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Gerhard Hellwagner
© Tinefoto
Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Fachverband

"Es muss auch einmal Schluss sein – und der Zeitpunkt ist richtig" − Interview mit Gerhard Hellwagner

Vorsitzender der Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) tritt nach 15 Jahren zurück

Lesedauer: 5 Minuten

03.12.2025

Seit 2006 unterstützt die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten innerhalb der Wirtschaftskammer Österreich Makler:innen und ihre Kund:innen bei rechtlichen Auseinandersetzungen mit Versicherungsunternehmen. Sie schlichtet Streitigkeiten zwischen Versicherungsnehmer:innen, Makler:innen und Versicherungsunternehmen, prüft die Rechtslage und spricht Empfehlungen aus – schnell, unbürokratisch und außergerichtlich.

Fünfzehn Jahre lang hat Gerhard Hellwagner, Senatspräsident des Oberlandesgericht Wien i.R., diese wichtige Stelle als Vorsitzender geprägt. Unter seiner Ägide hat sich die RSS als feste Größe innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation etabliert, das Fallaufkommen stieg kontinuierlich und das Verfahren durch die Einführung von "Versäumnisentscheidungen" bei Nichtreaktion einer Seite weiterentwickelt. Nun übergibt Hellwagner mit 85 Jahren ein "gut bestelltes Haus" und blickt auf eine erfüllte Zeit zurück.

Wenn Sie auf 15 Jahre als Vorsitzender der Rechtsservice- und Schlichtungsstelle zurückblicken: Welche Entwicklungen waren für Sie besonders prägend – und hat sich Ihre Sicht auf die RSS im Laufe der Zeit verändert?

Gerhard Hellwagner: Wenn ich 15 Jahre zurückgehe, möchte ich zuerst sagen: Die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle war bereits eine sehr gute Einrichtung – geschaffen durch den damaligen Fachverbandsobmann Gunther Riedlsperger und meinen Vorgänger, Senatspräsident Ekkehard Schalich. Aber: Sie war organisatorisch im Rahmen der Kammerstruktur nicht wirklich abgesichert. Das hat sich durch harte Arbeit geändert. Heute ist die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle voll in die Kammerorganisation integriert, eine etablierte und bewährte Serviceeinrichtung des Fachverbandes. Das ist eine Entwicklung, auf die ich wirklich stolz bin.

Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Gerhard Hellwagner: Nein, da würde ich keinen einzelnen herausgreifen. Ich habe immer versucht, jeden Fall gleich ernst zu nehmen und es waren in den letzten Jahren rund 900 Fälle, von denen 680 in die Schlichtungskommission unter meinem Vorsitz gegangen sind. Nach dem Ausscheiden von Senatspräsident Schalich ist das Fallaufkommen zunächst stark zurückgegangen. Unter meiner Führung ist die Zahl der Verfahren dann kontinuierlich wieder gestiegen – bis wir im Durchschnitt bei rund 100 Fällen pro Jahr lagen. Das zeigt, dass die Einrichtung angenommen wird und Vertrauen genießt. Das ist für mich wichtiger als ein einzelner "spektakulärer" Fall.

Mitglieder der Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS): Sonja Bydlinski, Gerhard Hellwagner, Olivia Strahser und Christian Wetzelberger
© FV Versicherungsmakler Sonja Bydlinski, Gerhard Hellwagner, Olivia Strahser und Christian Wetzelberger

Was hat Sie damals motiviert, die Funktion des Vorsitzenden zu übernehmen?

Gerhard Hellwagner: Motiviert hat mich eigentlich eine Bitte aus dem Fachverband. Kurt Stättner hat mich angesprochen, ob ich bereit wäre, diese Funktion zu übernehmen. Mein Fachgebiet als Senatspräsident war ursprünglich Arbeits- und Sozialrecht, nicht Versicherungsrecht. Mit Versicherungsrecht war ich vor allem über meine Tätigkeit im Evidenzbüro des Obersten Gerichtshofes befasst. Interessiert hat es mich aber immer. Ich war mir trotzdem nicht sicher, ob ich dem Amt – auch im Vergleich zu meinem Vorgänger – gewachsen bin. Senatspräsident Schalich hat eine großartige Leistung erbracht, daran habe ich mich zu messen gehabt.  Er hatte zum Beispiel die gute Idee, in Fällen, in denen sich eine Versicherung nicht beteiligte, trotzdem eine Beurteilung vorzunehmen. Wir – Christian Wetzelberger und ich – haben das weiterentwickelt: Wenn eine Seite nicht reagiert, erlassen wir eine Art "Versäumnisentscheidung", gehen also von der Richtigkeit des Vorbringens aus und lösen die eigentliche Rechtsfrage. Gleichzeitig weisen wir vorsorglich darauf hin, was das im Gerichtsverfahren bedeuten kann. Das ist aus meiner Sicht rechtlich sauberer und für alle Beteiligten klarer – und eine Praxis, die ich für sehr wichtig halte.

Heute ist die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle voll in die Kammerorganisation integriert, eine etablierte und bewährte Serviceeinrichtung des Fachverbandes.

Gab es eine Anekdote oder einen Moment in Ihrer Zeit als Vorsitzender, der Ihnen besonders gutgetan hat?

Gerhard Hellwagner: Eine einzelne Anekdote möchte ich gar nicht hervorheben. Was mir aber wirklich wichtig ist: das menschliche Klima hier. Ausgehend von Erwin Gisch als Geschäftsführer, über die sehr persönliche und gute Zusammenarbeit mit meinem Mitarbeiter Christian Wetzelberger, bis hin zu den Damen im Fachverband – das war immer von Respekt, Humor und guter Kollegialität getragen. Das ist und war etwas sehr Wertvolles.

Wenn Sie an den Berufsstand der Versicherungsmakler:innen denken – was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Gerhard Hellwagner: Ich wünsche mir, dass die Bedeutung dieses Berufsstandes endlich in vollem Umfang anerkannt wird: Im Sinne des Konsument:innenschutzes, im Interesse der österreichischen Wirtschaft und nicht zuletzt im Interesse der Versicherungswirtschaft selbst. Diese Rolle wird nach wie vor ständig infrage gestellt – insbesondere durch die Diskussion um ein Provisionsverbot. Ein Provisionsverbot würde die Existenz vieler Makler:innenbetriebe massiv gefährden, die Attraktivität des Berufs erheblich mindern und wäre ganz sicher nicht im Sinne der Konsument:innen.

Wie lässt sich das Image des Berufsstandes der Versicherungsmakler:innen nachhaltig verbessern und deren Wertschätzung in der Öffentlichkeit erhöhen?

Univ.-Prof. Dr. Sonja Bydlinski und Herrn Dr. Gerhard Hellwagner
© FV Versicherungsmakler Sonja Bydlinski und Gerhard Hellwagner

Gerhard Hellwagner: Da zitiere ich gerne: "Politik ist das Bohren von harten Brettern." Das heißt: Man muss sich ständig bemühen, erklären, aufklären. Mehr gibt es dazu gar nicht zu sagen. Die Diskussion wird immer wieder aufkommen – aus politischer Kurzsichtigkeit, aus mangelnder Information oder aus Missverständnissen darüber, wie Makler:innen tatsächlich arbeiten. Dabei gibt es Standes- und Disziplinarvorschriften, die ausreichend Sicherheiten schaffen. Die Vorstellung, Makler:innen seien nur "abhängige Provisionsnehmer:innen", stimmt einfach nicht. Das muss man beharrlich klarstellen.

Wenn Sie auf Ihre gesamte berufliche Laufbahn zurückblicken – was erfüllt Sie mit besonderem Stolz?

Gerhard Hellwagner: Ganz klar: meine Liebe zum Richterberuf. Und eine Erkenntnis, die ich in vielen Vorträgen wiederhole und die mir ein Ausbildungsrichter ganz am Anfang meiner Karriere mitgegeben hat: Wir sind alle vom Gesetz gleich – aber niemals vor dem:der Richter:in. Damit meine ich: Die Verantwortung des:der Richter:in ist enorm. Es reicht nicht, das Gesetz zu kennen. Man muss urteilsfähig, menschlich und sich der Tragweite jeder Entscheidung bewusst sein. Diese Verantwortung habe ich immer sehr ernst genommen.

Erzählen Sie ein bisschen aus Ihrer Vergangenheit als Richter – Sie waren ja in mehreren Funktionen tätig.

Gerhard Hellwagner: Ich war nicht "nur" Richter. Über Jahrzehnte war ich Vorsitzender der Zivildienstkommission für Oberösterreich und Vorarlberg. Ab 1998 war ich zudem Vorsitzender einer Berufungskommission im Bundeskanzleramt, eine Art Disziplinargericht für die Exekutive, und der Schienen-Control-Kommission, das Regulierungsorgan für den Wettbewerb im Schienenwesen.

Mein Credo war stets, mich nicht auf Kosten der Unternehmen zu profilieren. Die große Freiheit des Richter:innenberufs – "der:die Richter:in muss nur etwas weiterbringen" – bedeutete für mich vor allem: rasche Entscheidungen und keine Aktenberge liegen lassen. Ich war ein sehr dienstfordernder Vorsitzender, was Tempo und Erledigung betrifft.

Fachlich, menschlich, organisatorisch: Das hat einfach sehr gut gepasst.

Wenn Sie Ihre Zeit als Vorsitzender der RSS in drei Worten zusammenfassen müssten – welche wären das?

Gerhard Hellwagner: Es war eine glückliche Zeit. Vor allem wegen der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter:innen im Fachverband und den Beisitzer:innen in der Schlichtungskommission. Fachlich, menschlich, organisatorisch: Das hat einfach sehr gut gepasst.

Und jetzt? Was kommt nach dem Abschied von der RSS – was macht der Herr Hofrat jetzt?

Gerhard Hellwagner: Ich bin im 85. Lebensjahr. Da muss man auch einmal konsequent sein: Es muss mit einer Funktion Schluss sein, und zwar rechtzeitig. Es braucht Jüngere, neue Ideen, frische Kräfte. Was mich besonders freut: Ich kann ein gut bestelltes Haus übergeben – eine Rechtsservice- und Schlichtungsstelle, die eine voll anerkannte Einrichtung innerhalb der Wirtschaftskammerorganisation ist.

Gibt es etwas, worauf Sie sich persönlich jetzt besonders freuen?

Gerhard Hellwagner: Ich kann auf gute Arbeit und auf ein erfülltes Leben zurückblicken – beruflich wie privat. Und ich darf einen gesicherten, ruhigen Lebensabend führen. Das ist nicht selbstverständlich. Außerdem bin ich gesellschaftlich sehr aktiv, habe viele Kontakte und Netzwerke. Das hält wach und verbunden – und darauf freue ich mich.

Herr Hofrat, herzlichen Dank für das Gespräch.

Gerhard Hellwagner: Ich danke Ihnen. 

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