Gerhard Schlattl
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Kroatien im Aufbruch zu neuen Ufern

Gastkommentar Gerhard Schlattl, Wirtschaftsdelegierter Zagreb

Lesedauer: 2 Minuten

Aktualisiert am 08.05.2024

Sommer, Sonne, Strand – so kennen viele Österreicherinnen und Österreicher Kroatien. Und natürlich prägt auch das Bild das man in Österreich über Kroatien hat. Nicht zuletzt durch die Euro-Einführung und das noch leichtere Reisen durch die Integration Kroatiens in den Schengen-Raum sind Österreich und Kroatien noch näher aneinandergerückt. Man kann eigentlich von Nachbarländern sprechen.
Viele österreichische Geschäftstreibende sind immer wieder überrascht, wie nördlich Zagreb eigentlich gelegen ist bzw. dass man die kroatische Hauptstadt in nur vier Stunden von Wien aus bzw. in nur zwei Stunden von Graz aus erreichen kann.
Wenn Kroatien auch das aktuell jüngste EU-Mitglied ist, ist es immerhin auch schon wieder fast elf Jahre in die Europäische Union integriert. Zahlreiche internationale Beobachter und Kenner, aber auch Kroatinnen und Kroaten selbst bekennen offen, wie viele Vorteile der EU-Beitritt Kroatiens gebracht hat. Nicht zuletzt in Form einer der höchsten Raten an EU-Mittel pro Kopf. Ähnlich verhält es sich bei der Euro-Einführung, die aus Unternehmensperspektive sowohl österreichischer als auch kroatischer Unternehmen deutlich mehr Vorteile als Nachteile ergeben hat.
In der breiten Bevölkerung wurde der Euro aber sicherlich als Teuro wahrgenommen. Eine Situation, die nicht überrascht. Die Euro-Einführung ist zeitlich genau mit den Auswirkungen auf die Energiepreise im Zuge des Krieges in der Ukraine zusammengefallen.  Natürlich hat die EU-Integration auch viele Kroatinnen und Kroaten motiviert, in anderen EU-Ländern beruflich Fuß zu fassen. So richtig bewusst geworden ist das in der öffentlichen Wahrnehmung im Zuge der letzten Volkszählung. Das Ergebnis: Nur mehr 3,8 Mio. Kroatinnen und Kroaten leben noch im eigenen Land. Ein Schock für viele.
Im Straßenbild Zagrebs sieht man das auch im Alltag immer deutlicher. Fast keine Dienstleistung, die nicht auch von Drittstaatsangehörigen durchgeführt wird – allen voran Taxi, Food Delivery Services etc. In nur ganz wenigen Jahren hat Kroatien zahlreiche Arbeitsgenehmigungen für Nicht-EU-Bürger ausgestellt. Eine Entwicklung, die aus Wirtschaftsperspektive unerlässlich erscheint, gesellschaftlich sicherlich aber noch längere Zeit verarbeitet werden muss.
Vor dem Hintergrund eines kleiner werdenden Arbeitskräfte-Pools und von bis zuletzt hohen Inflationsraten steigt der Druck für Arbeitgeber sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Eine Ausgangslage, die sehr vergleichbar mit jener in Österreich ist. Das führte in den vergangenen zwei Jahren zu deutlichen Gehalts- und Lohnsteigerungen, die die Inflationsraten noch übertroffen haben. Eine Auswirkung davon ist, dass die Kaufkraft in Kroatien steigt. Was wiederum interessant ist für ausgewählte österreichische Produkte und Dienstleistungen, für die der kroatische Markt davor wenig relevant war.
Die kürzlich ausgetragenen Parlamentswahlen und die aktuell stattfindenden Koalitionsverhandlungen in Kroatien werden naturgemäß die unmittelbare Zukunft Kroatiens bestimmen. Das Potential Kroatiens ist jeden-falls auch künftig groß. Denn die geografische Lage an der südosteuropäischen EU-Außengrenze prädestiniert Kroatien als Logistik-Drehscheibe. Zudem werden „Erneuerbare Energien“ mittelfristig einen ganz bedeuten-den Wirtschaftssektor in Kroatien darstellen. Nicht zu-letzt wird es - auch trotz zahlreicher struktureller Probleme - einen starken Fokus auf den Ausbau des Eisenbahnnetzes in Kroatien geben.
Wer weiß, vielleicht werden dann österreichische Touristen in einigen Jahren auch mit dem High-Speed-Train nach Kroatien kommen auf der Suche nach Sommer, Sonne und Strand…