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Vertrauen bedeutet nicht Wohlfühlzone

Hermann Gangl, Mitglied der ExpertsGroup HRM, verrät im Interview, welche Maßnahmen das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen stärken und welche Gefahren lauern.

Lesedauer: 4 Minuten

05.08.2023
Hermann Gangl
© KK

Herr Gangl, wie kann man aus Ihrer Sicht das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen stärken?

Hermann Gangl: Ich sehe bestimmte Grundvoraussetzungen für das Entstehen einer nachhaltigen Vertrauenskultur: und zwar entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen, Führungsqualität mit einem gesunden Menschenbild, ein entsprechendes Verhalten wo Worte und Taten im täglichen Miteinander im Einklang stehen.

Bleiben wir beim ersten Punkt - den organisatorischen Rahmenbedingungen. Was verstehen Sie darunter?

Gangl: Ich meine, dass eine motivierende Vision und Strategie, ein Leitbild sowie klare Unternehmenswerte und Führungsleitlinien als Orientierung und gemeinsame Grundlage für die Etablierung einer Vertrauenskultur dienen. Dabei ist es für mich entscheidend, dass diese Leitlinien nicht nur auf Hochglanzbroschüren oder Webseiten des Unternehmens existieren, sondern aktiv gelebt werden. Unter organisatorischen Rahmenbedingungen sehe ich ergänzend die Umsetzung von Off- und Onboarding-Prozessen.

Was manchen Unternehmen fehlt, sind klar strukturierte Onboarding-Prozesse mit einer herzlichen Willkommenskultur, um sicherzustellen, dass sich Mitarbeiterinnen von Anfang an vertrauensvoll auf- und angenommen fühlen.

Gleiches gilt auch für den Offboarding-Prozess, bei dem es darum geht, sich von Mitarbeitern auf wertschätzende und respektvolle Weise zu verabschieden, egal ob ein Mitarbeiter den Bereich wechselt, das Unternehmen verlässt oder altersbedingt in den Ruhestand geht.

Ein gelungener Abschied trägt dazu bei, Vertrauen bei den Betroffenen aber auch bei den verbleibenden Mitarbeiter:innen bis über das Arbeitsverhältnis hinaus aufzubauen und die Weiterempfehlungsrate des Unternehmens zu erhöhen.

Wie zeigt sich dieses Leben von Leitlinien?

Gangl: Das aktive Leben von Leitlinien zeigt sich im täglichen Miteinander durch das konsequente Handeln und Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter:innen im Einklang mit den festgelegten Leitlinien. Es bedeutet, dass die Unternehmenswerte und Verhaltensrichtlinien in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Unternehmens umgesetzt werden.

Es zeigt sich auch in einer kooperativen Zusammenarbeit und der Fairness im Umgang miteinander und beispielsweise dadurch, dass Unternehmen eine Regelkommunikation sicherstellen und Informationen über relevante Geschehnisse rechtzeitig an Mitarbeiter:innen weitergeben. Das Schlimmste ist, wenn man Neuigkeiten aus den Medien erfährt.

Führungskräften fällt demnach eine besondere Aufgabe zu.

Gangl: Ja, sie müssen mit Empathie und Vertrauen als Fördernde und Moderierende agieren und klare Verantwortlichkeiten mit entsprechend hohem Freiraum gewähren. Dazu gehört auch das Etablieren einer Lern-, Fehler- und Innovationskultur.

Generell fungiert eine Führungskraft als Vorbild, indem sie die Werte und Verhaltensweisen verkörpert, die sie von ihren Mitarbeitenden erwartet.

Kommen wir zum zweiten Punkt der Führung und dem Umgang miteinander. Worum geht es hier?

Gangl: Eine Führungsperson behandelt vorzugsweise ihre Mitarbeiter:innen respektvoll und fair, ist zuverlässig und unterstützt diese und das Team. Es ist ergänzend wichtig, transparente Entscheidungen zu treffen und Mitarbeiter:innen in wichtige Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Eine offene und transparente Kommunikation, die sich auf Lösungen konzentriert statt auf Probleme, spielt dabei eine zentrale Rolle. Im Umgang miteinander ist es wichtig, die Vertrauenskultur im Unternehmen zu pflegen und leben.

Welche weiteren Aspekte stärken das Vertrauen zwischen Arbeitgeber:in und Arbeiternehmer:in?

Gangl: Wenn Führungskräfte aktiv zuhören, die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen ernst nehmen und regelmäßige Rückmeldungen geben und für Ihre Mitarbeiter da sind, wenn diese ein Anliegen haben: Mein Tipp: Sorgen Sie auch dafür, dass die Arbeit Spaß macht und motivierend ist.

Und wenn es einmal Konflikte gibt?

Gangl: Als Führungskraft ist es wichtig, Konflikte frühzeitig zu erkennen und anzusprechen - genauso wie Sie bei Lob auch nicht warten sollten. Bewahren Sie eine neutrale Position und hören Sie aktiv zu und versuchen Sie, die Standpunkte aller Beteiligten zu verstehen. Fördern Sie eine konstruktive Lösung, indem Sie gemeinsam nach Win-Win-Lösungen suchen.

Welche Hürden verhindern das Entstehen von Vertrauen?

Gangl: Als Hürden für das Entstehen von Vertrauen sehe ich Themen wie ein verzerrtes Menschenbild, eine unklare Kommunikation, mangelnde Transparenz, unzuverlässiges Verhalten und fehlende Offenheit und Transparenz. Wenn Führungskräfte sich ausschließlich auf Zahlen, Daten und Fakten konzentrieren und keine Zeit für die Belange der Mitarbeiter aufbringen oder gar ein toxisches „Kiss-Up-Kick-Down – Verhalten“ an den Tag legen. Des Weiteren, wenn sie ihr eigenes Verhalten nicht hinterfragen oder in überholten Glaubenssätzen verhaftet sind.

Welche Tipps zur Stärkung des Vertrauens können Sie Vorgesetzten geben?

Gangl: In erster Linie sehe ich neben den Vorhin angesprochenen Tipps und Aspekten ergänzend auch Geradlinigkeit, Verlässlichkeit und Anerkennung und Wertschätzung als wichtige Faktoren zur Stärkung des Vertrauens.

Als HR-Consultant und Business Coach habe ich in den letzten Monaten gute Erfahrungen gemacht, indem ich mit einem Kunden nach einem Business Coaching zum Thema Führung und Umgang mit unterschiedlichen Mitarbeitern an der Entwicklung einer Vision, eines Leitbilds und grundlegender Werte gearbeitet habe. Diese Maßnahmen dienten als Grundlage zur Steigerung der Motivation und des Vertrauens.

Birgt ein großes Vertrauen nicht auch die Gefahr des Ausnutzens?

Gangl: Meiner Meinung nach hat Vertrauen auch eine andere Seite und bedeutet keinesfalls Wohnfühlzone. Vertrauen setzt Loyalität voraus und darf nicht in Naivität und Gutgläubigkeit enden. Genauso wenig darf aber Loyalität in der Übertreibung nicht zur Abhängigkeit und zu einem Mangel an Selbstständigkeit und Selbstbestimmung führen. 

Herr Gangl, vielen Dank für das Gespräch!


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