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Porträt von KSV1870-Standortleiterin Klagenfurt Brigitte Peißl-Schickmair
© Prontolux KG

Risikomanagement ist kein Nice-to-have mehr

Brigitte Peißl-Schick­mair, KSV1870-Standortleiterin Klagenfurt, spricht im Interview darüber, warum sich Industrieunternehmen jetzt konsequent mit Bonität, Cybersecurity und laufendem Risikomanagement auseinandersetzen müssen.

Lesedauer: 4 Minuten

02.12.2025

Was ist das Spannendste, das Ihnen in den letzten Monaten in der Kärntner Unternehmenslandschaft aufgefallen ist - etwas, das Sie positiv überrascht hat?

Brigitte Peißl-Schick­mair: Die Kärntner Unternehmenslandschaft ist geprägt von Zielstrebigkeit und Erneuerungswille. Das Bundesland ist die Heimat vieler Unternehmen, die sich gerade in schwierigen Zeiten nicht von ihrem Weg abbringen lassen, und gleichzeitig für Veränderung offen sind. Das war für mich aber ehrlicherweise keine Überraschung, denn wer die Menschen in der Region kennt, kennt auch ihre Charaktereigenschaften.  

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation der Kärntner Industrie und welche Faktoren beeinflussen die Betriebe derzeit am stärksten?

Die wirtschaftliche Lage der Kärntner Industrie bleibt verhalten. Die Betriebe haben mit einer teils nur durchschnittlichen Auftragslage zu kämpfen, was sich in weiterer Folge auf die Umsätze auswirkt. Nicht nur die hohen Kosten belasten die Betriebe, sondern auch der Personalmangel ist nach wie vor akut. 60 Prozent der Kärntner Unternehmen beklagen fehlende Arbeitskräfte. Um trotz intensiver Bemühungen wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren, braucht es verbesserte Rahmenbedingungen, die über punktuelle Anpassungen hinausgehen. Hier ist auch die Politik gefragt, entsprechende Maßnahmen zu setzen - etwa im Bereich der Entbürokratisierung oder beim Thema Energie, das insbesondere energieintensive Branchen, wie die Industrie eine ist, massiv belastet. Zudem gilt es vor allem dort rasch anzusetzen, wo die Wertschöpfung für das Land besonders groß ist. Angesichts der Vielzahl an Arbeitsplätzen zählt die Industrie hier definitiv dazu.

Welche typischen Risiken oder Bonitätsherausforderungen sehen Sie aktuell speziell bei Kärntner Industriebetrieben?

Aktuell betreiben viele Unternehmen ein rigoroses Kosten- und Risikomanagement. Das ist gut, denn in der momentanen Phase braucht es das mehr denn je, um nicht selbst auf der Strecke zu bleiben. Dazu zählt auch, die Bonität von Geschäftspartnern nicht nur zu Beginn einer Zusammenarbeit genau im Blick zu haben, sondern ständig. Dabei geht es in erster Linie darum, etwaige Zahlungsausfälle frühzeitig zu erkennen und im Bedarfsfall rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen.

Welche Rolle spielt der KSV1870 Standort Klagenfurt für die regionale Industrie?

Als Gläubigerschutzverband stehen wir den Betrieben in sämtlichen Phasen ihres unternehmerischen Lebenszyklus beratend zur Seite - ganz besonders in puncto Risikomanagement. Das reicht von Bonitätsabfragen über die Übernahme etwaiger Inkassofälle bis hin zur Wahrung von Gläubigerinteressen vor Gericht, wenn ein Geschäftspartner in die Insolvenz schlittert. Darüber hinaus haben wir uns in der jüngeren Vergangenheit auch Themen wie der Cybersicherheit verstärkt gewidmet, indem wir Betriebe unter anderem mit dem CyberRisk Rating unterstützen. Einerseits steigt die Zahl an Delikten in puncto Internetkriminalität seit Jahren kontinuierlich, im Vorjahr gab es rund 60.000 derartiger Vorfälle, andererseits soll in Kürze die EU-NIS2-Richtlinie kommen, die für ein höheres Sicherheitsniveau von Netz- und Informationssystemen innerhalb der EU sorgen soll. Dafür gilt es sich zu rüsten.

Welche Anliegen werden besonders häufig an Sie herangetragen?

In meiner Rolle geht es vorrangig darum, Unternehmen im Falle eines insolventen Geschäftspartners beratend zur Seite zu stehen, und für sie bei Gericht die bestmögliche Quote zu erzielen. Ziel ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen für den betroffenen Betrieb möglichst gering zu halten.

Wie wirken sich Lieferketten, regionale Abhängigkeiten und internationale Märkte auf das Insolvenzrisiko in Kärntner Industriebetrieben aus?

Während Lieferkettenprobleme insbesondere während der Corona-Krise viele Unternehmen vor große Probleme gestellt haben, sind es aktuell vor allem der akute Personalmangel, eine maximal durchschnittliche Auftragslage, das anhaltend hohe Kostenniveau oder geopolitische Spannungen, die den Unternehmen große Kopfzerbrechen bereiten.

Welche Branchen oder Cluster in Kärnten (z. B. Holz, Metall, Maschinenbau) benötigen aus Ihrer Sicht derzeit die meiste Aufmerksamkeit im Risikomanagement?

Mit Blick auf die jüngste Insolvenzstatistik zum Ende des dritten Quartals 2025 zeigt sich, dass das Kärntner Insolvenzgeschehen - ähnlich wie auf Bundesebene - von Betrieben aus den Bereichen Handel, Bauwirtschaft und Gastronomie/Beherbergung dominiert wird. Diese drei Branchen verzeichnen schon seit längerer Zeit knapp die Hälfte aller Firmenpleiten. Unabhängig davon ist es gerade jetzt für jedes Unternehmen entscheidend, seinen Fokus auf das Thema Risikomanagement zu lenken. Wenngleich Faktoren wie Innovation und Investition nicht fehlen dürfen.

Wie können Kärntner Unternehmen durch Bonitätsprüfungen regionaler Zulieferer Ausfälle verhindern?

Punktuelle, aber auch fortlaufende Bonitätsprüfungen helfen, die wirtschaftliche Stabilität von Kunden und Lieferanten stets im Blick zu haben und Ausfallrisiken zu senken - etwa im Rahmen eines laufenden Bonitätsmonitors, das wir beim KSV1870 anbieten. Dadurch erhält man eine konkrete Einschätzung über die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls des jeweiligen Geschäftspartners und hat es im Ernstfall selbst in der Hand, einzugreifen.  

Welche drei konkreten Maßnahmen empfehlen Sie Kärntner Industrieunternehmen, um ihre wirtschaftliche Stabilität 2026 zu stärken und Zahlungsausfälle zu vermeiden?

Laut unserer aktuellen KSV1870 Umfrage ist die Zahlungsmoral in Österreich nach wie vor gut, wenngleich punktuelle Verschlechterungen erkennbar sind. Generell wird jede sechste Rechnung zu spät bezahlt, das ist ein guter Wert. Doch mit jedem Tag, an dem es zu keiner finanziellen Entlastung kommt, steigt die Gefahr von Zahlungsausfällen. Bereits jetzt zeigt sich, dass es bei jenen, die offene Rechnungen nicht fristgerecht begleichen, zu mehr Totalausfällen kommt als noch vor einem Jahr. Insofern ist es entscheidender denn je, Geschäftsrisiken zu reduzieren, um nicht selbst in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Auch wenn es vielleicht unpopulär sein mag, empfehlen wir als KSV1870, rasch zu mahnen, falls Zahlungsziele nicht eingehalten werden. Je früher Schritte gesetzt werden, desto größer die Chance, doch noch sein Geld zu erhalten. Gleichzeitig braucht es den Mut und die Offenheit, sich einzugestehen, wenn etwas nicht funktioniert hat - dann ist eine rasche Kurskorrektur entscheidend. Bei Gericht sehen wir immer wieder, dass keine oder eine zu späte Reaktion auf Marktveränderungen der Hauptgrund für eine Firmenpleite ist - das ist vermeidbar.

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