Sparte Industrie

Industriekonjunktur: Deutlicher Abwärtstrend

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 3 Minuten

26.09.2023

Die Konjunktureintrübung in der österreichischen Industrie hat sich im Verlauf des ersten Halbjahres 2023 zunehmend beschleunigt, die vorhandenen Daten über das dritte Quartal zeigen im Wesentlichen eine Fortsetzung des Abwärtstrends.  Für das Gesamtjahr 2023 ist daher mit einem realen Produktionsrückgang zu rechnen.

Das österreichische Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2023 real um 1,1 % geschrumpft, was maßgeblich durch eine schwache Entwicklung der Industrieproduktion mit verursacht war. In vielen Industriesparten liegt der nominelle Produktionswert zwar über dem Vergleichswert des Vorjahres, in preisbereinigter – realer – Darstellung wird aber das Vorjahresergebnis verfehlt. Die für das dritte Quartal vorhandenen Daten zeigen, dass sich in den Sommermonaten der Rückstand gegenüber dem Produktionswert des Vorjahres weiter vergrößert hat. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet das WIFO mit einem Rückgang der Industrieproduktion um zwei Prozent.

Eine rasche Trendwende ist nicht in Sicht, denn noch stärker als die Produktion hat sich im Jahresverlauf der Auftragseingang eingetrübt. Die in „industrie aktuell“ publizierten Erhebungen der Bundessparte Industrie bei den einzelnen Industriefachverbänden zeigen auch an der Schwelle vom dritten zum vierten Quartal teilweise deutliche Auftragsrückgänge, sehr schwach sind auch die ausgewiesenen Neuaufträge im jüngsten EinkaufsManagerIndex (EMI) der UniCredit Bank Austria: Keine anderen Kennzahlen liegen im EMI so deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt wie Auftragseingang und Auftragsbestand. Der Business and Consumer Survey (BCS) der Europäischen Union weist weit unterdurchschnittliche Einschätzungen der Auftragseingänge in der österreichischen – und auch deutschen – Industrie aus, wobei sich die Werte in den Sommermonaten erheblich verschlechtert haben. Daher besteht die Möglichkeit, dass die prognostizierte Entwicklung der Industrieproduktion sogar noch unterschritten wird, der Rückgang also noch kräftiger ausfällt.

Unmittelbar betroffen ist Österreichs Industrie von der schwachen Industriekonjunktur im Nachbarland Deutschland. Letztlich sind aber in beiden Ländern einerseits die deutliche Steigerung der Energiepreise und andererseits die schwache Entwicklung der internationalen Nachfrage und des globalen Handels für die Rezession in der Industrie verantwortlich. Eine faktische Stagnation des weltweiten Güterhandels – der Internationale Währungsfonds prognostizierte im Sommer 2023 einen Anstieg des globalen Handels mit Gütern und Dienstleistungen von bescheidenen zwei Prozent, wobei der Anstieg im Güterhandel unter diesem Wert bleibt – betrifft naturgemäß exportorientierte, industriestarke Volkswirtschaften, wie Österreich oder Deutschland, in überdurchschnittlicher Weise.

Steigende Energiepreise und hohe Arbeitskosten, die zudem im letzten Jahr in Österreich stärker gestiegen sind als in vielen Konkurrenzstandorten, leisten einen zusätzlichen Beitrag zur Dämpfung des Absatzes. Da Unternehmen zunehmend Probleme haben, steigende Kosten auf die Preise zu überwälzen, hat sich im Laufe des Jahres 2023 die Ertragslage der Unternehmen dramatisch verschlechtert. Die geradezu erdbebenartige Verschiebung zeigt sich im Business and Consumer Survey der Europäischen Union: Vor einem Jahr haben noch (per Saldo) mehr als die Hälfte der österreichischen Industrieunternehmen damit gerechnet, in Zukunft höhere Preise erzielen zu können; im zuletzt veröffentlichten BCS (mit Werten aus August 2023) rechnen nun (per Saldo) sogar mehr Unternehmen mit künftigen Preisabschlägen auf ihre Produkte als an eine Durchsetzung höherer Preise glauben. Dies spricht für ein weiteres Erodieren der Ertragslage.

Die schwache gegenwärtige Konjunkturlage, Unsicherheiten hinsichtlich der Energieversorgung sowie der ausreichenden Verfügbarkeit von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zuletzt gravierend erhöhte Lohnstückkosten, die mit der klimapolitischen Transformation verbundenen Fragen und nicht zuletzt die stark gestiegenen Zinssätze dämpfen die Investitionstätigkeit der Industrie. Im laufenden Jahr werden die realen Bruttoanlageinvestitionen rückläufig sein, nachdem sie schon im vergangenen Jahr stagniert haben. Nachdem die österreichische Industrie ein wichtiger Produzent von Investitionsgütern ist, besteht hier die Gefahr eines selbstverstärkenden Abwärtstrends. Gerade Instrumente wie der Investitionsfreibetrag (IFB) und der geplante Öko-IFB, sind daher in der gegenwärtigen Lage wichtige Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu verbessern. Wünschenswert wäre in dem Zusammenhang die von der österreichischen Industrie geforderte Verbesserung und Ausdehnung des Anwendungsbereiches des IFB (Anhebung des Deckels, Einbeziehung der thermisch-energetischen Sanierung von Gebäuden, erhöhten Satz auch für Digitalisierungsinvestitionen, IFB auch bei Pauschalierung).

Steuerliche Maßnahmen der Investitionsförderung können zögernde Unternehmen zu Investitionen motivieren. Langfristig zumindest ebenso wichtig ist eine Politik, die hinsichtlich der beiden großen Kostenblöcke „Energie“ und „Arbeit“ vorausschauend und standortorientiert handelt. Im Bereich der Energie wäre – für den Standort Europa – eine engere Abstimmung der Bereiche Versorgungssicherheit, Energiekosten und Klimaschutz dringend notwendig, damit es nicht zu politisch induzierten, additiven Kostenschocks kommt. Hinsichtlich der Arbeitskosten ist eine Orientierung an Entwicklungen in konkurrierenden Standorten ebenso notwendig wie eine deutliche Reduktion der Gesamtkosten durch Reduktion der Lohnnebenkosten.

Autor:
Mag. Andreas Mörk
E-Mail: andreas.moerk@wko.at