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Sparte Industrie

Bildung

Lesedauer: 7 Minuten

22.05.2024

Pflichtverletzungen durch freigestellten BR-Vorsitzenden – Kündigungsgrund?

Der Beklagte ist Betriebsratsvorsitzender und gemäß § 117 ArbVG permanent vom Dienst freigestellt. Mit der am 22.7.2022 eingebrachten Klage begehrte der Arbeitgeber die Zustimmung zur Entlassung wegen Untreue im Dienst, in eventu zur Kündigung des Beklagten wegen beharrlicher Pflichtverletzung.

Der Arbeitgeber warf dem BR-Vorsitzenden ua. vor, eine an den Arbeitgeber adressierte Klage samt Ladung zur Tagssatzung übernommen und nicht an den Arbeitgeber, sondern an den Prozessgegner, ein BR-Mitglied, weitergegeben zu haben. Dies stelle eine grobe Verletzung der Treuepflicht dar. Zudem sei zur sofortigen Erhebung des Sachverhalts mehrmals erfolglos versucht worden, Kontakt mit dem BR-Vorsitzenden aufzunehmen. Trotz zahlreicher Kontaktversuche ab 7.7.2022 konnte erst am 21.7.2022 ein Gespräch mit dem BR-Vorsitzenden geführt worden. In unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Kenntnisnahme der anhängigen Verfahren habe der BR-Vorsitzende am 7.7.2022 kurzfristig Zeitausgleich für den 8.7.2022 sowie einen Urlaub für die darauffolgende Woche beantragt. Der Urlaub sei nicht genehmigt worden, dennoch habe der BR-Vorsitzende den Urlaub angetreten und sei währenddessen über einen mehr als 10-tägigen Zeitraum für den Arbeitgeber nicht erreichbar gewesen. Auch nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub habe er Terminvorschläge mehrfach abgelehnt. In beharrlicher und nicht nachvollziehbarer Weise habe er sich über einen Zeitraum von 2 Wochen einem Gespräch trotz Kenntnis von der unbedingten Notwendigkeit der Aufklärung des Sachverhalts entzogen.

Das Erstgericht hat sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren abgewiesen. Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts wie folgt:

Zunächst führt das Berufungsgericht aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BR-Vorsitzende die an den Arbeitgeber gerichtete Klage und Ladung hinsichtlich eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens von einem Empfangsmitarbeitenden entgegengenommen und dann nicht an die Vertreter des Klägers weitergereicht hat. Daraus kann ihm daher kein Vorwurf gemacht werden.

Die neben der Arbeitsleistungspflicht bestehenden übrigen Vertragspflichten des freigestellten BR-Mitglieds ("arbeitsvertragliche Nebenpflichten") sind im vollen Umfang unverändert aufrecht. Denn das arbeitsvertragliche "Band" zwischen dem freigestellten Mandatar und seinem Arbeitgeber besteht selbstverständlich fort. Somit besteht weiterhin die arbeitsvertragliche Treuepflicht und etwa auch die Pflicht zur Meldung von Krankenständen und Urlauben. Soweit daher ungeachtet der permanenten Freistellung einzelne Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis auch ein permanent freigestelltes BR-Mitglied treffen, kann kein Zweifel bestehen, dass insofern auch eine Weisungsbindung zum Tragen kommen kann. Demgemäß findet sich keine Ausnahme von den urlaubsrechtlichen Regelungen.

Davon ist auch das Erstgericht richtig ausgegangen und hat das Verhalten des BR-Vorsitzenden - sowohl hinsichtlich seines einseitigen Urlaubsantritts als auch hinsichtlich des nicht umgehenden Nachkommens von Rückrufen und Besprechungswünschen - sehr wohl als Verletzung der ihn treffenden Pflichten gewertet.

Für das Vorliegen des vom Kläger herangezogenen Kündigungsgrundes einer beharrlichen Pflichtverletzung ist neben der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aus Gründen der Arbeitsdisziplin grundsätzlich eine Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich. Eine Beharrlichkeit der Pflichtverletzung des einseitigen Urlaubsverbrauchs durch den BR-Vorsitzenden liegt hier aber nicht vor:

Wie erwähnt gelangen auch auf permanent freigestellte BR-Mitglieder die Regelungen über den Verbrauch von Urlaub zur Anwendung, weshalb die Urlaubsfestsetzung einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf; diese kann ausdrücklich aber auch schlüssig erfolgen. Es steht im vorliegenden Fall aber fest, dass die (bisherige) Vorgangsweise des von seiner Arbeitsleistung freigestellten BR-Vorsitzenden, am letzten Arbeitstag den Urlaub im System einzugeben, bis dahin immer akzeptiert wurde. Die kurzfristige Urlaubsmeldung hatte in der Vergangenheit nie zu Problemen geführt. Die Ablehnung bemerkte der BR-Vorsitzende - vor seinem Urlaubsantritt - tatsächlich nicht, da er den Computer und das Diensthandy nach seiner Eingabe zu Mittag am 7.7.2022 abschaltete, wobei ihm für den 7.7.2022 bereits im Juni "Verletzung der Kernzeit" genehmigt worden war. Dem BR-Vorsitzenden musste daher nicht klar sein, dass sein Urlaub keinesfalls genehmigt werde. Dies lässt sich dem festgestellten Sachverhalt auch nicht entnehmen.

Gerade der von der Berufung herangezogene Umstand, dass die bisherige Vorgehensweise des BR-Vorsitzenden nie zu Problemen geführt hatte, ihm vielmehr die Urlaube stets, wie von ihm gemeldet, - sohin in Kenntnis der kurzfristigen Mitteilung – genehmigt worden waren, sprechen gegen die vom Gesetz geforderte Beharrlichkeit. Eine diesbezügliche vorangegangene Abmahnung durch den Arbeitgeber, die Urlaubsgenehmigung vor Urlaubsantritt abzuwarten, wird nicht einmal behauptet. Dass eine Verwarnung nicht von vornherein aussichtslos gewesen und damit verzichtbar gewesen wäre, kann nicht angenommen werden.

Aber auch hinsichtlich des Weiteren, schon vom Erstgericht zutreffend als Pflichtverletzung qualifizierten Verhaltens des BR-Vorsitzenden im Zusammenhang mit den Rückrufs- und Besprechungswünschen seitens des Klägers fehlt es letztlich an der geforderten Beharrlichkeit. Zwar hat der BR-Vorsitzende nicht umgehend, so aber doch nach seiner Rückkehr vom Urlaub am 18.7.2022 via E-Mail korrespondiert und nicht viel später dem Besprechungswunsch seitens des Klägers am 21.7.2022 tatsächlich entsprochen. Der BR-Vorsitzende wurde zwar in dieser Korrespondenz auf die Dringlichkeit hingewiesen, eine konkrete Abmahnung erfolgte nicht. So wurde ihm auch nicht kommuniziert, dass man sich von ihm trennen wolle.

Es ist aber auch nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht die Handlungsweisen des BR-Vorsitzenden zumindest als entschuldbar iSd § 120 Abs 1 ArbVG wertete. Es gestand dem BR-Vorsitzenden zu, die Vorwürfe gegen ihn (und weitere Personen) zu orten und sich auf eine Argumentationslinie vorzubereiten, und nahm daher einen Zusammenhang mit den Aufgaben und Befugnissen als gewählter Vertreter der Arbeitnehmer des Betriebs und die Umfassung von der Mandatsschutzklausel an. Deren Anwendung steht nicht entgegen, wenn das BR-Mitglied zwar objektiv seine Kompetenzen und Befugnisse überschritten haben mag, es aber der Meinung sein konnte, dass es im Rahmen seines Mandats tätig wurde.

(Urteil rechtskräftig)

OLG Wien 25. 1. 2024, 10 Ra 69/23z


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