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Sonja Brandtmayer
© Marlene Fröhlich Luxundlumen
Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Fachgruppe

Women Wanted − Chancen, Herausforderungen und persönliche Erfolgsstrategien

Interview mit Sonja Brandtmayer

Lesedauer: 9 Minuten

06.07.2025

In diesem Interview spricht Sonja Brandtmayer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Wiener Städtischen Versicherung AG Vienna Insurance Group, über die zunehmende Bedeutung von Frauen in der Versicherungswirtschaft. Sie teilt ihre Perspektiven auf die wachsenden Karrierechancen für Frauen und die Faktoren, die diesen Wandel begünstigen.
Darüber hinaus gibt sie einen Einblick in ihre eigene erfolgreiche Laufbahn und verrät, welche persönlichen Prinzipien und Unterstützungssysteme ihr dabei geholfen haben, ihre Ziele zu erreichen. Besonders hebt sie die Bedeutung von Netzwerken und Mentoring sowie Initiativen hervor, die Frauen im Bereich der Altersvorsorge und im Berufsalltag fördern.

Karriereinteresse von Frauen in der Versicherungswirtschaft

Frau Mag. Brandtmayer, Sie beobachten die Branche seit vielen Jahren: Sehen Sie tatsächlich einen Trend, dass sich mehr Frauen für eine Karriere in der Versicherungswirtschaft interessieren?

Sonja Brandtmayer: Ja, wir sehen ganz klar: Immer mehr Frauen interessieren sich für eine Karriere in der Versicherungswirtschaft. Dafür gibt es mehrere Gründe – allen voran flexible Arbeitszeitmodelle, gute Kinderbetreuungsangebote, bessere Aufstiegschancen und eine insgesamt offenere, vielfältigere Unternehmenskultur.

Was glauben Sie, sind die wichtigsten Faktoren, die dieses wachsende Interesse begünstigen?

Sonja Brandtmayer: Tendenziell gibt es eine zunehmende Akzeptanz und Förderung von Frauen in sogenannten "traditionell männlichen" Branchen. In Kombination mit der verstärkten Präsenz von Frauen in Führungspositionen werden vor allem jüngere Generationen ermutigt, sich ebenfalls in diesen Bereichen zu engagieren. Themen wie InsurTech, digitale Transformation und nachhaltige Versicherungsprodukte bieten Frauen die Möglichkeit, in innovativen und zukunftsträchtigen Bereichen zu arbeiten. Und es gibt immer mehr Netzwerke und Mentoring-Programme, die speziell Frauen in der Versicherungsbranche unterstützen. Diese Netzwerke bieten Frauen die Chance, Karriere-Tipps auszutauschen und sich gegenseitig zu fördern.

Persönliches Erfolgsgeheimnis

Sie haben eine beeindruckende Karriere hinter sich – von der Juristin über politische Ämter bis hin zur Generaldirektor-Stellvertreterin. Was war Ihr persönliches Erfolgsrezept auf diesem Weg?

Sonja Brandtmayer: Im Kern sind es drei Punkte, die meine berufliche Laufbahn prägen. Erstens ist es wichtig, neugierig und lernwillig zu sein, sich nicht mit dem Status Quo zufrieden zu geben. Zweitens ist eine offene und wertschätzende Kommunikation für mich eine wichtige Voraussetzung für jede erfolgreiche Zusammenarbeit und schließlich der Aufbau und die Pflege eines beruflichen Netzwerkes – das gilt insbesondere auch für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen.

Gab es Schlüsselentscheidungen oder bestimmte Menschen, die Ihre Laufbahn maßgeblich beeinflusst haben?

Sonja Brandtmayer: Natürlich ist die Unterstützung von Mentorinnen und Mentoren ein ganz wichtiger Faktor, um beruflich voranzukommen. Ich hatte das große Glück, sowohl Frauen als auch Männer an meiner Seite zu haben, die mich förderten – und dass nicht nur beruflich, sondern auch menschlich.

Um mehr Frauen für diesen Beruf zu gewinnen, müssen Vorurteile und stereotype Vorstellungen von "männlichen" und "weiblichen" Berufen abgebaut werden.

Altersvorsorge & Pension Pay Gap bei Frauen

Die finanzielle Absicherung von Frauen im Alter ist ein gesellschaftlich drängendes Thema. Wo sehen Sie die größten Probleme beim sogenannten Pension Pay Gap?

Sonja Brandtmayer: Wir alle kennen die Zahlen: Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, arbeiten häufiger in Teilzeit und stehen am Ende ihres Berufslebens mit einer deutlich kleineren Pension da. Auf den Gender-Pay-Gap folgt dann der Pension-Pay-Gap: Der beträgt in Österreich rund 37 Prozent – das ist nicht nur eine Zahl, sondern führt zu finanziellen Abhängigkeiten, Unsicherheit und im schlimmsten Fall zu Altersarmut. Das können und dürfen wir als Gesellschaft nicht akzeptieren! Wir müssen endlich dafür sorgen, dass Frauen für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld bekommen. Dass sie nicht länger vor die Wahl gestellt werden: Karriere oder Familie. Denn wenn Frauen finanziell unabhängig sind, profitieren wir alle davon: Familien, Unternehmen, die gesamte Wirtschaft. Starke Frauen bedeuten eine starke Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass wir gemeinsam daran arbeiten, diese Ungerechtigkeit zu beenden. Nicht irgendwann – sondern jetzt.

Welche konkreten Schritte braucht es Ihrer Meinung nach, um Frauen besser auf das Thema Altersvorsorge vorzubereiten?

Sonja Brandtmayer: Mein Tipp an alle Frauen ist simpel: Investieren Sie in sich selbst, nehmen Sie ihr Finanz- und Vorsorgeleben selbst in die Hand und starten Sie möglichst in jungen Jahren mit Ihrer privaten Altersvorsorge! Denn: Vorsorge ist Eigenverantwortung. Ein Blick auf das persönliche Pensionskonto in Verbindung mit dem Pensionskontorechner verschafft hier rasch Klarheit über die voraussichtliche Höhe der zu erwartenden staatlichen Pension. Eine etwaige Pensionslücke, also eine Differenz zwischen dem letzten Einkommen und der gesetzlichen Pension, lässt sich so rasch orten. Gerade Frauen sind oft sehr überrascht, wie hoch die Differenz dann wirklich ist.

Chancen als Versicherungsmaklerin

Aus Ihrer Sicht: Welche Vorteile bietet der Beruf der Versicherungsmaklerin speziell für Frauen?

Sonja Brandtmayer: Auf den Punkt gebracht: Hohe Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und -ort für Frauen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren möchten, gute Verdienstmöglichkeiten, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Bezug auf Kundengewinnung oder der Spezialisierung auf bestimmte Versicherungsarten. Der Beruf erfordert regelmäßige Interaktionen und Beziehungsaufbau zu Kund:innen und Geschäftspartner:innen, eine wertvolle Möglichkeit, Netzwerke zu pflegen und sich in einer männerdominierten Branche zu etablieren.

Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit sich mehr Frauen für eine selbstständige Tätigkeit in diesem Bereich entscheiden?

Sonja Brandtmayer: Grundsätzlich ist die Versicherungsbranche noch immer von traditionellen Geschlechterrollen geprägt. Um mehr Frauen für diesen Beruf zu gewinnen, müssen Vorurteile und stereotype Vorstellungen von „männlichen“ und "weiblichen" Berufen abgebaut werden. Eine stärkere Repräsentation von Frauen in der Branche und gezielte Fördermaßnahmen sind wichtig. Mentoring und Unterstützung durch erfahrene Versicherungsmaklerinnen, Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten effiziente Unterstützung. Der Einstieg in die Selbstständigkeit kann für Frauen eine finanzielle Herausforderung darstellen. Förderprogramme oder Business-Start-up-Hilfen, die sich speziell an Frauen richten, erleichtern den Einstieg. Und Frauen benötigen Zugang zu gezielten Schulungen und Weiterbildungen, um ihre Fachkenntnisse im Versicherungsbereich auszubauen und sich in der Branche zu etablieren. Programme, die speziell auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind, können dazu beitragen, mehr Frauen für eine Karriere als Versicherungsmaklerin zu begeistern.

Politik & Gesellschaft – Förderung von Unternehmerinnentum

Welche politischen oder gesellschaftlichen Stellschrauben müssten Ihrer Meinung nach dringend gedreht werden, um Frauen den Weg ins Unternehmertum zu erleichtern?

Sonja Brandtmayer: Um Frauen den Weg ins Unternehmertum zu erleichtern, sind sowohl politische als auch gesellschaftliche und strukturelle Veränderungen notwendig. Wie erwähnt sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Schaffung von Netzwerken und Mentoring-Programmen dabei entscheidend. Investitionen in die frühzeitige Förderung von Mädchen und Frauen in den MINT-Fächern sowie unternehmerischer Bildung sind essenziell, die Förderung unternehmerischen Denkens und die Sensibilisierung für das Unternehmertum in Schulen und Universitäten ein entscheidender Hebel. Frauen sollen ermutigt werden, verstärkt Führungspositionen zu übernehmen und ihre unternehmerischen Ambitionen zu entwickeln.

Gibt es internationale Vorbilder oder Best Practices, von denen wir lernen könnten?

Sonja Brandtmayer: Internationale Best Practices aus Ländern wie Schweden, Kanada oder den USA zeigen, wie eine unterstützende Infrastruktur für Unternehmerinnen aussehen kann, und bieten wertvolle Lernansätze für andere Länder. Wichtig ist eine starke Kultur der Gleichstellung, staatliche Initiativen, die es Frauen ermöglichen, Beruf und Familie zu vereinbaren und umfangreiche Netzwerke, in denen Gründerinnen unterstützt werden. Gleichstellungspolitik ist vor allem in Skandinavien ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftsstrategien.

Bedeutung von Role Models

Wie wichtig waren weibliche Vorbilder für Ihren eigenen Karriereweg? Welche Rolle spielen Role Models Ihrer Meinung nach für die nächste Generation von Frauen in der Versicherungswirtschaft?

Sonja Brandtmayer: Weibliche Vorbilder hatten auch für meine Laufbahn eine entscheidende Bedeutung, besonders wichtig sind sie in Berufen oder Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Sie bieten nicht nur Inspiration, sondern auch konkrete Beispiele, dass es möglich ist, bestimmte Hürden zu überwinden und Erfolg zu haben. Durch ihre Erfahrungen können sie Türen öffnen, Netzwerke bereitstellen und ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen.

Mut und Selbstbewusstsein machen sich auf jeden Fall bezahlt.

FRiDA – Frauen Netzwerk der Wiener Städtischen

Die Wiener Städtische hat mit FRiDA ein starkes internes Frauennetzwerk etabliert. Welche Erfolge sind aus Ihrer Sicht schon sichtbar? 

Sonja Brandtmayer: Rund 500 Mitglieder sind Beweis für das große Interesse an unserem Frauennetzwerk. FRiDA bietet ein breites Themen-Angebot von Karriereförderung, Anti-Diskriminierung, Unterstützung für Frauen im Außendienst und neuen Mitarbeiterinnen, Empowerment, Vernetzung und Hilfestellung für pflegende Angehörige bis hin zu Mentaltrainings, Sport- und Gesundheitsangeboten. FRIDA ist mittlerweile intern und auch extern gut bekannt und vernetzt sich auch zunehmend mit Frauennetzwerken aus anderen Unternehmen. 

Was hat FRiDA bisher besonders gut gemacht – und wo sehen Sie noch Potenzial?

Sonja Brandtmayer: Eines der FRiDA-Leuchtturmprojekte ist unsere groß angelegten Antidiskriminierungskampagne. Im Intranet und in Online-Workshops werden Betroffenen, Zeug:innen und Führungskräften Information und Hilfestellung im Anlassfall geboten. Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen, Diskriminierung in all ihren Spielarten zu erkennen und zu benennen und zu wissen, an wen man sich im Ernstfall wenden kann – für die Kampagne wurde FRiDA auch mit einem Minerva-Ward ausgezeichnet. Weiters wurde eine eigene Karriereanlaufstelle geschaffen, wo Interessierte Stärken, Schwächen und Talente ausloten und so ihren beruflichen und persönlichen Weiterentwicklungsbedarf erheben können. Potenzial sehen wir noch in der Mitgliederwerbung junger Kolleginnen.

Women Wanted – Beitrag der Fachverbandsinitiative

Die Initiative "Women Wanted – Frauen für die Branche gesucht" des Fachverbands hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Frauen für die Branche zu begeistern. Wie kann eine solche Initiative Ihrer Meinung nach nachhaltig wirksam sein?

Sonja Brandtmayer: Um Frauen langfristig und gezielt zu fördern, sollte die Initiative Mentoring-Programme und Netzwerke aufbauen und weiterentwickeln. Frauen benötigen Unterstützung von erfahrenen Kolleginnen, um Karrierehindernisse zu überwinden und sich in einer oft von Männern dominierten Branche sicherer zu fühlen. Ein starkes Netzwerk kann dabei helfen, Erfahrung auszutauschen, Herausforderungen zu bewältigen und Karrieremöglichkeiten auszuloten und zu finden. Darüber hinaus ist es wichtig, die Sichtbarkeit von Frauen in der Branche zur erhöhen – sei es durch Medienberichte oder Veranstaltungen oder auf Plattformen der Branche. Durch regelmäßige Evaluationen kann überprüft zudem werden, ob die Ziele erreicht wurden, und es können so notwendige Anpassungen vorgenommen werden.

Was würden Sie jungen Frauen mitgeben, die überlegen, in die Versicherungswirtschaft einzusteigen – und welche Rolle können wir als Branche dabei spielen? 

Sonja Brandtmayer: Mut und Selbstbewusstsein machen sich auf jeden Fall bezahlt. Oft ist es wichtig, sich selbst mehr zuzutrauen, auch wenn man als Frau vielleicht mit Unsicherheiten oder Zweifeln zu kämpfen hat, ob das die richtige Branche ist. Wir sehen jedenfalls, dass die Wiener Städtische auch im Vertrieb sukzessiver weiblicher wird, so sind bereits 50 Prozent der Lehrlinge junge Frauen – das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wie schon vorher erwähnt, ist der Aufbau eines Netzwerks von Kolleginnen, Kollegen und Mentoren entscheidend, um Unterstützung zu erhalten, Wissen auszutauschen und sich auch persönlich weiterzuentwickeln. Mentoring-Programme speziell für Frauen können besonders wertvoll sein, um Herausforderungen gezielt anzugehen und in der Branche langfristig erfolgreich zu sein.

Danke für das Gespräch.

Streckbrief Sonja Brandtmayer

Name: Sonja Brandtmayer

Sternzeichen: Zwilling

Alter: 44

Bundesland: Wien

Beruf: Stellvertretende Vorstandsvorsitzende

Hobbies: Lesen, Reisen, Freunde treffen, #10000stepsaday

Lieblingsreiseziel: Italien 

Lieblingsessen: Gegrilltes mit Salat

Lieblingsmusik: Indie Rock

Lieblingsbuch: Eine Frage der Chemie

Lieblingsfilm/-serie: Lydia Poet

Sonja Brandtmayer
© Marlene Fröhlich Luxundlumen

Wie würden Sie sich selbst mit drei Worten beschreiben? 

Herzlich, offen, lösungsorientiert

Wie sind Sie ……. (Beruf) geworden? (Bitte beschreiben Sie in wenigen Sätzen Ihre Berufsgeschichte)

Ich habe früh Führungsverantwortung übernommen, immer Chancen genutzt und durch konsequente Zielverfolgung Vertrauen aufgebaut – das war eine gute Basis für den jeweiligen nächsten Step

Was war das schönste Erlebnis in Ihrem Beruf?

Wenn sich Menschen unter meiner Führung sichtbar entfalten und über sich hinauswachsen.

Wann strahlt Ihr Herz?

Wenn gute Ideen Wirkung entfalten – und wenn ich mit meinem Mann zusammen bin

Wie/Wo tanken Sie Kraft?

Bei meinen täglichen Spaziergängen und in meiner Freizeit

Haben Sie sich in der Branche schon mal behaupten/verteidigen müssen?

In Situationen, in denen es weniger um Sachinhalte als um Rollenerwartungen ging -da hilft es, authentisch und gut vorbereitet zu sein.

Hatten Sie ein weibliches Vorbild bzw. im Idealfall eine Mentorin? 

Eine direkte Mentorin nicht – aber starke Frauen und Männer haben mich auf meinem Weg geprägt.

Welche Tipps können Sie künftigen Versicherungsmaklerinnen geben?

Sich selbst vertrauen, Kompetenz zeigen, Netzwerke nutzen.

Welche Versicherungssparte(n) sehen Sie als zukunftsweisend und warum? 

Vorsorge und Nachhaltigkeit – weil sie gesellschaftliche Megatrends abbilden

Das Interview mit Sonja Brandtmayer ist in der Ausgabe "Versicherungsmakler" 03/2025 erschienen.

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