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Ana Simic
© Florian Wieser

Der KI-Boost für Wiens Betriebe

Kein Hype, sondern gekommen, um zu bleiben: Wie Unternehmen Künstliche Intelligenz nutzen können, um ihren Betrieb zukunftsfit zu machen und Mehrwert zu generieren

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 24.11.2025

In Österreich nützen rund 30 Prozent der Betriebe ab zehn Beschäftigten Künstliche Intelligenz (KI). Und es werden täglich mehr: Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich dieser Wert laut Statistik Austria nahezu verdreifacht. Gleichzeitig stehen viele Menschen dem unternehmerischen KI-Einsatz skeptisch gegenüber - in den Betrieben, aber auch außerhalb. Zudem bezeichnen 73 Prozent der Bevölkerung ihr Wissen über KI als gering oder nicht vorhanden. Wie sich Wiener Betriebe in diesem Umfeld optimal positionieren können, ist alles andere als einfach. Bei den NOW Business Days der Wirtschaftskammer Wien bemühten sich Expertinnen und Experten um eine Antwort.

Mehrwert schaffen durch KI

KI ist der Game Changer unseres Zeitalters, ist Ana Simic überzeugt. Als Strategieberaterin mit Fokus auf KI und Tech möchte sie den strategisch-unternehmerischen Blick von Führungskräften schärfen, um ihnen zu zeigen, was durch KI möglich ist, sagt Simic. Die Geschwindigkeit, mit der sich das Thema KI derzeit entwickle, sei überwältigend, ja manchmal beängstigend, sodass bei manchen die Angst entstehe, etwas zu verpassen - the Fear of Missing out (FOMO). Allerdings führe diese Geschwindigkeit dazu, dass schneller mehr Wert geschaffen werde - „für die Betriebe, die Kunden, die Gesellschaft”, so die Expertin. Studien würden belegen, dass Unternehmen, die Künstliche Intelligenz in jedem Bereich nutzen, einen deutlichen Produktivitätszuwachs haben. Daher sollten sich jetzt alle Unternehmen die Frage stellen, wie sie ihre Produkte, ihren Betrieb mit KI empowern können - „die Frage lautet: Was will ich tun und wo kann mir KI dabei helfen”, formuliert Simic. Das herauszufinden, gelinge am besten durch aktive Nutzung. Sogenannte „KI-Frontrunner-Betriebe”, die bei diesem Thema eine Führungsrolle einnehmen, haben Künstliche Intelligenz fest in den Alltag integriert, optimieren ihre Prozesse mit KI, reichern ihre Produkte mit KI an und kreieren KI-getrieben laufend Prozess- und Produktinnovationen, um Mehrwert zu schaffen. Dieser Mehrwert durch Künstliche Intelligenz wird mit „AI+” bezeichnet. Der Mensch spielt darin eine wesentliche Rolle. Ersetzen könne ihn die KI nämlich nicht, so Simic. „Sie kann uns wunderbar verbessern, ergänzen und stärken - aber sie hat keine Ahnung vom Menschsein.”

Fokus auf Ergebnis statt Prozess

Weil KI sich weiterhin rasend schnell entwickelt, sei das Erreichen einer Superintelligenz absehbar - und laut Simic bereits für 2027 zu erwarten. Diese werde imstande sein, selbständig Dinge zu tun, ohne dass der Mensch den Weg dorthin noch nachvollziehen kann. „Wir müssen uns daher mehr auf das Ergebnis fokussieren als auf den Prozess, und in der Lage sein, Ergebnisse zu bewerten”, betont die Expertin. In Künstlicher Intelligenz liege aber enormes Potenzial für die Wirtschaft und das gesamte Land. „Generative KI könnte Österreichs BIP in zehn Jahren um acht Prozent steigern und eine zusätzliche Wertschöpfung von bis zu 40 Milliarden Euro generieren.”

Martin Giesswein Ein KI-Selbstversuch: der geklonte Unternehmer
Was passiert, wenn ich als Unternehmer Künstliche Intelligenz verwende, um mich selbst abzuschaffen? Eine Frage, der der Unternehmer und KI-Program Director der WU Executive Academy, Martin Giesswein, in einem einjährigen Selbstversuch nachging.Der Gedanke dahinter war, auszuprobieren, ob die verschiedenen, bereits am Markt erhältlichen KI-Werkzeuge ihm seine Arbeit nicht nur abnehmen, sondern ihn sogar selbst ersetzen konnten. Als KI-Unternehmer-Klon sozusagen; „Geklappt hat es nicht”, sagt Giesswein gleich vorweg: „Ich erspare mir jetzt aber ein bis zwei Stunden Arbeit pro Tag.” Denn dieser auch mit Augenzwinkern angelegte Selbstversuch ermöglichte, jene Tools herauszufiltern, die ihm tatsächlich - vor allem zeitintensive - Arbeit gut und effizient abnehmen können.„KI ist etwas Gutes und hat so viele Vorteile. Man muss sie nur richtig bedienen”, ist Giesswein überzeugt. Denn KI sei ohnehin gekommen, um zu bleiben: „Es ist ein Zug, in dem wir Unternehmerinnen und Unternehmer ohnehin alle drinsitzen. Schauen wir einfach einmal, wo wir dabei Profitabilität herausbekomme

Die hybride Organisation von morgen

Mensch und Künstliche Intelligenz arbeiten Hand in Hand. Das ist die hybride Organisation von morgen - ein Lieblingsthema von Dominic von Proeck, Mitgründer der Berliner KI-Akademie „Leaders of AI”. Während er auf internationalen Bühnen spricht, übernimmt Social Media Experte Hansi seit über einem Jahr die Postings auf seinem LinkedIn-Profil. Seitdem sind die Follower-Zahlen, Likes und Kommentare stark angewachsen. Doch Hansi ist kein echter Mensch, sondern ein KI-Assistent. Schnell ist eine ganze Marketing Abteilung entstanden. Mittlerweile arbeiten im Team von „Leaders of AI” acht Menschen und über 50 KI-generierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die KI-Assistenten übernehmen immer mehr der operativen Arbeit. Alle bekommen ein Persönlichkeitsprofil, haben eine Personalakte und wir führen auch Feedback-Gespräche mit ihnen”, so von Proeck. Jeder KI-generierte Mitarbeiter hat eine eigene Rolle, ein Aufgabengebiet und bestimmte Zugriffsrechte im Betrieb. Doch das rasch wachsende Team der KI-Mitarbeiter führte zu einem Problem: „Ich habe nichts anderes mehr gemacht als der KI zu sagen, was sie zu tun und zu lassen hat. Wir mussten Aufgaben delegieren und Feedback geben - es war ein Führungsauftrag. Wir haben überlegt, einen Teamleiter einzustellen und das war die Geburtsstunde von Marketing Lead Jürgen.” Der KI-Teamleiter delegiert Aufgaben an andere KI-Mitarbeiter und überprüft diese. Die Freigaben holt er von Head of Community Debbie, die einzige Marketing-Mitarbeiterin aus Fleisch und Blut, denn „nichts verlässt das Unternehmen, wo wir nicht ‚ja’ gesagt haben”, so von Proeck. Zu hinterfragen, was einem vorgelegt wird, hält er für eine der wichtigsten Fähigkeiten unserer Zeit. „Auch Mitarbeitende, die noch nie geführt haben, müssen jetzt lernen, wie man Aufgaben delegiert und überprüft. Wir glauben, dass wir alle zukünftig Führungskräfte der KI werden müssen”, betont von Proeck.

Start-ups haben Startvorteil

Bei der unternehmerischen Nutzung von KI sieht der Wiener KI-Experte und international gefragte Berater Christian Stiegler Start-ups klar im Vorteil. Und zwar wegen des notwendigen Datenmaterials: „Man braucht eine gute Datenhygiene im Unternehmen. Start-ups haben den Vorteil, dass sie diese Datenhygiene von Anfang an hinbekommen können.” Er empfiehlt, keine offenen KI-Tools zu verwenden, sondern geschlossene Systeme, die nur mit den eigenen Daten gefüttert werden. „Gehen Sie nicht auf ChatGPT und laden Sie Ihre Geschäftsdaten hoch. Viele tun das. Das sind sensible Daten, die Sie nicht mehr rauslöschen können”, warnt Stiegler. Um Projektfriedhöfe zu vermeiden, rät er, maximal ein bis drei KI-Projekte gleichzeitig zu starten - und sie abzubrechen, wenn nach acht Wochen keine messbaren Ergebnisse vorhanden sind. Wichtig sei zudem der rechtlich und ethisch saubere Einsatz von KI - und dieser gehöre auch aktiv und transparent kommuniziert, um Vertrauen zu gewinnen. Ab 2026 muss der Einsatz von Generativer KI in der EU ausgewiesen werden. Auch abseits der Generativen KI gebe es viele Lösungen, die im Alltag Effizienz bringen, etwa bei Rechnungsverarbeitung, Ersatzbestellungen, Prozessanalyse oder Terminplanung. „Insbesondere für Routinearbeiten bringt KI viel Zeitersparnis.”

Birgit Hajek „KI kann unterstützen, aber nicht denken. Die Verantwortung bleibt bei uns Menschen.”
Birgit Hajek, Geschäftsführerin der Agentur Social Hearts und KI-Expertin
WAS GENAU BEDEUTET PROMPTEN?
Prompten bedeutet, der KI klare Anweisungen zu geben. Ein Prompt ist eine Aufgabenbeschreibung. Je präziser diese formuliert ist, desto besser werden die Ergebnisse. In den Workshops von Social Hearts zeigen wir, wie sich verschiedene Prompting-Methoden gezielt anwenden und kombinieren lassen.

WELCHE VORTEILE BRINGT GEZIELTES PROMPTEN IM ARBEITSALLTAG?

Klare Anweisungen führen zu besseren Ergebnissen. Das spart Zeit, erhöht die Relevanz der Inhalte und verbessert das Verständnis für Zielgruppen.

WO KANN GUTES PROMPTEN IM UNTERNEHMEN HELFEN?

KI eignet sich besonders für wiederkehrende, einfache Aufgaben - etwa beim Schreiben von Website-Texten, bei der Entwicklung von Social-Media-Posts oder als Sparring-Partnerin für Ideen und Projektkonzepte. Am besten werden verschiedene Aufgaben mit KI ausprobiert und die Ergebnisse regelmäßig bewertet. Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass schon wenige Wochen später neue Möglichkeiten entstehen können.

WIE SCHREIBT MAN GUTE PROMPTS? WORAUF KOMMT ES AN?

Mein wichtigstes Learning: KI verfügt über Weltwissen, aber nicht über Spezialwissen. Sie kennt weder meine Arbeitsweise noch die konkreten Anforderungen einer Aufgabe. Deshalb ist es entscheidend, ihr alle relevanten Informationen mitzugeben, damit sie die Aufgabe wirklich gut umsetzen kann.

WELCHEN TIPP GEBEN SIE DEN BETRIEBEN MIT?

Hilfreich ist es, der KI gleich zu Beginn ein paar Grundeinstellungen mitzugeben, zum Beispiel: „Stelle immer Fragen, wenn Informationen fehlen, und erfinde keine Inhalte.“ Halluzinationen lassen sich so zwar nicht völlig vermeiden, aber deutlich reduzieren.