Arbeitsrecht in Bewegung: China verschärft die Spielregeln
Seit dem 1. September 2025 gilt die neue Interpretation (II) des Obersten Volksgerichts zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Sie sorgt für mehr Klarheit, erhöht aber gleichzeitig den Druck auf Arbeitgeber. Wer nicht vorbereitet ist, riskiert erhebliche Kosten, ungewollte Dauerbindungen und zusätzliche Klagerisiken, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen.
Sozialversicherung
Besonders brisant ist die Sozialversicherung: Vereinbarungen mit Mitarbeitern, Beiträge nicht oder nur teilweise zu leisten, sind unwirksam. Behörden können Nachzahlungen, Strafen und Schadensersatz in Millionenhöhe fordern. Arbeitnehmer dürfen in solchen Fällen sofort kündigen und zusätzlich Entschädigung verlangen. Selbst wenn Beiträge später nachgezahlt werden, bleibt das Risiko bestehen, bereits gezahlte Abfindungen oder Entschädigungen erneut einklagen zu müssen. Unternehmen ohne saubere Sozialversicherungsprozesse sitzen damit auf einer tickenden Zeitbombe.
Wettbewerbsverbot
Klauseln zum Wettbewerbsverbot sind zwar weiterhin zulässig – sowohl während als auch bis zu 24 Monate nach Vertragsende –, aber die Anforderungen steigen: Sie sind nur wirksam, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich Zugang zu relevanten Geschäftsgeheimnissen hatte. Zudem müssen sie inhaltlich und räumlich angemessen gefasst sein, sonst kippen Gerichte sie. Während der Sperrfrist muss der Arbeitgeber mindestens 30 % des Durchschnittsgehalts zahlen. Eine neue Richtlinie empfiehlt mindestens 50 %, wenn das Wettbewerbsverbot länger als 1 Jahr gilt. Verstöße des Arbeitnehmers erlauben Rückforderung gezahlter Kompensation sowie die Durchsetzung vereinbarter Vertragsstrafen – nach der Richtlinie maximal das 5-Fache der Karenzentschädigung. Standardformeln genügen nicht mehr; individuelle, passgenaue Regelungen sind Pflicht.
Schriftliche Verträge
Ein weiteres Risiko betrifft schriftliche Verträge: Liegt spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn kein unterschriebener Vertrag vor, entsteht automatisch ein Anspruch auf doppeltes Gehalt – selbst wenn nur wenige Tage fehlen. Ausnahmen greifen nur, wenn der Arbeitgeber höhere Gewalt nachweisen kann oder der Arbeitnehmer die Unterschrift ausdrücklich verweigert. Die Beweislast liegt vollständig beim Arbeitgeber. Gleichzeitig präzisiert die Auslegung, dass automatische Verlängerungen, etwa bei Krankheit, Schwangerschaft oder kurz vor Renteneintritt, nicht als Versäumnis des Arbeitgebers gewertet werden.
Unbefristete Verträge
Nach zwei befristeten Verträgen hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Auch Verlängerungen oder künstliche Konstruktionen zur Umgehung dieser Pflicht werden von den Gerichten durchschaut. Selbst wenn formell ein neuer Vertrag über ein anderes Konzernunternehmen abgeschlossen wird, kann daraus ein Anspruch auf unbefristete Beschäftigung entstehen. Arbeitgeber müssen ihre Vertragsstrategien daher sorgfältig prüfen und Umgehungstricks funktionieren nicht mehr.
Wiedereinstellung nach Kündigung
Bei rechtswidrigen Kündigungen haben Arbeitnehmer Anspruch auf Wiedereinstellung. Ist diese objektiv unmöglich – etwa bei Insolvenz, Auflösung des Unternehmens, Rentenbezug oder bereits bestehender neuer Anstellung –, muss der Arbeitgeber eine doppelte Abfindung zahlen. Zudem gilt: Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wiedereinstellung besteht Anspruch auf Lohnzahlung, auch wenn der Prozess Monate oder Jahre dauert. Für Arbeitgeber können Kündigungsklagen dadurch extrem teuer werden.
Ansprüche verjähren grundsätzlich nach einem Jahr. Die Einrede der Verjährung muss bereits im Arbeitsschiedsverfahren geltend gemacht werden. Wer dies dort versäumt, kann den Einwand später im Gerichtsverfahren nicht mehr nachholen – auch nicht in Berufung oder Wiederaufnahme.
Konkrete Handlungsempfehlungen
Die neuen Regeln verschärfen vor allem die ohnehin arbeitnehmerfreundliche Rechtslage weiter. Im Zentrum stehen Sozialversicherung, Wettbewerbsverbote, Vertragsmanagement und Kündigungen. Für Unternehmen bedeutet das: höhere Kosten, weniger Spielraum, mehr Klagerisiken.
Es ist daher ratsam Musterverträge, HR-Richtlinien und Sozialversicherungsprozesse überprüfen zu lassen. Schon kleine Fehler bei Fristen oder Klauseln können teuer werden. Wer rechtzeitig nachjustiert, kann Prozesse rechtssicher steuern und kostspielige Haftungsfallen vermeiden.
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Die o.a. Rechtsinformation wurde in Kooperation mit Rödl & Partner Shanghai veröffentlicht (siehe nachstehende Kontaktdaten):
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