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Im Vordergrund ist die Rückenansicht einer Kamera, die auf einem Stativ steht. Auf dem Bildschirm der Kamera ist eine Person, die eine Verpackung in die Kamera hält. Im Hintergrund sitzt diese Person an einem Tisch
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Der Einfluss von Produktvideos auf Kaufentscheidungen im E-Commerce

Lesedauer: 4 Minuten

04.11.2025

Die digitale Transformation des Handels hat zu Veränderungen im Kaufverhalten von Verbrauchern geführt. Im Gegensatz zum stationären Handel fehlt im E-Commerce die physische Interaktion mit den Produkten vor dem Kauf. Verbraucher können die Produkte nicht anfassen, testen oder direkt erleben, was eine Hürde für den Kauf darstellen kann. Genau hier kommen Produktvideos ins Spiel: Online-Händler setzen zunehmend auf reichhaltige Produktvideos, die visuelle und auditive Elemente kombinieren, um ein intensiveres Produkterlebnis zu schaffen und Verbraucher bei der Kaufentscheidung zu unterstützen. Doch die Erstellung von Produktvideos ist aufwändig, sodass sich insbesondere KMU die Frage stellen, ob sich der Einsatz von Videos tatsächlich lohnt.   

Um den Einfluss von Produktvideos auf mentale Prozesse und Entscheidungen im E-Commerce zu untersuchen, wurde im Rahmen der Kooperation der Sparte Handel mit dem Masterstudiengang E-Commerce der FH Wiener Neustadt, Campus Wieselburg eine Masterarbeit zu diesem Thema durchgeführt, in der empirisch ermittelt wurde, welche Rolle Produktvideos auf die Kaufabsicht im E-Commerce spielen. (…)

Deskriptive Ergebnisse    

Hinsichtlich der Nutzung von Produktvideos zeigte sich, dass Befragte durchschnittlich bei rund 3,5 von 10 Online-Käufen auf Videos zurückgreifen. Das Verhalten ist stark heterogen. Manche nutzen Videos regelmäßig, andere kaum. Am häufigsten konsumiert werden Anwendungsdemonstrationen (79 %) und Tutorials (60 %), während emotionale oder rein künstlerische Formate seltener genannt wurden.  

Produktvideos werden besonders häufig im Zusammenhang mit Unterhaltungselektronik, Computern und Sportartikeln verwendet, während bei Mode oder Möbeln eine geringere Relevanz besteht. Auffällig ist zudem die Bedeutung der Consideration-Phase der Customer Journey. Hier werden Videos vor allem eingesetzt, um Produkte zu vergleichen, bevor sich für den Kauf entschieden wird. Sie werden hauptsächlich auf Smartphones über Plattformen wie YouTube, Instagram oder TikTok konsumiert. 

Explorative Ergebnisse  

Die Analyse verdeutlicht, dass Media Richness eine zentrale Rolle in der Wahrnehmung von Produktvideos spielt. Reichhaltige Medienformate steigern sowohl die mentale Vorstellungskraft als auch die wahrgenommene Diagnostizität (das Ausmaß, in dem ein Video als informativ und vertrauenswürdig empfunden wird) signifikant. Damit wird bestätigt, dass Produktvideos Konsumentinnen und Konsumenten unterstützen, sich Produkte lebhaft vorzustellen und gleichzeitig die bereitgestellten Informationen als glaubwürdig und hilfreich einzuschätzen.  

Besonders hervorzuheben ist jedoch die Rolle der mentalen Vorstellungskraft. Sie wirkt direkt und positiv auf die Kaufabsicht. Konsumentinnen und Konsumenten, die sich mithilfe eines Videos die Nutzung eines Produkts gut vorstellen können, entwickeln eher die Absicht, es tatsächlich zu erwerben.  

Im Gegensatz dazu zeigte sich, dass die wahrgenommene Diagnostizität, also das Ausmaß, in dem ein Video als informativ und vertrauenswürdig empfunden wird, keinen direkten Einfluss auf die Kaufabsicht hat. Auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Media Richness selbst und der Kaufabsicht konnte nicht bestätigt werden. Damit wird deutlich, dass die Wirkung von Produktvideos nicht in erster Linie durch die Menge oder Qualität der Informationen bestimmt wird, sondern durch die kognitive und emotionale Verarbeitung dieser Inhalte.  

Darüber hinaus konnte die erwartete moderierende Wirkung der wahrgenommenen Produktkomplexität nicht nachgewiesen werden. Ob ein Produkt als einfach oder komplex eingeschätzt wurde, hatte keinen Einfluss auf die Stärke der Effekte. Dies legt nahe, dass Produktvideos in unterschiedlichen Produktkategorien vergleichbar wirksam sind. Das Modell erklärt insgesamt einen relevanten Anteil der Varianz in den untersuchten Konstrukten und unterstreicht damit die Bedeutung von kognitiven Prozessen für die Wirkung digitaler Produktpräsentationen. (…) 

Ein zentraler psychologischer Mechanismus, der die Wirksamkeit von Produktvideos untermauert, ist die mentale Vorstellungskraft, also die Fähigkeit, sich das Aussehen oder die Verwendung des Produkts mental vorzustellen bzw. zu simulieren. Diese Vorstellungskraft ist vor allem dort relevant, wo keine physische Interaktion stattfinden kann.  

Conclusio

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Produktvideos ihre Wirkung im E-Commerce nicht direkt über Media Richness oder die wahrgenommene Diagnostizität entfalten. Entscheidend ist vielmehr die mentale Vorstellungskraft, die Konsumentinnen und Konsumenten durch das Video entwickeln. Sie fungiert als kognitive Brücke zwischen Media Richness und Kaufabsicht. 

  • Mentale Vorstellungskraft ist der zentrale Treiber der Kaufabsicht.
  • Wahrgenommene Diagnostizität, also wie informativ und vertrauenswürdig ein Video wahrgenommen wird, allein reicht nicht aus, um Verhaltensabsichten (z.B. Kaufabsichten) auszulösen.
  • Media Richness wirkt indirekt, indem sie kognitive Prozesse unterstützt.
  • Wahrgenommene Produktkomplexität spielt keine Rolle, Produktvideos sind unabhängig von der wahrgenommenen Komplexität wirksam. 

Handlungsempfehlungen für KMU im E-Commerce

Die Ergebnisse lassen sich in einige einfache Maßnahmen übersetzen, die KMUs sofort umsetzen können: 

  1. Produkte im Alltag zeigen: Zeigen Sie, wie und wo das Produkt tatsächlich genutzt wird. Zum Beispiel im Haushalt, beim Sport oder im Berufsalltag. So entsteht ein realistisches Bild, das die Vorstellungskraft stärkt.
  2. Funktion und Nutzen klar machen: Erklären Sie Schritt für Schritt, wie das Produkt funktioniert und welchen konkreten Vorteil es bietet. Menschen reagieren stärker auf Videos, die ihnen verständlich machen, warum und wie ein Produkt hilfreich ist.
  3. Einfach und übersichtlich bleiben: Videos entfalten ihre Wirkung besonders dann, wenn Ton und Bild im Zusammenspiel eine klare Geschichte erzählen. Wenn sich Worte und Bilder gegenseitig ergänzen, fällt es den Zuschauerinnen und Zuschauern leichter, dem Inhalt zu folgen und sich das Gezeigte zu merken. Eine einfache Gestaltung und kurze Laufzeit unterstützen diesen Effekt. 
  4. Videos gezielt einsetzen: Verwenden Sie Produktvideos vor allem in der Vergleichsphase (Consideration-Phase), also dort, wo Kundinnen und Kunden verschiedene Optionen vergleichen. Hier beeinflussen sie Kaufentscheidungen am stärksten.
  5. Für alle Produkttypen geeignet: Da die Wirkung unabhängig davon ist, ob ein Produkt als einfach oder komplex wahrgenommen wird, können Videos in allen Produktkategorien sinnvoll eingesetzt werden.  

Produktvideos überzeugen, wenn sie das Produkt erlebbar machen. Je besser Kundinnen und Kunden sich vorstellen können, wie sie das Produkt nutzen, desto größer ist die Chance, dass sie sich dafür entscheiden.