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Porträt von Landesrat Sebastian Schuschnig
© Martin Steinthaler | tinefoto

1,8 Millionen Chancen für den Wirtschaftsraum Kärnten

Landesrat Sebastian Schuschnig erklärt im Interview, warum die Koralmbahn Kärntens Industrie stärkt, Fachkräfte bewegt und neue Wertschöpfung entlang der Baltisch-Adriatischen Achse schafft.

Lesedauer: 4 Minuten

11.12.2025

Herr Landesrat, wenn Sie die Koralmbahn in einem Satz für die Kärntner Industrie beschreiben müssten: Welches wirtschaftspolitische Versprechen steht aus Ihrer Sicht im Mittelpunkt?

Die Koralmbahn ist weit mehr als nur eine Verkehrsverbindung – sie ist die größte Chance für den Kärntner Wirtschaftsstandort seit Generationen, sie rückt unser Bundesland mitten auf die europäische Landkarte und den Standort Kärnten in ein internationales Licht. 

Was ist für Sie persönlich der größte Mehrwert, den die Koralmbahn für den Standort Kärnten schafft?

Die Mobilität von Menschen und Gütern ist ein wesentlicher Faktor für jeden Standort und steigert seine Attraktivität – hier bringt uns die neue Bahnverbindung in ein völlig neues Zeitalter. Wir sehen die Koralmbahn aber nicht nur als Punkt-zu-Punkt-Verbindung und haben daher das gesamte Kärntner Nahverkehrsnetz optimal auf die Koralmbahn abgestimmt. Denn am Ende des Tages soll das gesamte Bundesland von diesem Jahrhundertprojekt profitieren und nicht nur die Regionen direkt an der Bahnverbindung. 

Was wäre die größte verpasste Chance?

Für mich wäre die größte verpasste Chance, wenn wir die Koralmbahn nicht für unsere Positionierung als Standort nutzen. Kärnten hat gerade am Wirtschafts-, Industrie- und Tourismussektor sehr viel Qualität zu bieten. Die neue Bahnverbindung ist eine riesige Veränderung für uns alle – aber wir müssen diese Veränderung als Möglichkeit begreifen, gemeinsam erfolgreich zu sein.

Die Koralmbahn wird als „Gamechanger“ für den Süden Österreichs beschrieben. Welche konkreten Standortvorteile entstehen kurz-, mittel- und langfristig für produzierende Betriebe?

Dafür reicht ein schneller Blick auf die Kennzahlen: Die Koralmbahn verbindet einen Wirtschaftsraum, der mit 1,8 Millionen Menschen, über 150.000 Betrieben und rund 770.000 Beschäftigten der zweitgrößte des Landes ist. Zusätzlich dazu liegen wir zukünftig auf einer direkten wirtschaftlichen Verbindung zwischen der Adria und der Ostsee, der Baltisch-Adriatischen Achse. Das bringt uns noch näher an internationale Märkte und Seehäfen.

Wird die Koralmbahn den Fachkräftefluss erleichtern oder besteht die Gefahr einer Abwanderung, weil Graz dadurch attraktiver wird?

Kärnten verfügt über eine unvergleichliche Lebensqualität, nicht umsonst schätzen die Kärntnerinnen und Kärntner ihre Lebensqualität österreichweit am höchsten ein. Dieses Asset müssen wir nutzen, indem wir die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Betriebe so gestalten, dass sie sich positiv entwickeln können und gleichzeitig attraktiv für Fachkräfte sind.

Welche Rolle nimmt die AREA Süd als möglicher Ballungs-, Innovations- und Produktionsraum ein?

Man muss sich hier nur eines vor Augen führen: Die Alpe-Adria Region ist mittlerweile der zweitwichtigste Exportmarkt für Kärntner Betriebe. Hier innerhalb der AREA Süd zu kooperieren und als schlagkräftiger Wirtschaftsraum aufzutreten, bietet viele Vorteile. Kärnten kann sich durch den Verladebahnhof Kühnsdorf und mit dem LCA Fürnitz zur Logistikdrehscheibe für den internationalen Güterverkehr im Alpe-Adria-Raum positionieren. Und vergessen wir dabei nicht den Tourismus: Von Kooperationen können sowohl Kärnten als auch die Steiermark profitieren.

Welche Unterstützungsmaßnahmen plant das Land, um Unternehmen aktiv dorthin zu bringen – statt nur auf natürliche Standortentwicklung zu hoffen?

Nehmen wir das Beispiel Logistik: Wir haben gerade erst heuer das Logistik Center Austria Süd (LCAS) mit zusätzlichen Mitteln gestärkt und investieren gemeinsam mit den ÖBB, um den Logistikstandort professionell zu vermarkten. Auch beim Güterverladebahnhof Kühnsdorf investieren Land und Standortgemeinden insgesamt rund 5 Millionen Euro. Als Exportland bietet die Logistik große Zukunftschancen.

Kritische Stimmen sagen, dass Kärnten zwar schneller erreichbar sein wird, aber keine neuen industriellen Wertschöpfungsketten entstehen, wenn es nicht gleichzeitig Investitionen in Digitalisierung, Forschung und Energieinfrastruktur gibt. Wie begegnen Sie dieser Kritik?

Natürlich braucht es parallel zur Koralmbahn zusätzliche Maßnahmen. Als Landesregierung haben wir mit der Koralmstrategie 116 Punkte definiert, die im Hinblick auf den Start der Verbindung zu erledigen sind und quer über alle Bereiche gehen: Von Betriebsansiedelungen, Wohnbau, Gesundheitsversorgung, Regionalentwicklung bis hin zu Investitionen in den öffentlichen Verkehr und in unsere Infrastruktur. Wir haben ein klares Monitoring, das unsere Fortschritte misst. Und zum Thema Digitalisierung eine nicht unwesentliche Zahl: Allein bis 2029 errichten wir quer durch Kärnten 4.500 Kilometer Glasfaserverbindungen. 

Wird es steuerliche oder regulatorische Anreizmechanismen geben, um Neuansiedlungen zu beschleunigen?

Die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts hat oberste Priorität. Dafür braucht es auf allen Ebenen – von der EU bis zu den Gemeinden – ein klares Commitment zur Entbürokratisierung. Als Landesregierung verfolgen wir das Ziel, zum unternehmerfreundlichsten Bundesland zu werden und damit auch Neuansiedlungen zu forcieren. Das bedeutet, bürokratische Hürden konsequent abzubauen und schnelle Behördenverfahren sicherzustellen. Sie sehen an den gestarteten Strukturreformen in der Verwaltung, dass wir bereit sind, mutige Schritte zu setzen.

Wie wird sichergestellt, dass Infrastruktur, Arbeitskräfte, Betriebsflächen und Energieversorgung synchron entwickelt werden – und nicht in verschiedenen Geschwindigkeiten laufen?

Wir sind in der Landesregierung quer über alle Referate in laufender Abstimmung und ziehen an einem Strang, um das Potenzial der Koralmbahn optimal auszunutzen. Wovon wir zusätzlich profitieren: Wir pflegen einen laufenden Austausch mit allen Sozialpartnern und Interessensvertretern. Wir wissen von den aktuellen Herausforderungen und von den Notwendigkeiten, die unser Standort benötigt.

Was ist Ihre Botschaft an industrielle Entscheidungsträger:innen, die jetzt darüber nachdenken, Investitionen in Kärnten umzuschichten oder auszubauen?

Wir brauchen genau jetzt Menschen und Unternehmen, die den Mut haben, in Kärnten Investitionen zu tätigen. Ich sage immer: Wir müssen uns selbst etwas zutrauen, zuversichtlich und optimistisch sein. Seitens der Politik schaffen wir die Rahmenbedingungen dafür. Mit der Wirtschaftsombudsstelle etwa haben wir eine österreichweit einzigartige zentrale Schnittstelle zwischen der Verwaltung und unseren Unternehmen geschaffen. Sie vermittelt dort, wo Verfahren ins Stocken geraten und sorgt dafür, dass Lösungen gefunden und Prozesse beschleunigt werden. Das trägt ganz konkret zur Entbürokratisierung und zur Entlastung unserer Unternehmen bei.

Im Jahr 2030 ist die Bahn 5 Jahre in Vollbetrieb: Welche messbaren Effekte wollen Sie schwarz auf weiß vorlegen können?

Bereits heute übertrifft die Wertschöpfung durch den Bau der Koralmbahn die getätigten Investitionskosten. Ich gehe davon aus, dass wir diesen positiven Schwung in den nächsten Jahren beibehalten werden und Kärnten sowohl wirtschaftlich als auch touristisch von der Koralmbahn profitieren wird. Wir haben jedenfalls die besten Voraussetzungen dafür, in fünf Jahren von einer absoluten Erfolgsgeschichte sprechen zu können.  

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