Löffel mit Zucker
© shutterstock-qoppi
Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachvertretung

3 x 3 Argumente gegen eine Zucker-Steuer bei Softdrinks

1. Zuckersteuern erfüllen Gesundheitsziele nicht | 2. Extra-Steuer hat negative soziale & wirtschaftliche Folgen | 3. Andere Maßnahmen sind wesentlich effizienter und effektiver

Lesedauer: 3 Minuten

09.10.2024

1. Zuckersteuern erfüllen Gesundheitsziele nicht 


Übergewicht hat viele Ursachen – nicht nur Zucker

Zivilisationskrankheiten, wie Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben viele Ursachen. Neben der Ernährung sind die genetische Veranlagung, psychologische Faktoren, der sozioökonomische Status und das Bewegungsverhalten relevant. So hat der Zuckerkonsum in Österreich in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgenommen, die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas ist dagegen weiterhin gestiegen. Das Ziel der Steuer ist das Auftreten von Übergewicht und Adipositas zu verringern. Doch das wird in allen Ländern, in denen es solche Steuern gibt (z. B. Mexiko, Chile, UK oder Frankreich) verfehlt – die Übergewichts- und Adipositasraten steigen dort nach wie vor.  

Evidenz ist gering

Die WHO spricht aktuell eine starke Empfehlung für die Besteuerung zuckergesüßter Getränke aus, obwohl wissenschaftliche Belege für deren Wirksamkeit fehlen  und sie die Steuer nicht als „Best Buy“-Maßnahme einstuft.  Das liegt vor allem an der mangelnden Effizienz und Effektivität dieser Maßnahme im Hinblick auf das gewünschte Ziel. Zwar mag der Konsum von Limonaden leicht zurückgehen, ein gleichzeitiger Rückgang von Zivilisationskrankheiten lässt sich derzeit jedoch nicht feststellen. Das McKinsey Global Institute kommt gar zu dem Schluss, dass Steuern auf Produkte mit hohem Zucker- und/oder Fettgehalt zu den am wenigsten wirkungsvollen Maßnahmen zählen, um das Aufkommen von Übergewicht und Adipositas einzudämmen.  Es ist auch nicht vorhersehbar, wie Verbraucher auf eine solche Steuer reagieren.  Häufig werden höher besteuerte Produkte einfach durch kostengünstigere Varianten oder Alternativprodukte ersetzt. In beiden Fällen kommt es zu keiner Kalorieneinsparung.  

Effekte sind minimal
In Großbritannien reduzierte sich der Konsum von freiem Zucker* bereits vor der Einführung der Softdrink-Steuer, danach war nur etwa die Hälfte des eingesparten freien Zuckers bei Erwachsenen auf Erfrischungsgetränke zurückzuführen.   Selbst, wenn eine Limonadensteuer den Konsum senken sollte, wäre die Kalorienreduktion zu gering, um positive Effekte für die Gesundheit zu bewirken. So erzielte die stets als Best-Practice zitierte Softdrink-Steuer in Mexiko nur eine Einsparung von ca. 6 Kalorien täglich (das entspricht einem kleinen Bissen Apfel oder lediglich 0,3% des täglichen Energiebedarfs eines durchschnittlichen Erwachsenen).  Auch die Fettsteuer in Dänemark zeigte keine merkliche Verbesserung auf die öffentliche Gesundheit und wurde wieder abgeschafft.  

2. Extra-Steuer hat negative soziale & wirtschaftliche Folgen


Sozio-ökonomische Diskriminierung

Eine höhere Besteuerung einzelner, vermeintlich ungesunder Lebensmittel trifft einkommensschwächere Personen und Familien überproportional stark. Menschen mit niedrigen Einkommen sollten nicht noch zusätzlich belastet werden. 

Zucker-Steuern treffen alle 
Eine Softdrink-Steuer ist ungerecht, da sie sowohl von Menschen mit Normalgewicht und einer ausgewogenen Lebensweise als auch von den mit dieser Maßnahme eigentlich adressierten Zielgruppen bezahlt werden müsste.

Wirtschaftsstandort wird geschwächt
Zusätzliche Steuern treffen neben den Konsumentinnen und Konsumenten auch die Lebensmittelunternehmen und die Landwirtschaft (Rübenbauern). Werden die Preise für Softdrinks erhöht, kaufen Verbraucher in grenznahen Regionen verstärkt im Ausland ein. Dieses Ausweichverhalten führt zu Jobverlusten und schwächt sowohl den Wirtschaftsstandort Österreich als auch die Steuereinnahmen. In Dänemark hat die Einführung einer Fettsteuer zu einer erheblichen Zunahme der Einkäufe der Dänen im benachbarten Deutschland geführt und die genannten Effekte gezeigt.  Letztlich waren die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort so massiv, dass die Fettsteuer wieder eingestellt wurde.

3. Andere Maßnahmen sind wesentlich effizienter und effektiver



Relevante Zielgruppen ins Auge fassen
In Österreich tragen Softdrinks im Durchschnitt etwa 3-5 % zur Tagesenergiezufuhr bei. Nur einzelne Zielgruppen weisen ein übermäßiges Konsummuster auf – vor allem junge Männer zwischen 19 und 25 Jahren.  Zudem scheint es eine Frage der Selbstkontrolle zu sein, ob eine Extra-Steuer das Konsumverhalten ändert. Menschen mit niedriger Selbstkontrolle ändern aufgrund höherer Preise als Folge der Extra-Steuer ihre Konsumgewohnheiten nicht merklich.  Wesentlich effizienter und effektiver sind daher Maßnahmen, die zielgenau Personen mit übermäßigem Konsum adressieren sowie generell die Selbstkontrolle fördern (z. B. durch Bildung). 

Portionskontrolle ist der stärkste Hebel
Die Anpassung der Portionsgrößen ist laut WHO , der OECD  und dem McKinsey Global Institute  die Maßnahme mit dem weitaus höchsten Impact und der besten Kosteneffizienz im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas. Wichtig sind daher brancheneinheitliche Portionsangaben und ein wachsendes Angebot an kleineren Gebinden, um für Genussmomente adäquate Mengen anbieten zu können. 

Reformulierung erfolgt seit Jahrzehnten – kontinuierlich und ohne „Steuerdruck“
Europaweit wird in der Kategorie der alkoholfreien Erfrischungsgetränke mittlerweile rund ein Drittel weniger Zucker eingesetzt als zu Beginn des Jahrtausends. Zudem wird fast nur noch für zucker-/kalorienreduzierte bzw. -freie Produkte geworben.  In Österreich hat sich die gesamte Branche der alkoholfreien Erfrischungsgetränkeindustrie gegenüber dem Gesundheitsministerium dazu verpflichtet, den zugesetzten Zucker bzw. den Kaloriengehalt im Portfolio der alkoholfreien Erfrischungsgetränke zwischen 2015 und 2025 um weitere 15 % zu reduzieren. Im Durchschnitt wurde der Zielwert von 6,7 g/100 ml bereits erreicht.

Mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das forum. ernährung heute.


Argumentarium samt Quellenangabe: siehe Download