Brexit – Zoll und Handelsabkommen

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Im Bereich der Zollabwicklung wird das Vereinigte Königreich (VK) seit Ende des Übergangszeitraumes nun wie jedes andere Nicht-EU-Land behandelt. Es ist das Zollrecht der EU bei Ein- und Ausfuhren anwendbar und es sind Zollverfahren und -formalitäten für den Warenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU zu beachten. Eine Sonderregelung besteht gegenüber Nordirland, das weiterhin aus zoll- und umsatzsteuerrechtlicher Sicht wie ein Teil der EU behandelt wird. Nach dem sogenannten „Nordirland-Protokoll“ sind Lieferungen nach Nordirland bzw. Lieferungen aus Nordirland von dem Abkommen über die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom 24. Dezember 2021 NICHT erfasst. Bis auf Weiteres werden bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen auch nach dem 1. Jänner 2021 Warenbewegungen zwischen Nordirland und der EU-27 als innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. innergemeinschaftliche Erwerbe zu betrachten sein (keine Zölle, keine Zollanmeldung, keine Zertifizierungs- oder Konformitätsbewertungserfordernisse etc.). Allerdings sind Transporte über das Vereinigte Königreich, im Speziellen über England, im Versandverfahren mit Versandschein T2 durchzuführen.

Verbote und Beschränkungen

Wichtig ist auch die Tatsache, dass Verbote und Beschränkungen im Warenverkehr mit dem Vereinigten Königreich zu beachten sind. Dies kann die Kennzeichnungspflicht der Ware betreffen, Untersuchungen aus vetrinärrechtlicher oder phytosanitärrechtlicher Sicht voraussetzen und vieles mehr. Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze sind alle Vorschriften, die das Verbringen von Waren über die Zollgrenze der Europäischen Union beschränken, nur unter Vorlage bestimmter Dokumente möglich machen oder verbieten. Die Übersicht über die Verbote und Beschränkungen, die einfuhrseitig in der EU zu beachten sind, sowie den Link zu den Arbeitsrichtlinien sind auf der Homepage des BMF zu finden.

Übergangsbestimmungen

Eine spezielle Regelung gibt es noch für Waren, die vor dem Ende des Übergangszeitraums von den EU-27 in das Vereinigte Königreich zur vorübergehenden Verwendung verbracht wurden und nach dem 31. Dezember 2020 in die EU-27 wiedereingeführt werden sollen. Für sie gelten die Rückwarenbestimmungen des Zollkodex der Union, sofern der Nachweis erbracht werden kann, dass die Waren vor Ablauf des 31. Dezember 2020 in das Vereinigte Königreich verbracht wurden und innerhalb von drei Jahren im unverändertem Zustand wieder rückgebracht werden. Somit gilt diese Bestimmung mit vereinfachter Nachweisführung noch bis 30. Dezember 2023. Die vereinfachte Nachweisführung erfolgt durch die seinerzeitigen Beförderungspapiere in das Vereinigte Königreich und gegebenenfalls durch andere Dokumente mit denen das Verbringen aus dem Gebiet der EU-27 in das Vereinigte Königreich plausibel nachgewiesen werden kann (CMR-Frachtbrief, CIM-Frachtbrief, Konnossement, multimodales Konnossement oder Luftfrachtbrief, glaubhafte Firmenkorrespondenz usw.).

Das BMF hat die die gängigsten Informationen auf der Homepage unter "Zoll & Brexit" zusammengefasst. Die Wünsche der Wirtschaftsbeteiligten und der WKÖ wurden in den FAQs, soweit dies möglich war, berücksichtigt.

Die EU veröffentlichte den „LEITFADEN - Austritt des Vereinigten Königreichs und EU-Vorschriften im Bereich des Zolls einschließlich präferentieller Ursprung“

Welche Auswirkungen hat das Handelsabkommen auf den Warenverkehr? 

Mit 01. Jänner 2021 trat das Handelsabkommen der EU mit dem Vereinigte Königreich in Kraft. Durch das Abkommen werden für Ursprungserzeugnisse der Vertragspartner Zölle und mengenmäßige Beschränkungen beseitigt. Ware aus anderen Ländern, die als Handelsware ausgetauscht wird, unterliegt aber dem jeweiligen Zollsatz des Importlandes unabhängig davon ob sie in der EU-27 bzw. im Vereinigten Königreich bereits einmal „verzollt“ wurde.

Präferenzielle Ursprungsregeln

Grundsätzlich wird für alle Ursprungswaren der beiden Vertragspartner gegenseitige Zollfreiheit eingeräumt, wenn ein entsprechender präferentieller Ursprungsnachweis vorhanden ist. Dieser kann ausgestellt werden, wenn die Ursprungsregeln des Abkommens als erfüllt angesehen werden können.

Bevor Sie Ihre Ware, die Sie in das VK exportieren auf die Ursprungseigenschaft prüfen, sollten Sie einen Blick in den Zolltarif des VK machen: UK Global Tariff (UKGT). Die Zollsätze gelten für alle Drittstaaten, mit denen das Vereinigte Königreich kein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat und für Waren, die die Bedingungen der Ursprungsliste des jeweiligen Freihandelsabkommens nicht erfüllen. Die durchschnittlichen Zollsätze des UKGT sind geringer als die Zollsätze des EU-Zolltarifs. 

Wir empfehlen folgende Vorgangsweise:

  1. Schritt – Prüfung des Zollsatzes auf dem angefragten Produkt
  2. Schritt – wenn Zollsatz 0 braucht man sich nicht mit dem Handelsabkommen beschäftigen und auch keinen Ursprungsnachweis im Sinne des Abkommens ausstellen. Es entfallen Schritt 3 und 4.
  3. Schritt – wenn der Zollsatz größer als 0 ist, erfolgt die Prüfung, ob die Ursprungsregel erfüllt wird.
  4. Schritt – wenn die Ursprungsregel erfüllt wird– bei Eigenproduktion das Kriterium der Ursprungsliste, bei Handelsware Lieferantenerklärung – Ausstellung eines präferentiellen Ursprungsnachweises.

Die wichtigsten ursprungsrechtlichen Inhalte

Die Kernaussagen für den Warenverkehr sind im Abkommen über Handel und Zusammenarbeit (Amtsblatt L 149 vom 30. April 2021) auf folgenden Seiten zu finden: 

Kapitel 2 (L 149/60): Ursprungsregeln – grundsätzliche Bestimmungen

Ziel dieses Kapitels ist es, die Erläuterungen zur Bestimmung des Warenursprungs für die Zwecke der Anwendung der Zollpräferenzbehandlung festzulegen und die damit verbundenen Ursprungsverfahren zu bestimmen.

Anhang 2 (L 149/1015): Einleitende Bemerkungen zu den erzeugnisspezifischen Ursprungsregeln

Anhang 3 (L 149/1032): Liste der erzeugnisspezifische Ursprungsregel nach Kapiteln des Harmonisierten Systems

Die produktspezifische Ursprungsliste legt die Ursprungskriterien fest, die zu erfüllen sind, damit man von einem Ursprungserzeugnis sprechen kann.

Anhang 4 (L 149/1094): Vereinfachte Ursprungsregeln für bestimmte waren, die im Rahmen eines Jahreskontingentes bis 2023 in Anspruch genommen werden können: Thunfischzubereitungen, bestimmte Aluminiumerzeugnisse

Anhang 5 (L 149/1100): Vereinfachte Ursprungsregeln, die bis 2031 für Akkumulatoren, Elektrofahrzeuge und Hybridfahrzeuge angewendet werden können .

Bei diesen Quoten handelt es sich nicht um mengenmäßige Beschränkungen, sondern um mengenmäßig festgelegte Vereinfachung zur Ursprungserzielung. Da für uns in Österreich doch wohl eher das Aluminium von Bedeutung sein dürfte, bringe ich ein kurzes Beispiel:

In der Ursprungsliste ist bei Position 76.03 das Ursprungskriterium CTH and MaxNOM 50 % (EXW) zu finden. Das bedeutet Wechsel der Position des HS (Wechsel des 4-Stellers) UND der Wert der eingesetzten Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft darf 50 % des EXW Preises nicht übersteigen. Im Annex ORIG-2A lautete das Kriterium für 76.03 nur CTH. Das einschränkende Wertekriterium ist also weggefallen. Aber nur für die angeführte Menge.

Bitte Ware, anwendbare Zeiträume und Menge beachten!

Anhang 7 (L 149/1113): Wortlaut der Erklärung zum Ursprung

Die Voraussetzungen für den Erwerb der Ursprungseigenschaft sind ohne Unterbrechung in der EU und/oder dem VK zu erfüllen. Es ist demnach keine Auslagerung von Bearbeitungsschritten in andere Länder (sogenannte „Drittländer“ = Durchbrechung des Territorialitätsprinzips) zulässig.

Falls kein Präferenznachweis vorliegt, kann mit einem nachträglich ausgestellten Nachweis innerhalb von 3 Jahren ein Antrag auf Erstattung gestellt werden.

Präferenznachweis ist die Erklärung zum Ursprung:

Eine Erklärung zum Ursprung ist nach dem Muster in einer Rechnung oder auf einem anderen Dokument abzugeben, das die Ware so genau bezeichnet/beschreibt, dass die eindeutige Identifizierung dieses Erzeugnisses möglich ist. 

EU-VK Abkommen Anhang 7 Wortlaut der Erklärung zum Ursprung(ABl L 149)
© EU-VK Abkommen Anhang 7 Wortlaut der Erklärung zum Ursprung(ABl L 149)

(1) Wird die Erklärung zum Ursprung für Mehrfachsendungen identischer Ursprungserzeugnisse im Sinne des Artikels 56 Absatz 4 Buchstabe b dieses Abkommens ausgefüllt, ist die Geltungsdauer der Erklärung zum Ursprung anzugeben. Die Geltungsdauer darf 12 Monate nicht überschreiten. Alle Einfuhren des Erzeugnisses müssen innerhalb dieses Zeitraums erfolgen. Ist die Angabe eines Zeitraums nicht zutreffend, braucht dieses Feld nicht ausgefüllt zu werden.

(2) Bitte geben Sie die Referenznummer zur Identifizierung des Ausführers an. Für Ausführer aus der Union handelt es sich dabei um die Nummer, die ihnen im Einklang mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Union erteilt wurde. Für Ausführer aus dem Vereinigten Königreich handelt es sich dabei um die Nummer, die ihnen im Einklang mit den im Vereinigten Königreich geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften erteilt wurde. Wenn dem Ausführer keine Nummer zugeteilt wurde, kann dieses Feld frei gelassen werden.

(3) Geben Sie den Ursprung des Erzeugnisses an: das Vereinigte Königreich oder die Union.

(4) Die Angaben zu Ort und Datum dürfen entfallen, wenn sie in dem Dokument selbst enthalten sind.

Englische Sprachfassung:

EU-VK Abkommen Anhang 7 Text of the Statement of Origin (ABl L 149)
© EU-VK Abkommen Anhang 7 Text of the Statement of Origin (ABl L 149)

(1) If the statement on origin is completed for multiple shipments of identical originating products within the meaning of point (b) of Article 56(4) of this Agreement, indicate the period for which the statement on origin is to apply. That period shall not exceed 12 months. All importations of the product must occur within the period indicated. If a period is not applicable, the field may be left blank.

(2) Indicate the reference number by which the exporter is identified. For the Union exporter, this will be the number assigned in accordance with the laws and regulations of the Union. For the United Kingdom exporter, this will be the number assigned in accordance with the laws and regulations applicable within the United Kingdom. Where the exporter has not been assigned a number, this field may be left blank.

(3) Indicate the origin of the product: the United Kingdom or the Union.

(4) Place and date may be omitted if the information is contained on the document itself


Wenn der Ausführer kein registrierter Ausführer ist, darf die Erklärung zum Ursprung nur bis 6.000 Euro pro Sendung abgegeben werden. Weiterführende Informationen zum REX sind auf der Homepage des BMF zu finden.

Ähnlich anderen Abkommen ist es auch diesmal empfehlenswert diese Erklärung nur für eine konkrete Sendung auszustellen, obwohl die Erklärung für einen längeren Zeitraum abgegeben werden könnte, da die Rechnung oder das sonstige Handelsdokument nur in den seltensten Fällen eine ausreichend bezeichnende Warenbeschreibung enthalten wird. Eine Ursprungserklärung gilt für 12 Monate ab dem Datum, an dem sie ausgestellt wurde.

Im Abkommen ist auch im als Nachweis für die Erlangung der Begünstigung „Importer's knowledge“ angeführt. Auch hier ist davon abzuraten, die Zollanmeldung bzw. die Zollpräferenz auf das Wissen des Importeurs alleine hin zu beantragen. Ein schlichtes „Ich weiß es einfach“ wird nicht ausreichend sein. Nach dem Abkommen stützt sich die Kenntnis des Einführers, dass ein Erzeugnis Ursprungserzeugnis der ausführenden Vertragspartei ist, auf Informationen, die belegen, dass das Erzeugnis Ursprungserzeugnis ist und die in diesem Kapitel vorgesehenen Anforderungen erfüllt. Mit dem Ergebnis, dass der Einführer die Unterlagen zur Prüfung des Ursprungs vorlegen müsste, die Grundlage für die Ursprungskalkulation des Herstellers sind. In der Praxis wird sich Importer's knowledge als totes Recht erweisen, da es einfacher ist, vom Exporteur die Abgabe der Erklärung zum Ursprung aus der Rechnung zu erlangen. Da in der Anmeldung codiert werden muss, ob eine Erklärung zum Ursprung oder Importer's knowledge die Präferenzbehandlung auslösen soll, empfehle ich die Vorlage der Erklärung.

Besteht ein Drawback-Verbot?

Unter dem Drawback Verbot versteht man das Verbot der Nichterhebung bzw. Erstattung von Zöllen, die auf Drittlandswaren lasten, die zur Herstellung von Materialien dienen, für die ein Präferenznachweis ausgestellt werden soll. Damit ist beispielsweise das Zollverfahren der aktiven Veredelung gemeint, da es hier zur Nichterhebung von Zöllen kommt. Im Handelsabkommen EU-27 mit dem VK ist das Verbot zumindest für 2 Jahre ausgesetzt. Erst nach diesem Zeitraum wird evaluiert, ob der Entfall zu Wettbewerbsverzerrungen geführt hat.


Details zum Handelsabkommen finden Sie auf der Homepage des BMF unter „Abkommen mit dem Vereinigten Königreich (EU-UK TCA) ab 1. Jänner 2021“.

Stand: 03.01.2023

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