
"Wir haben oft weltfremde Vorschriften"
Markus Leeb, Geschäftsführer der Leeb Balkone GmbH nimmt sich im Interview mit der Sparte Industrie kein Blatt vor den Mund, wenn es um bürokratische Hürden und Wettbewerbsfähigkeit geht. Außerdem spricht er über Innovationsgeist, die Koralmbahn und ob es den Flughafen in Klagenfurt weiterhin brauchen wird.
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Herr Leeb, Sie leiten ein erfolgreiches, traditionelles Familienunternehmen. Wenn Sie auf Ihre bisherige Laufbahn zurückblicken: Was lief besonders gut – und welche Fehler würden Sie nicht noch einmal machen?
Markus Leeb: Eine besonders richtige Entscheidung war sicher, vor fast 20 Jahren auf Aluminium zu setzen. Heute haben wir unser Unternehmen auf den Werkstoff Aluminium umgestellt, weil die Nachfrage nach pflegeleichten Materialien stark gestiegen ist. Niemand wollte mehr Holzbalkone streichen – dieser Schritt hat wesentlich zum Wachstum unseres Unternehmens beigetragen. Natürlich gab es auch viele kleine Entscheidungen, die man heute vielleicht anders treffen würde. Aber ein grober Fehler ist uns zum Glück erspart geblieben.
Die wirtschaftliche Lage ist derzeit schwierig – Handelskonflikte, Rezessionstendenzen. Können Sie trotzdem gut schlafen?
Ja, ich kann Gott sei Dank sehr gut schlafen. Unser Unternehmen ist solide aufgestellt und wirtschaftlich gut unterwegs. Natürlich ist das Umfeld herausfordernd – fast täglich tauchen neue Themen auf. Aber grundsätzlich läuft es bei uns zufriedenstellend.
Was müsste passieren, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Kärntner Industrie im internationalen Vergleich erhalten bleibt?
Das ist kein spezifisch kärntnerisches Thema, sondern betrifft ganz Österreich. Die Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren massiv gestiegen – in unserer Branche zum Beispiel um rund 20 bis 25 Prozent. Grundsätzlich ist es richtig, dass gute Leistungen gut entlohnt werden. Aber wenn unsere Löhne stärker steigen als in Nachbarländern, wird es für exportorientierte Unternehmen – und das sind die meisten Industrieunternehmen in Kärnten – schwierig, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein zweiter Punkt ist die immer weiter steigende Bürokratie. Vor allem Regularien aus Brüssel sind in den letzten Jahren extrem angewachsen. Lieferkettenrichtlinien, Nachhaltigkeitsberichterstattung, CO₂-Bepreisung – das alles betrifft europäische Unternehmen stark, während es anderswo kaum ein Thema ist. Die Realität ist: Wir haben oft weltfremde Vorschriften, die in der Praxis hauptsächlich Verwaltungsaufwand bringen, aber keinen Nutzen.
Ein weiteres Thema sind die hohen Energiepreise. Wie stark betrifft das Ihr Unternehmen?
Direkt nicht so sehr, weil wir recht früh eigene Photovoltaikanlagen installiert haben und unsere Prozesswärme über ein eigenes Biomassewerk erzeugen. So sind wir relativ unabhängig. Aber indirekt trifft es uns natürlich schon, weil in jedem Vormaterial – von der Schraube bis zum Aluprofil – Energie enthalten ist. Günstige Energie war über Jahrzehnte ein Wettbewerbsvorteil für Europa, vor allem durch russisches Gas und Öl. Dieser Vorteil ist weg – und das spüren wir.
Fachkräftemangel ist derzeit in vielen Branchen ein Thema. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Wir achten sehr auf ein gutes Arbeitsumfeld, interessante Tätigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und ein wertschätzendes Miteinander. Mitarbeiter zu finden ist in unserer Region nicht ganz einfach. Deshalb sind wir sehr aktiv, nutzen unterschiedliche Kanäle und machen laufend darauf aufmerksam, dass wir attraktive Jobs anbieten.
Wie könnte man junge Menschen für Industrieberufe begeistern?
Ich glaube, das ist gar nicht so schwer. Industrieberufe bieten interessante, abwechslungsreiche Tätigkeiten, gute Entwicklungsmöglichkeiten und überdurchschnittliche Bezahlung. Ich habe bisher nicht erlebt, dass junge Menschen grundsätzlich kein Interesse hätten.
Sie haben eine digitale Kommunikationsplattform eingeführt. Wie fördern Sie generell Innovationen im Unternehmen?
Das ist schwer in zwei Sätzen zusammenzufassen. Innovation entsteht durch eine Grundhaltung – sie muss in der DNA eines Unternehmens verankert sein. Wir stellen bewusst Ressourcen zur Verfügung, sowohl Zeit als auch Geld, und schaffen Raum, um Neues auszuprobieren. Wir mussten uns immer über innovative Produkte differenzieren, nicht über den Preis. Deshalb gehört Innovation bei uns einfach zur Unternehmenskultur.
Wie viel investieren Sie in Forschung und Entwicklung?
Das ist schwer genau zu beziffern. Wir beschäftigen eine eigene Entwicklungsabteilung mit drei bis vier Mitarbeitenden – je nach Projektphase. Zusätzlich gibt es andere Projekte, bei denen weitere Teams eingebunden sind. Insgesamt ist es ein laufender Prozess.
Können Sie schon verraten, woran aktuell gearbeitet wird?
Einige Details kann ich nennen. Wir haben zuletzt stark am Thema Terrassendächer gearbeitet und ein neues System entwickelt. Auch die Integration von Photovoltaik in unsere Produkte – wie Zäune, Balkone oder Terrassendächer – ist ein Schwerpunkt. Ein weiteres Projekt ist unser Abbaubalkon-System: ein modulares, vorgefertigtes System, mit dem sich Balkone nachträglich schnell und effizient montieren lassen. Das ist noch in Entwicklung, aber sehr vielversprechend.
Ihr Unternehmen sitzt in Gnesau. War es jemals ein Thema, den Standort zu verlegen?
Bisher nicht. Wir haben hier ein eingespieltes Team, und ein Standortwechsel würde enorme organisatorische Herausforderungen mit sich bringen. Wir leben gerne hier und möchten bleiben. Wenn sich die Rahmenbedingungen jedoch weiter verschlechtern, dann muss man langfristig auch solche Überlegungen anstellen – das betrifft viele Unternehmen, nicht nur uns.
Die Koralmbahn ist in aller Munde, die Ende des Jahres startet. Glauben Sie, dass Kärnten davon profitieren wird?
Ich denke schon, dass das Sinn macht. Es ist auf jeden Fall positiv, dass damit ein gemeinsamer Wirtschaftsraum entsteht. Wie sich das konkret auswirkt, wird man erst sehen. Die Bahn fährt ja bekanntlich in beide Richtungen – also nicht nur Menschen aus der Steiermark nach Kärnten, sondern auch umgekehrt. Ich glaube, es wird Gewinner und Verlierer geben. Für den Tourismus sehe ich aber Potenzial, zum Beispiel bei Tagesausflügen im Sommer. Das wird sicher gut angenommen. Ob es in Bezug auf Fachkräfte in die eine oder andere Richtung Auswirkungen haben wird, kann ich schwer beurteilen. Aber grundsätzlich ist es sinnvoll, dass man Kärnten und die Steiermark enger verbindet – das macht uns als Region wettbewerbsfähiger.
Wird es dann den Flughafen in Klagenfurt überhaupt noch brauchen?
Schwer zu sagen. Aus unserer Sicht – also geschäftlich – haben wir derzeit keinen Bedarf, etwa für Kunden oder Geschäftspartner. Für unsere Kolleg:innen aus Deutschland wäre es manchmal praktisch, wenn sie besser anreisen könnten, aber das ist eher ein untergeordnetes Thema bei uns. Da müsste man eher Unternehmen fragen, die den Flughafen regelmäßiger nutzen. Generell denke ich, Infrastruktur, die vorhanden ist, sollte auch genutzt werden. Ein Flughafen ist grundsätzlich besser als kein Flughafen – aber wenn es ein permanenter Zuschussbetrieb bleibt, stellt sich natürlich die Frage, ob er in der Form sinnvoll ist.
Wenn Sie einen Wunsch an die Politik in Kärnten hätten: Was müsste passieren, um den Industriestandort langfristig zu stärken?
Diese Frage ist schwierig, weil die Kärntner Politik oft gar nicht die Hebel in der Hand hat. Die großen Entscheidungen fallen in Brüssel oder zumindest in Wien. Ich sehe die föderale Struktur in Österreich generell kritisch – ich frage mich, wozu wir neun Landesregierungen und Landtage brauchen. Es wäre viel effizienter, wenn es da eine andere Struktur gäbe. Was man auf Landesebene aber sehr wohl tun kann, ist, die Verwaltung effizienter zu gestalten. Die ganzen gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren etwa sollten einfach und schnell funktionieren. Als Unternehmen hat man oft das Gefühl, dass einem eher Steine in den Weg gelegt werden, statt unterstützt zu werden. Wichtig wäre, dass die Verwaltung wieder – oder vielleicht erstmals – ein Mindset entwickelt undsich als Serviceeinrichtung versteht. Für Unternehmen und Bürger:innen da zu sein, statt sie als Störung zu empfinden, wenn sie etwas wollen. Es gibt positive Beispiele, das will ich ausdrücklich sagen, aber leider eben auch viele negative.
Abschließend noch ein Blick in die Zukunft – was ist Ihre Vision für Leeb Balkone?
Unsere Vision ist, dass wir weiterhin Marktführer in unserem Bereich bleiben. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den nächsten Jahren besonders in Deutschland stark zu wachsen und diesen Markt noch intensiver zu bearbeiten.