherungsrechtlich zurückfordern.

Zu welchem Ergebnis kommt der OGH nun im jüngsten Judikat 10 Ob 15/25s?

Der 10. Senat des OGH hat nun im Individualverfahren - entgegen der Vorjudikatur des 2. und des 8. Senats des OGH in Verbandsprozessen - ausgesprochen, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf längerfristige Mietverträge nicht anwendbar ist, da diese vereinbarungsgemäß nicht darauf auslegt sind, vom Vermieter innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vollständig erfüllt zu werden.

Der OGH hält fest, dass es bei der Beurteilung der Anwendbarkeit von § 6 Abs 2 Z 4 KSchG bei Mietverträgen keinen Unterschied mache, ob die Prüfung der monierten Wertsicherungsklausel in einem Verbrands- oder Individualprozess erfolgt: für die Beurteilung über die Anwendung der KSchG-Bestimmung komme es lediglich darauf an, ob die Leistung des Unternehmers (Vermieters) innerhalb einer Frist von zwei Monaten vollständig zu erbringen ist oder nicht [OGH 10 Ob 15/25s, Rz 48 f., 72].

Diese Rechtsansicht gilt für alle Dauerschuldverhältnisse, die einen Leistungszeitraum von mehr als zwei Monaten vorsehen. 

Weiters greift die jüngste OGH-Entscheidung einen weiteren Angriffspunkt – Ausgangsmonat der Indexzahl als Wertsicherungsbasis - der Vorjudikatur auf: während es im Vorjudikat (OGH 8 Ob 37/23h, Rz 15) noch hieß, dass als Wertsicherungsbasis auf keinen Index abgestellt werden dürfe, der bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überholt sei, da es schon in der Zeit vor Abschluss des Mietvertrages zu einem Anstieg des Preisniveaus käme und daher eine nachträgliche Anhebung des Mietzinses auf solch einer Ausgangsbasis sachlich nicht gerechtfertigt (gem. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG), somit gröblich benachteiligend (gem. § 879 Abs 3 ABGB) und damit jedenfalls unzulässig sei, kam nun die Trendwende.

Über die Bezugnahme auf eine vor Vertragsabschluss liegende Indexzahl als Valorisierungsbasis hält der 10. Senat des OGH nun erfreulicherweise fest, dass dies nicht per se zur Unzulässigkeit der Wertsicherungsvereinbarung führe könne: eine an die zuletzt verlautbarte Indexzahl anknüpfende Wertsicherungsvereinbarung ist durchaus verkehrs- bzw. branchenüblich und damit weder objektiv ungewöhnlich noch sachlich ungerechtfertigt (vgl. RS0014646; RS0014627) [OGH 10 Ob 15/25s, Rz 90 f.].

Wie begründet der 10. Senat seine Rechtsauffassung zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG?

Der OGH hält fest, dass gerade bei der Wertsicherungsklausel zur inflationsbedingten Entgeltanpassung in einem (längerfristigen) Mietvertrag keine „Überraschungsgefahr“ des Verbrauchers vor der Entgelterhöhung bestünde.  Vielmehr erwecke ein wertgesicherter Bestandzins "gerade kein Vertrauen [des Mieters] auf eine unveränderbare Fixmiete, das rücklings wieder enttäuscht würde", führt der Gerichtshof klarstellend aus. [OGH 10 Ob 15/25s, Rz 51].

Der 10. Senat begründet seine Rechtsansicht, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht auf längerfristige Mietverträge anwendbar ist, somit primär durch den Zweck der Norm und das von vornherein fehlende schutzwürdige Vertrauen des Verbrauchers auf einen unveränderlichen Mietzins.

Der OGH lässt in seiner Entscheidungsbegründung auch die Judikatur des EuGH, sowie die Erläuterungen zu § 6 KSchG der Regierungsvorlage nicht außer Acht: zumal durch Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf langfristige Mietverhältnisse widrigenfalls die Gefahr bestünde, dass der Mietvertrag – der EuGH-Jud zur Klauselrichtlinie folgend - ohne Wertsicherungsabrede fortlebe und der Mieter Beträge, die er aufgrund von Wertanpassungen bezahlt hat, zurückfordern könnte, hätte der Gesetzgeber, den § 6 Abs 2 Z 4 KSchG in Kenntnis der daraus resultierenden Rechtsfolgen nicht unterschiedslos auf alle Dauerschuldverhältnisse angewendet wissen wollen.

Die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG auf längerfristige Mietverträge widerspricht "wegen der im Verhältnis zum Unrechtsgehalt überschießenden Rechtsfolge" demnach klar dem Willen des Gesetzgebers, betont der OGH [OGH 10 Ob 15/25s, Rz 62 f.].

In seiner Entscheidungsbegründung hält der 10.Senat dem jüngsten VfGH-Erkenntnis[1] über die Verfassungskonformität  des  § 6 Abs 2 Z 4 KSchG relativierend entgegen,  dass der VfGH in seiner Entscheidung – unter Zugrundelegung "der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre" – von einer Anwendbarkeit des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG sowohl auf Ziel- als auch Dauerschuldverhältnisse ausgehe, obwohl es sich bei den zitierten OGH-Entscheidungen nur bei einer um eine urteilsmäßige Sachentscheidung  (8 Ob 37/23h) gehandelt habe und auch nur beiläufig auf die Anwendung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG im Zusammenhang mit Dauerschuldverhältnissen eingegangen worden sei.

Da die zivilgerichtlichen Vorjudikate begründungslos die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Bestimmung auf Dauerschuldverhältnisse als gegeben voraussetzen, könne laut 10. Senat keineswegs zur Annahme einer ständigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln für Bestandverträge führen. Aus diesem Grund bestünde auch nicht die Notwendigkeit eines verstärkten Senats, um von der Vorjudikatur abzuweichen. Aufgrund der Kompetenzverteilung präjudiziert die vom VfGH bestätigte Verfassungskonformität, keinesfalls die von den Zivilgerichten zu entscheidende Auslegung des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG [OGH 10 Ob 15/25s, Rz 41, 67 ff., 74 f., 80].

[1] G 170/2024-17, G 37-38/2025-11 vom 24. Juni 2025.

Welche Auswirkung hat das neue Judikat auf bestehende Mietverträge?

Das jüngste Judikat 10 Ob 15/25s schafft nach der seit mehr als zwei Jahren vorherrschenden Rechtsunsicherheit rund um die Wertsicherung in Mietverträgen eine erfreuliche und sachgemäße Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung: Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, die zwischen Verbrauchern und unternehmerischen Vermietern abgeschlossen wurden, sind laut 10. Senat auch ohne ausdrückliche zweimonatige Sperrfrist der Wertanpassung zulässig, wenn sie ansonsten korrekt formuliert sind. Mieter können demnach keine in der Vergangenheit bezahlten Valorisierungsbeträge zurückfordern und der Mietzins bleibt auch für die verbleibende Vertragsdauer wertgesichert.

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