Stefan Bletzacher und MArtina Entner. Kommentar zur Zillertalbahn Neu
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Sommergespräch in der WK Schwaz

WK-Bezirksobfrau Martina Entner und WK-Bezirksstellenleiter Stefan Bletzacher zum Lagebericht des Wirtschaftsstandorts Bezirk Schwaz.

Lesedauer: 4 Minuten

04.10.2023

Das starke Comeback der Wirtschaft nach der Coronapandemie im Bezirk Schwaz im Jahr 2022 mit +7,5 Prozent Wachstum ist vorbei. „Wir erleben derzeit eine Stagflation, also geringes Wachstum bei hoher Inflation. Zugleich ist eine stark unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Branchen feststellbar“, beschreibt WK-Bezirksobfrau Martina Entner die gegenwärtige wirtschaftliche Situation im Bezirk.

Während sich in Zeiten der Pandemie die Produktion und die Bauwirtschaft als stabiler Anker erwiesen haben und der Tourismus und der Dienstleistungsbereich auch wegen der Lockdowns massive Einbrüche zu verzeichnen hatte, ist es jetzt umgekehrt. „Der Tourismus – trotz geringerer Nachfrage als im letzten Jahr – sowie andere Dienstleistungsbereiche stellen nach wie vor eine Stütze der Konjunktur dar. Die Bauwirtschaft, ein wichtiger Motor unserer Wirtschaft, mit allen ihren Verflechtungen in andere Branchen, steht am Beginn eines Abschwungs“, ergänzt Stefan Bletzacher, WK-Bezirksstellenleiter für Schwaz.

Stabile Beschäftigung, auch in schwierigen Zeiten

„Durch den breiten Branchenmix hat die Wirtschaft im Bezirk Schwaz eine hohe Widerstandskraft. Es gibt immer einen Sektor, der sich als Lokomotive erweist und somit insgesamt für Stabilität im Bezirk sorgt“, so Martina Entner weiter.

Die breite Verankerung der Wirtschaft im Bezirk sowie die demografische Entwicklung führen dazu, dass die Arbeitslosigkeit trotz schwächelnden Wirtschaftswachstums konstant niedrig bleibt. „Wir haben derzeit im Bezirk knapp über 43.000 unselbstständig Beschäftigte, so viele wie noch nie zuvor. Die Arbeitslosigkeit im Bezirk Schwaz lag im Juli bei extrem niedrigen 1,8 %. Das sind derzeit nur 778 Arbeitslose im Bezirk“, freut sich Stefan Bletzacher.

Aktuelle Herausforderungen

Die fünf größten Herausforderungen für die Unternehmen ergeben ein umfassendes Bild der aktuellen Lage: Arbeitskräftemangel (81 %), Energie- und Rohstoffpreise (61 %), Arbeitskosten (61 %), Inflation (52 %), Finanzierungskonditionen (25 %). „Der Arbeitskräftemangel ist und bleibt die größte Herausforderung für unsere heimischen Betriebe. Die Politik muss an sämtlichen Stellschrauben drehen, um diese Situation zu entschärfen“, fordert darum die WK-Bezirksobfrau.

Mit einer 32-Stunden-Woche werden wir weiter zurückfallen

Die Gewerkschaft und der neue Obmann der Sozialdemokratie in Österreich fordern eine 4-Tage-Woche bzw. eine 32-Stunden-Woche – und das in Zeiten von Arbeitskräftemangel, einer in Schieflage geratenen Wirtschaft und der größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte: dem Klimawandel. Die 4-Tage-Woche als neues „Standardmodell“ vorzuschlagen ist daher ein Irrweg. Martina Entner wird dazu sehr konkret: „Das würde nicht einmal stimmen, wenn wir unbegrenzt Arbeitskräfte zur Verfügung hätten. Nicht jede frei werdende Stunde kann nämlich mit einer neuen Arbeitskraft besetzt werden, in Kleinunternehmen schon gar nicht. In der gegenwärtigen Situation kommen wir aber schon jetzt mit den zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden nicht aus. Wie soll das erst gehen, wenn wir diese noch künstlich herabsetzen? Um sich auszumalen, was dann passieren würde, muss man nicht Wirtschaftswissenschaften studiert haben: Einerseits würde der Arbeitskräftemangel noch dramatischer werden, andererseits würde das die Inflation weiter anheizen. Die Gewerkschaften fordern schließlich den vollen Lohnausgleich. Wenn Arbeit teurer wird, steigen die Preise für Produkte und Dienstleistungen zwangsläufig, da sich sonst die Kalkulation für die heimischen Betriebe nicht mehr ausgeht. Aus meiner Sicht ist dieser Vorschlag daher vollkommen unrealistisch“.

Das Ziel müsse es sein, durch unterschiedlichste, auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden und der Arbeitgebenden abgestimmte, flexible Arbeits-(Zeit)-Modelle möglichst mehr Menschen für die Arbeitswelt zu begeistern und nicht ein Standardmodell mit weniger Stunden einzuführen.

Impulse auf allen Ebenen

„Um den Betrieben mehr Spielraum zu verschaffen, braucht es seitens der Politik Impulse auf allen Ebenen“, führt Stefan Bletzacher weiter aus. Mit der aktuellen Lage bekommen langjährige Forderungen der Wirtschaftskammer neue Aktualität: Die Steuerquote, insbesondere die Lohnnebenkosten, müssen drastisch gesenkt werden. Auch der Abbau von Bürokratie würde den Unternehmen mehr Luft verschaffen.

Darüber hinaus besteht dringender Handlungsbedarf beim Arbeitskräftemangel. „Hier braucht es ein noch dichteres Netz bei der Kinderbetreuung und neue Regeln für eine Steuerbefreiung bei den Überstunden, Erleichterungen für Pensionistinnen und Pensionisten, um im Arbeitsmarkt bleiben zu können, bis hin zur qualifizierten Zuwanderung“, so der Leiter der WK-Schwaz.

Regionalisierung großes Anliegen

„Regionalität galt eine Zeit lang als etwas angestaubt. Dieses Image hat sich jedoch grundlegend verändert. Die Nachhaltigkeit hat speziell auch bei jungen Menschen, einen großen Stellenwert erlangt“, weiß die Schwazer WK-Bezirksobfrau. Genau diese Nachhaltigkeit bietet neue Chancen für regionale Wirtschaftskreisläufe.

Regionalität bedeutet kurze Wege, Arbeitsplätze vor Ort und die Nutzung heimischer Ressourcen. „Daher ist Regionalität gelebte Nachhaltigkeit und eine sehr effektive Möglichkeit, für den Klimaschutz einen Beitrag zu leisten“, ergänzt Bletzacher. In dieser Vernetzung und der Aufklärung darüber sieht auch die Wirtschaftskammer Schwaz einen Schwerpunkt ihrer zukünftigen Arbeit.

Aktuelle Lage im Tourismus

„Speziell jetzt im Sommer ist der Wettbewerbsdruck sehr groß. Die Gäste buchen immer kurzfristiger und sind wesentlich preissensibler geworden. Man merkt deutlich die Auswirkungen der Pandemie, der Energiepreissteigerungen, der enorm gestiegenen Kosten in allen Bereichen der damit verbundenen Inflation“, weiß Martina Entner als Hotelierin auch aus eigener Erfahrung zu berichten.

„Das Stichwort Wertschöpfung ist ein großes Thema für die Betriebe. Es ist spürbar, dass große Veränderungen am Markt da sind. Das führt zu einer Unsicherheit bei den Unternehmen und letztendlich dazu, dass die Investitionsbereitschaft der Betriebe zurückgeht. Das wird mittel – und langfristig zum Problem, denn die Investitionen von heute sind das Wachstum von morgen. Ein Rückstau bei Investitionen macht auch Betriebsübergaben schwieriger, als sie derzeit schon sind. Wenn die junge Generation bereits mit einem großen Rucksack in das Unternehmertum starten muss, fehlt verständlicherweise oft die Bereitschaft dafür. Es ist daher die Aufgabe der Politik, mit Investitionsfreibeträgen, mit einem steuerlichen Rahmen, der die Bildung von Reserven ermöglicht, sowie mit Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel dagegen zu steuern und auf diese Weise den Tourismus auch in Zukunft als starke Säule im Bezirk zu sichern“, appelliert die WK-Bezirksobfrau abschließend an die Politik.

 

Schwaz, 18.8.2023

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