
Haftung im Konzern nach italienischem Recht
Dieser Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung unserer Vertrauenskanzlei Studio Legale Salatino - Avv. Gregorio Salatino erstellt, die Ihnen für nähere Auskünfte gerne zur Verfügung steht.
1. Ausgangslage
In der heutigen Unternehmenspraxis ist es üblich, dass Geschäftstätigkeiten nicht durch eine einzelne Gesellschaft, sondern durch eine Unternehmensgruppe (Konzern) abgewickelt werden. Dabei sind die beteiligten Gesellschaften häufig in unterschiedlichen Ländern ansässig – auch in Italien.
Das italienische Zivilgesetzbuch kennt keine ausdrückliche Definition des Begriffs „Konzern“. Stattdessen wird die sogenannte Leitungs- und Koordinationstätigkeit („attività di direzione e coordinamento“) geregelt. Dies ist die Tätigkeit, die die Muttergesellschaft gegenüber den “Tochtergesellschaften” ausübt, mit dem Ziel, deren Entscheidungen zu lenken, zu organisieren und zu steuern.
2. Voraussetzungen für eine Haftung
Die Ausübung der Leitungs- und Koordinationstätigkeit ist nicht verpflichtend, sondern ergibt sich aus der faktischen Unternehmenspraxis. Entscheidend ist, ob die Muttergesellschaft tatsächlich steuernd eingegriffen hat. Wird dies bejaht, gelten bestimmte Haftungsregeln. Das kann theoretisch auch in einem Unterlassen bestehen. Daher muss jedes Mal geprüft werden, ob die Muttergesellschaft die kontrollierten Gesellschaften tatsächlich “gelenkt” hat. Zur Vereinfachung dieser Prüfung geht das italienische Gesetz, sofern kein Gegenbeweis vorliegt, davon aus, dass diejenige die Leitungs- und Koordinationstätigkeit ausübt, die den Konzernabschluss erstellt oder die Kontrolle über eine andere Gesellschaft hält – Beweislastumkehr.
Die Muttergesellschaft darf keine Entscheidungen durchsetzen, die den Interessen der Tochtergesellschaft widersprechen und ihr Schaden zufügen. Wird diese Grenze überschritten, haftet die Muttergesellschaft gegenüber:
- Gesellschaftern der Tochtergesellschaft für Wertverluste ihrer Beteiligung,
- Gläubigern für Schäden am Gesellschaftsvermögen.
Die geschädigten Parteien müssen nachweisen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Maßnahme und dem entstandenen Schaden besteht.
3. Erweiterte Haftung
Neben der Muttergesellschaft können auch andere Akteure haftbar gemacht werden:
- Geschäftsführer der Mutter- oder Tochtergesellschaft, wenn sie an der schädigenden Handlung beteiligt waren,
- Dritte, die wissentlich von der Maßnahme profitiert haben.
4. Haftungsausschluss durch Ausgleich oder Schadensbeseitigung
Das italienische Recht sieht daher vor, dass keine Haftung besteht, wenn “der Schaden unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses der Ausübung der Tätigkeit der Leitung und Koordinierung entfällt”.
Ein Haftungsausschluss ist daher möglich, wenn:
- ein Gesamtnutzen für die Tochtergesellschaft nachgewiesen werden kann, der den Schaden aufwiegt,
- konkrete Ausgleichsmaßnahmen gesetzt wurden, um den Schaden zu beseitigen.
Hypothetische Vorteile reichen nicht aus – es müssen konkrete, nachweisbare Vorteile vorliegen.
Alternativ erkennt das italienische Recht auch den Fall an, dass der Schaden “durch gezielte Maßnahmen vollständig ausgeglichen wird”. Die Muttergesellschaft kann also, um eine Haftung zu vermeiden, konkrete Schritte unternehmen, um den der kontrollierten Gesellschaft entstandenen Schaden zu beseitigen.
5. Ersatz durch die Tochtergesellschaft
Auch wenn die Tochtergesellschaft den Schaden freiwillig ersetzt, kann dies die Muttergesellschaft von der Haftung befreien. Nach aktueller Rechtsprechung können Gläubiger und Gesellschafter jedoch auch direkt gegen die Muttergesellschaft vorgehen – ohne vorherige Inanspruchnahme der Tochtergesellschaft.
6. Fazit für österreichische Unternehmen
Die Führung eines Konzerns in Italien erfordert nicht nur unternehmerisches Geschick, sondern auch rechtliche Sorgfalt. Die italienische Rechtslage setzt klare Grenzen für die Einflussnahme innerhalb eines Konzerns. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, empfiehlt sich eine enge Abstimmung mit erfahrenen Rechtsberatern vor Ort.