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Seitliche Aufnahme mehrerer, verbundener Waggons auf Gleisen. Jeder Waggon ist rot-weiß-rot gestreift, daneben Strommasten im Dämmerlicht.
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Entsorgungs- und Ressourcenmanagement, Fachgruppe

Evaluierungsbericht zum Bahnzwang veröffentlicht

Bericht zeigt eingeschränkte Evidenz zu Wirksamkeit und CO₂-Einsparungen und empfiehlt Verschiebung der Bahnverpflichtung für Transportstrecken über 100 km auf 2030

Lesedauer: 5 Minuten

02.10.2025

Der bis Ende 2024 zu erstellende und uns bis dato nicht zur Verfügung gestellte Bericht über die Evaluierung des Bahnzwangs für Abfalltransporte wurde jetzt vom BMLUK veröffentlicht. Der angehängte Bericht basiert auf die im AWG 2002 vorgeschriebene Evaluierung für den Zeitraum 1.1.2023 – 31.12.2024.  Seit kurzem kann er auf der Website des BMLUK unter "Bericht über die Evaluierung" abgerufen werden: Digitale Abfrageplattform für Bahntransporte

Die Evaluierung beinhaltet neben einer Wirksamkeitserhebung auch ein Wettbewerbsmonitoring. Nach einer ersten Durchsicht sind die Ausführungen im Bericht sehr enttäuschend. Er enthält vorwiegend allgemeine Aussagen, die zum Teil nicht nachvollziehbar sind, sowie Verweise auf andere Berichte mit wenig Aussagekraft zu Abfalltransporten und dem Bahnzwang konkret. Es gibt weder Zahlen zu über die Plattform "abgewickelte" Bahntransporte noch durch die AWG-Regelung eingesparte CO2-Emissionen.

In der Zusammenfassung des Ergebnisses der Evaluierung wird dazu allgemein auf die Zahlen der Statistik Austria zum Güterverkehr verwiesen und ohne Nennung von konkreten Zahlen festgehalten, dass sich der Anteil der Abfalltransporte am Schienengüterverkehr von 2022 auf 2023 erhöht hat. Tatsächlich – und das ist auch im Bericht im Textteil voran ausgewiesen – sind in absoluten Zahlen die Tonnen der Güterart "Sekundärrohstoffe, Abfälle", die mit der Bahn transportiert wurden im Jahr 2022 mit ca. 4,8 Mio Tonnen auf im Jahr 2023 auf ca. 4,7 Mio Tonnen zurückgegangen. Im Jahr 2024 waren es 4,9 Mio Tonnen. Die angeführten Zahlen zu den notifizierungspflichtigen Abfalltransporten per Bahn basieren auf einer Schätzung eines Experten des BMLUK und lassen auch komplett offen, welche Distanzen mit der Bahn hier in Österreich zurückgelegt wurden und durch den Bahnzwang induziert wurden.

Im Ergebnis wird festgehalten, dass das In-Kraft-Treten der Verpflichtung für Transportstrecken von über 100km auf 2030 verschoben werden sollte. Begründet wird das mit einer notwendigen vertieften Evaluierung mit Schwerpunkt auf kurze Distanzen. Nach unseren Informationen soll diese Verschiebung zusammen mit dem Batterienbegleitgesetz zur "Umsetzung" der EU-Batterienverordnung erfolgen. Das Batterienbegleitgesetz hängt jedoch noch in der politischen Koordinierung.

Die wichtigsten Eckdaten des Evaluierungsberichts

Nachfolgend finden sich die wichtigsten Eckdaten des Berichts:

Ausnahmen von der Verpflichtung:

Unerschwinglichkeit: Zum Thema Ausnahmen von der Verpflichtung wird - neben den im AWG 2002 angeführten Ausnahmen (keine Bahnkapazitäten, Transportstrecke auf der Straße ist 25 % oder mehr im Vergleich mit Transport ausschließlich auf der Straße) zusätzlich - auf OGH-Judikatur zur "Unerschwinglichkeit" (wirtschaftliche Unmöglichkeit) bzw. zu § 1447 ABGB verwiesen. Angebote, die in diesem Sinne als unerschwinglich anzusehen sind, gelten als unbeachtlich.

Die Plattform aufschiene.gv.at stellt in den Fällen, in denen nur unerschwingliche Angebote vorgelegt werden eine Bestätigung aus, dass der Transport auf der Straße erfolgen kann. Als unerschwinglich anzusehen sind Angebote, die zu einer erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Existenz führen könnten oder die ein objektives Missverhältnis zwischen dem Wert der geschuldeten Leistung dem zu ihrer Erbringung notwendigen Aufwand beinhalten. Das BMLUK zieht einen von einem externen Wirtschaftsprüfer erarbeiteten Fragenkatalog heran, anhand der die Unerschwinglichkeit im Einzelfall beurteilt wird.

Wirkungsfolgenabschätzung - Treibhausgasemissionen:

Ausgehend davon, dass ca. 4 % des Straßengüterverkehrs Abfalltransporte (Bereich "Sekundärrohstoffe, kommunale Abfälle und sonstige Abfälle") sind, wurde als Zielvorgabe für die Einführung des Bahnzwangs eine Einsparung von mehr als 10.000t CO2- Äquivalenten pro Jahr festgehalten. Laut Schätzung eines Experten des BMLUK erfolgten im Jahr 2020 ca. 18% der notifizierten Abfalltransporte mit der Bahn. Hier wurde als Zielvorgabe von zumindest 28 % notifizierten Abfalltransporten per Bahn oder sonstiger "gleichwertiger" alternativer Transportmittel ausgegangen.

Im Bericht wird festgehalten, dass diese Zielvorgaben erst ab 2026 gelten sollen. Zu CO2-Einsparungen in Folge von vermehrten Bahntransporten gibt es keine Aussagen.

Es wird nur der Klimabericht der Umweltbundesamtes für das Jahr 2023 zitiert, welcher für den gesamten Verkehr undifferenziert eine Reduktion der Emissionen von rd. 4% und der Abfallwirtschaft einen leichten Anstieg der Emissionen (bedingt durch höhere Emissionen aus der Verbrennung) ausweist. 

Wirksamkeitsevaluierung – Infrastruktur und Kapazitäten:

Im Bericht wird zurecht festgehalten, dass die Verlagerung von Abfalltransporten auf die Bahn wesentlich von der Verfügbarkeit von Infrastruktur und Kapazitäten bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen abhängig ist. In diesem Zusammenhang werden der Mobilitätsmasterplan 2030 und der Masterplan Güterverkehr 2030 angeführt, welche – wiederum – lediglich allgemeine Aussagen treffen und auf erste wirkungsvolle Impulse und Maßnahmen in Folge des Bahnzwangs hinweisen, jedoch komplett offen lassen, um welche es sich hierbei handelt.

Die größten technischen Herausforderungen bestehen beim Umschlag an der Lade- bzw. Entladestelle, auf diese wird jedoch im zitierten ÖBB-Rahmenplan 2024-2029 für den Güterverkehr nicht eingegangen bzw. sind aus diesem keine geplanten Verbesserungen ersichtlich.

Einzig das – leider erst nach der AWG-Novelle zum Bahnzwang - im Jahr 2022 von der FFG ausgeschriebene Projekt "ShiwaRail" setzt sich näher mit Abfalltransporten auseinander. Als Lösung für eine verstärkte Verlagerung der Abfalltransporte auf die Bahn wird ein kooperatives Vorgehen von verschiedenen Akteuren in der Abfallbranche vorgeschlagen.

Preisentwicklung / Wettbewerbsmonitoring:

Aus dem Jahresbericht 2023 der für den Wettbewerb am österreichischen Eisenbahnverkehrsmarkt und den freien Zugang zur Schiene zuständigen Schienen-Control GmbH wird bei den Tarifen der Rail Cargo Austria eine Preiserhöhung von ca. 35 % von 2022 auf 2023 ausgewiesen.

Für das Wettbewerbsmonitoring wurde ein externer Wirtschaftsprüfer vom BMLUK mit der Prüfung des Eisenbahnsektors beauftragt und die Bundeswettbewerbsbehörde einbezogen. Im Ergebnis wurden dabei keine preislichen Auffälligkeiten erkannt und die Preisentwicklungen mit Kostensteigerungen für insbesondere Energie und Personal bzw. inflationsbedingt auf Basis von Anpassungsklauseln begründet.

Die Bundeswettbewerbsbehörde hat bis bisher für den Eisenbahnverkehr keine Branchenuntersuchung veröffentlicht.

Daten zu sonstigen umweltfreundlichen Transportmitteln:

"Biokraftstoffe": Das BMLUK führt im Bericht aus, dass als alternative Antriebsmittel auch "nachhaltige Biokraftstoffe wie B 100 und nachhaltiger HVO 100 in Frage kommen".

Es werden dazu allgemeine Zahlen insbesondere die Berichte "Erneuerbare Kraftstoffe und Energieträger im Verkehrssektor in Österreich" zum Beleg eines grundsätzlichen Einsatzes dieser Kraftstoffe herangezogen und ausgeführt, dass im Jahr 2022 rund 28.000 t B100 und 130 t HVO Reinverwendung in Österreich abgesetzt wurden. Eine Relation zu herkömmlichen Antriebsmitteln wie Diesel und dem Einsatz bei Abfalltransporten kann/wird nicht hergestellt.

Anmerkung: Die Betankung der Lkw mit biogenen Kraftstoffen scheitert in der Regel – wie auch vom Umweltbundesamt in der "Ökobilanz von schweren Nutzfahrzeugen und Bussen" bestätigt – an der technischen Umrüstung in der Praxis.
Im Gegensatz dazu wird im Evaluierungsbericht des BMLUW behauptet, dass für die Betankung keine Umbauarbeiten erforderlich sind und auf LKW-Neuzulassungen verwiesen.
Auch wird vom Umweltbundesamt richtig festgehalten jedoch im gegenständlichen Bericht ausgeklammert, dass selbst im Fall einer drastischen Erhöhung der in Verkehr gebrachten Biokraftstoffmenge um 20 % lediglich rund 7,6 % der schweren Nutzfahrzeuge mit reinem Biokraftstoff betrieben werden könnten.

E-LKW: Die im Bericht dargestellten Grafiken der Zahl der Neuzulassungen von E-LKW weisen eine undifferenzierte Steigerung von Zulassungen von E-LKW jeder Fahrzeugklasse (N1, N2, N3) von den Jahren 2022 – 2024 aus. Damit wird suggeriert, dass für Abfalltransporte ausreichend E-LKWs zur Verfügung stünden. Die Steigerungen sind jedoch vorwiegend im N1 Bereich. Für den Transport von Abfällen (Sekundärrohstoffen) und damit für den Bahnzwang sind ausschließlich die Fahrzeugklassen N2 (> 3,5 t bis 12 t), N3 (> 12 t) und Sattelzugfahrzeuge relevant. Im Bericht wird geflissentlich verschwiegen, dass es mit Stand Dezember 2024 in den relevanten Fahrzeugklassen lediglich 321 zugelassene E-LKW gab. Damit liegt der Anteil an elektrifizierten Motoren in diesen Fahrzeugklassen für den gesamten Gütertransport bei nur 0,43 %.

→ Zum Evaluierungsbericht

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