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Katharina Koßdorff
© Wilke
Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachvertretung

Presseinformation (30.6.2025) - Nutri-Score: Französische Lebensmittelampel hilft nicht gegen Übergewicht

Koßdorff fordert Ernährungsbildung statt noch mehr Kennzeichnung

Lesedauer: 4 Minuten

(Wien, 30.6.2025) Derzeit wird in Österreich vermehrt über die Nutzung der französischen Lebensmittelampel, dem Nutri-Score, auf Lebensmittelverpackungen diskutiert. Mit diesem Ampelsystem (rot-gelb-grün) werden Lebensmittel nach einem französischen Berechnungsmodell mit einem farblichen Buchstabencode von einem grünen „A“ bis zu einem roten „E“ versehen und so in „gut“ und „schlecht“ eingeteilt. Die österreichische Lebensmittelindustrie steht diesem Modell seit Jahren kritisch gegenüber. „Der Nutri-Score hat sich bis heute in der EU nicht etabliert. Er wird von 20 Mitgliedstaaten nicht unterstützt, manche lehnen ihn ausdrücklich ab. Die Kritik an seinem Konzept ist zuletzt in der Wissenschaft und bei den Unternehmen lauter geworden. Als EU-weites Modell ist der Nutri-Score somit faktisch gescheitert“, bringt es Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, auf den Punkt. Das ist nicht nur in der EU zu erkennen, sondern auch in der Schweiz. „Jetzt noch auf den Nutri-Score zu setzen, ist wenig sinnvoll. Wir müssen neu denken“, so Koßdorff.

 Der Nutri-Score hat sich bis heute in der EU nicht etabliert. Er wird von 20 Mitgliedstaaten nicht unterstützt, manche lehnen ihn ausdrücklich ab. 

Nutri-Score ohne Gesundheitswirkung
„Noch mehr Kennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen führt nicht zu einer gesünderen Ernährungsweise. Die Ampel macht nicht schlank“, unterstreicht Koßdorff. Das trifft insbesondere auf den Nutri-Score zu, der lange als ideales Mittel galt, um Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung zu bekämpfen. Die Europäische Kommission hat in ihrem umfassenden Bericht 2020 festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen einer zusätzlichen farblichen Nährwertangabe auf der Hauptschauseite von Lebensmittelverpackungen und einer besseren Ernährungsweise bzw. Gesundheit der Menschen belegt ist. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) resümierte in ihrer Evaluierung 2022, dass es keine ausreichenden Belege für einen Gesundheitseffekt des Nutri-Scores gibt.

Darüber hinaus ist der Nutri-Score als französische Marke zunehmend fachlich umstritten, da er für die Konsumentinnen und Konsumenten teilweise irreführende Ergebnisse liefert (Pizza „grünes A“, Vollmilch „gelbes C“ udgl.). Auch wird kritisiert, dass etwa „Bio“-Qualitäten nicht positiv bewertet werden. Somit geht der Hinweis, der Nutri-Score würde mündigen Konsumentinnen und Konsumenten helfen, eine informierte Entscheidung zu treffen, ins Leere. Auch liegen die Rechte an der Marke Nutri-Score bei Frankreich. Österreich kann diese daher ohne ausdrückliche Zustimmung Frankreichs nicht anpassen. 

EU-weite Regeln statt nationaler Vorgaben

Eine österreichische gesetzliche Vorgabe oder Empfehlung für die Nutzung des französischen Nutri-Scores würde die heimischen Lebensmittelexporteure auch wirtschaftlich treffen, da Verpackungen laufend anzupassen wären. Die französische Lebensmittelampel Nutri-Score wird nämlich in den Mitgliedstaaten unterschiedlich bewertet: Während Deutschland als wichtigster Exportmarkt für österreichische Lebensmittel und Getränke den Nutri-Score empfiehlt, lehnt Italien als zweitwichtigster Exportmarkt heimischer Lebensmittel und Getränke diesen mit Nachdruck ab. In Italien werden Etiketten mit einem Nutri-Score als irreführend beanstandet und Hersteller mit Bußgeldern bestraft. Hinzu kommt, dass auch alle anderen Nachbarländer Österreichs außer der Schweiz den Nutri-Score ablehnen. 

Eine breite Anwendung des Nutri-Scores durch heimische Lebensmittelhersteller, die sowohl nach Deutschland als auch nach Italien und in weitere 180 Exportländer liefern, würde bedeuten, dass Verpackungen laufend geändert und an die jeweiligen Märkte angepasst werden müssten – ein massiver bürokratischer und finanzieller Aufwand, der in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation und sinkender preislicher Wettbewerbsfähigkeit der Branche schlichtweg nicht zu stemmen ist. 

Der Export ist für die heimische Lebensmittelindustrie unverzichtbar: Zwei von drei in Österreich erzeugte Lebensmittel werden in andere Märkte weltweit geliefert. Der Export sichert die Produktion und die Jobs und schließlich die tägliche Versorgung der Bevölkerung in Österreich. Damit das weiterhin möglich ist, setzt sich die Branche für EU-weit einheitliche Regeln bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln ein und lehnt jede nationale Sonderregelung ab. Um den freien Warenverkehr im Binnenmarkt zu sichern, schließt das auch nationale Empfehlungen ein.

Die französische Lebensmittelampel Nutri-Score war in den vergangenen Jahren nur ein Modell von vielen: So präferiert Italien ein „Batterie“-System und die skandinavischen Länder ein Schlüsselloch-Modell. Sollte die Europäische Kommission ein EU-weit einheitliches Modell für eine zusätzliche Nährwertkennzeichnung auf der Hauptschauseite vorlegen, das wissenschaftlich fundiert, diskriminierungsfrei und leicht verständlich ist sowie als täuschungsfreie Information keine Behinderung des freien Warenverkehrs bedeutet, stehen die österreichischen Lebensmittelhersteller der Nutzung eines solchen EU-Modells offen gegenüber. 

Ernährungsbildung für gesunde Ernährung und Lebensweise ist längst überfällig
Übergewicht hat viele Ursachen – von einer übermäßigen Energieaufnahme durch die Ernährung und einem zu geringen Energieverbrauch aufgrund mangelnder Bewegung bis hin zu Schlafmangel, Stress oder genetischer Veranlagung. In Bezug auf die Ernährung fordert die Lebensmittelindustrie erneut, den Fokus auf Ernährungsbildung zu legen. „Anstatt noch mehr Kennzeichnungen auf Lebensmittelverpackungen vorzuschreiben, sollten wir endlich mehr Basiswissen über Lebensmittel und einen gesunden Lebensstil vermitteln, idealerweise bereits ab dem Kindesalter. Denn nachhaltige gesundheitliche Lenkungseffekte lassen sich nur durch konsequente Ernährungsbildung hin zu einem gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichender Bewegung erzielen – und diese ist bei uns längst überfällig“, so Koßdorff. Nur so können die Konsumentinnen und Konsumenten aus dem breiten und vielfältigen Produktangebot jene Lebensmittel auswählen, die optimal zu ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen passen. Zusätzlich setzt die Lebensmittelindustrie seit vielen Jahren auf neue Rezepturen und Innovationen mit weniger oder keinen Kalorien und entwickelt das Angebot an sicheren und qualitativ hochwertigen Produkten „Made in Austria“ stetig weiter.

Koßdorff abschließend: „Als Lebensmittelindustrie haben wir mit der Wissensplattform 'Österreich isst informiert' bereits jahrelange Aufklärungsarbeit geleistet. Sinnvolle Programme zur Ernährungsbildung finden unsere Unterstützung.“


Stellenwert der Lebensmittelindustrie in Österreich

Die Lebensmittelindustrie ist eine der größten Branchen Österreichs. Sie sichert im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten tagtäglich die Versorgung mit sicheren, qualitativen und leistbaren Lebensmitteln. Die rund 200 Unternehmen mit ihren 27.400 direkt Beschäftigten erwirtschaften jährlich ein Produktionsvolumen von rund 12 Mrd. Euro. Rund 10 Mrd. Euro davon werden im Export in über 180 Länder abgesetzt. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder durch Information, Beratung und internationale Vernetzung.

Rückfragehinweise:
Mag. Katharina Koßdorff
Geschäftsführerin im Fachverband der Lebensmittelindustrie
T: +43 1 712 21 21 - 14
k.kossdorff@dielebensmittel.at 


DI Oskar Wawschinek MAS MBA
Food Business Consult
Pressesprecher für den Fachverband der Lebensmittelindustrie
Mobil: +43 664 545 63 50
 office@foodbusiness.at 



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Stand: 30.06.2025