Tunnelblick in die Zukunft
Die Koralmbahn gilt für den Süden Österreichs als Jahrhundertchance und verbindet die beiden Zentralräume Graz und Klagenfurt. Velmeden: "Kärnten wird Teil einer offenen Achse im Alpe-Adria-Raum." Doch der Spartenobmann mahnt auch zur Nüchternheit.
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Am 14. Dezember 2025 war es so weit: Die Koralmbahn nahm offiziell Fahrt auf und eröffnete damit eine neue Zeitrechnung. Denn nicht nur, dass der Zug mit mehr als 230 Kilometern pro Stunde durch den knapp 30 Kilometer langen Tunnel brettert und Klagenfurt mit Graz in rund 40 Minuten verbindet. Mit der AREA Süd entsteht ein völlig neuer Wirtschaftsraum im Süden Österreichs mit rund 1,8 Millionen Menschen. Und das soll auch völlig neue Chancen für die Unternehmen bringen.
"Koralmbahn ist fantastisch"
Für Michael Velmeden, Spartenobmann der Industrie in der Wirtschaftskammer Kärnten, ist die Eröffnung der Koralmbahn weit mehr als ein symbolischer Moment. Ein Projekt dieser Größenordnung sei nur mit staatlicher Unterstützung möglich - und genau dort verortet er auch dessen Bedeutung. "Infrastruktur gehört zu den zentralsten staatlichen Aufgaben. Die Koralmbahn verbindet zwei Bundesländer und schafft einen gemeinsamen Wirtschaftsraum. Das ist fantastisch." Doch Velmeden mahnt auch zur Nüchternheit: Die Bahn allein werde nicht automatisch wirtschaftliche Wunder bewirken. Die eigentliche Veränderung komme schrittweise, vor allem durch veränderte Entscheidungen von Menschen und Unternehmen.
Quantensprung für Kärnten
Mehr als 50.000 Arbeitgeberbetriebe mit rund 730.000 Beschäftigten erwirtschaften in der AREA Süd eine Wirtschaftsleistung von knapp 70 Milliarden Euro. Deshalb sind die Erwartungen der Wirtschaftskammern Steiermark und Kärnten hoch. Eine gemeinsame Umfrage unter 1.085 Mitgliedsbetrieben zeigt, dass 90 Prozent die verstärkte Kooperation zwischen den beiden Bundesländern positiv oder überwiegend positiv bewerten. Als größte Chancen sehen die Unternehmen eine höhere Arbeitskräftemobilität, bessere Erreichbarkeit und einen wirtschaftlichen Bedeutungsgewinn der Regionen. "Für Kärnten ist das ein echter Quantensprung - wir sind nicht länger peripher, sondern mittendrin in einem neuen Zentrum wirtschaftlicher Dynamik", so WKK-Präsident Jürgen Mandl. Und WKO Steiermark Präsident Josef Herk ergänzt: "Nun gilt es, eine gemeinsame regionalpolitische Agenda umzusetzen, um den Wirtschaftsraum zu einem Vorzeigestandort in Europa zu machen."
Hausaufgaben nicht vollständig erledigt
Bei aller Euphorie spart Velmeden nicht mit klaren Worten. Auf die Frage, ob Kärnten ausreichend vorbereitet sei, antwortet er offen: "Nein, Kärnten hat die Hausaufgaben nicht vollständig erledigt. Die Steiermark war deutlich schneller und ist weiter." Dabei gehe es nicht um spektakuläre Projekte, sondern um grundlegende wirtschaftspolitische Arbeit: Raumordnung, Standortentwicklung, die Rolle der Orte entlang der Strecke. "Das sind vermeintlich langweilige, mühsame Aufgaben - aber genau sie entscheiden darüber, ob ein Jahrhundertprojekt Wirkung entfaltet." Positiv sei jedoch, dass dieses Bewusstsein inzwischen vorhanden sei. "Das ist kein Grund zu verzagen, sondern ein Auftrag, endlich zu starten."
Hebel in den Adria-Raum
Für die Industrie liegt die größte Chance klar in der verbesserten Erreichbarkeit. "Wir diskutieren seit Jahren über Straßen, Flugverbindungen und Anbindungen. Die Bahn eröffnet uns nun einen zusätzlichen, schnellen Zugang aus vielen Regionen." Dabei endet die Wirkung nicht in Kärnten. "Die Koralmbahn ist ein Hebel, der auch den Adria-Raum indirekt mitanbindet. Kärnten ist nicht mehr Endpunkt, sondern Teil einer offenen Achse." Regionen, die heute als Durchzugsgebiete wahrgenommen werden, könnten so zu attraktiven Ansiedlungsräumen werden - vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.