Mit Weiterbildung zum Unternehmenserfolg
Je rascher sich Technologien und Märkte verändern, umso größer wird die Herausforderung, fachlich stets am Ball zu bleiben. Laufende Weiterbildung ist daher ein Erfolgskriterium - mehr denn je.
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"Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück." Dieses alte chinesische Sprichwort war für Unternehmen noch nie so aktuell wie heute. Technologien und Märkte verändern sich mitunter schneller als das Wetter. Betriebe, die heute nicht in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, riskieren, morgen abgehängt zu werden. Weiterbildung ist das A und O, um wettbewerbsfähig zu bleiben – mehr als ein Nice-to-have, sondern ein echter Erfolgsfaktor, der Unternehmen nach vorne bringt.
Ja zu berufsbezogenem Lernen
Umfragen bestätigen, dass das Thema in der Wirtschaft und bei ihren Mitarbeitenden ernst genommen wird. Die alljährlich durchgeführte Studie „Weiterbildung in Österreich” der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung hat 2024 ergeben, dass 57 Prozent der befragten Betriebe künftig der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden mehr Bedeutung zumessen wollen, elf Prozent sogar deutlich mehr. Als führende Weiterbildungsthemen werden KI, Future Technologies & Green Jobs sowie IT gesehen.
Nur wer in die Kompetenzen seiner Belegschaft investiert, kann langfristig wettbewerbsfähig bleiben und auf neue Marktanforderungen flexibel reagieren

Walter Ruck
Präsident der Wirtschaftskamme Wien
Das WIFI Wien hat jüngst die Bereitschaft der Menschen im Erwerbsalter (ab 18 Jahren) zu lebenslangem Lernen im beruflichen Kontext erhoben. Demnach planen knapp vier von zehn der befragten Wienerinnen und Wiener in den nächsten zwei Jahren eine berufliche Weiterbildung. Der Prozentsatz variiert je nach Alter – während mehr als die Hälfte der Jungen ihr Kompetenzen erweitern will, sinkt der Anteil bei den über 50-Jährigen auf ein Fünftel. Die Umfrage zeigt auch: An den Kosten oder der fehlenden Unterstützung durch den Arbeitgeber scheitert Weiterbildung nur selten. Die Arbeitgeber werden dabei großteils als unterstützend erlebt.
Allianz setzt auf „Growth Mindset”
In der Firmenphilosophie der Allianz Versicherung hat das Thema Weiterbildung zentralen Stellenwert, sagt Stefan Weinhofer, Head of People and Culture bei der Allianz. „Wir sind überzeugt, dass kontinuierliches Lernen entscheidend ist, um im technologischen Wandel bestehen zu können und um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ermöglichen, sich weiterzuentwickeln – fachlich ebenso wie persönlich”, betont er. Weiterbildung wird gefördert, unabhängig von Alter, der Position oder den individuellen Karrierezielen. Die weltweit tätige Allianz-Gruppe habe im Vorjahr über 100 Millionen Euro in Mitarbeiter-Weiterbildung investiert. „In Österreich hat jeder Mitarbeiter 2024 durchschnittlich 65 Fortbildungsstunden absolviert.” Schon bei der Einstellung neuer Mitarbeiter werde auf ein „Growth Mindset” geachtet, dass die Bereitschaft zu ständiger Weiterentwicklung mit umfasst, betont Weinhofer. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind angehalten, das Ziel von mindestens 50 Lernstunden jährlich zu erreichen.” Der Allianz-Lernansatz geht von einem 70-20-10-Modell aus: 70 Prozent des Lernens erfolgen on the job, 20 Prozent durch soziale Interaktion und zehn Prozent über formale Lernformen. Es gibt verpflichtende Schulungen, etwa zu branchenrelevanten gesetzlichen Grundlagen sowie strukturierte Entwicklungs- und Bildungspfade für bestimmte Mitarbeiter-Gruppen und individuell gestaltete Weiterbildungsmöglichkeiten, „um den unterschiedlichen Lernbedürfnissen gerecht zu werden”, so Weinhofer. Generell, so betont er, sei kontinuierliche Weiterbildung in der Finanzdienstleistungsbranche unerlässlich, da sich Kundenbedürfnisse und Marktbedingungen ständig ändern.
Wettbewerbsfähig bleiben
Das gilt auch in jenen Wirtschaftssektoren, die in den letzten Jahren starkem technologischem Wandel unterworfen waren und sind – wie etwa die Gebäudetechnik. „In unserer Branche hat man keine Chance als Unternehmen, wenn man den Zug vorbeirauschen lässt und nicht auf laufende Weiterbildung setzt”, sagt Robert Breitschopf, Innungsmeister der Wiener Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker. Derzeit wird überlegt, die Lehre von drei auf dreieinhalb Jahre zu verlängern, weil Innovationen, neue Techniken und Materialien den Lernaufwand stark erhöht haben. Aber auch arrivierte Fachkräfte und die Unternehmer selbst müssen ihr Fachwissen up to date halten, betont der Innungsmeister. In seiner Branche gebe es viele Schulungsangebote durch Produktpartner – was er auch in seinem eigenen Betrieb laufend nutzt, „für mich selbst und meine Mitarbeiter.” Dazu bietet die Innung in ihrem SHL-Kompetenzcenter in Floridsdorf den Mitgliedern branchenspezifische Kurse an. Generell sieht Breitschopf seine Branche fachlich top aufgestellt – und das unabhängig von der Betriebsgröße. Auch KMU leisten viel wichtige Bildungsarbeit, betont er. Denn klar sei: „Wer bildungsmäßig nicht Gas gibt und ständig auf dem Laufenden ist, hat keine Chance am Markt und wird vom Mitbewerb überholt.”
Kompetenzerwerb wird wichtiger
Die Bedeutung von Weiterbildung erhöht sich, ist auch Thomas Mayr, Geschäftsführer des ibw (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft) sicher. Unternehmen stehen vor neuen Kompetenzherausforderungen aufgrund des demografischen Wandels – Babyboomer treten nach und nach ihre Pension an, aber weniger Personen rücken am Arbeitsmarkt nach. „Dies wird teilweise noch in vielen Betrieben unterschätzt. Bei Fachkräftemangel muss es Unternehmen gelingen, die Herausforderungen mit der bestehenden Belegschaft zu bewältigen und diese selbst auszubilden.” Doch Kompetenzerwerb ist mehr als nur formale (Weiter)Bildung. Auch Learning by doing, der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Lernstrecken auf online Lernplattformen und selbst das Ansehen eines YouTube-Tutorials kann Weiterbildung sein. Unternehmen sollen ein lernförderliches Arbeitsumfeld schaffen, in dem Mitarbeitende im Team Fragen stellen und voneinander lernen können”, betont Mayr (siehe Interview unten).
Industriebetrieb setzt auf Wachstum
Auf eine offene Lernkultur setzt auch der Baustoffproduzent Holcim Österreich mit Sitz in Wien. Mitarbeitenden wird mit der Holcim Academy ein internes Weiterbildungsprogramm geboten. Diese richtet sich besonders an Kolleginnen und Kollegen, die Führungsverantwortung oder komplexere Rollen übernehmen möchten. Marijana Hajder, Head of People, unterstreicht: „Ziel ist es, Wissen zu erweitern und Talente gezielt zu entwickeln. Ein zentrales Anliegen ist mir dabei das Thema gender-balanced Leadership - also ausgewogene Führungsteams aus Frauen und Männern. Hier setzen wir klare Impulse für mehr Chancengleichheit.” Neue Teammitglieder sollten neben fachlicher Kompetenz vor allem Soft Skills wie Eigeninitiative, Teamfähigkeit, Lernbereitschaft und Offenheit für Veränderung mitbringen. „Wir möchten, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten - fachlich und persönlich. Deshalb schaffen wir eine Lernkultur, in der kontinuierliche Weiterentwicklung selbstverständlich ist - unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Rolle im Unternehmen”, so Hajder.
Ruck: Weiterbildung als Kernaufgabe der Interessenvertretung
„Weiterbildung ist ein strategischer Schlüssel zu nachhaltigem Unternehmenserfolg. Betriebe, die ihre Mitarbeiter aktiv beim lebenslangen Lernen unterstützen, sichern sich damit nicht nur Fachwissen, sondern auch Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit. Nur wer in die Kompetenzen seiner Belegschaft investiert, kann langfristig wettbewerbsfähig bleiben und auf neue Marktanforderungen flexibel reagieren”, sagt WK Wien-Präsident Walter Ruck. Die Interessenvertretung selbst sieht Aus- und Weiterbildung als eine ihrer Kernaufgaben und ist mit ihren eigenen vielfältigen Bildungsinstitutionen der größte private Bildungsanbieter Österreichs. Um Betriebe noch mehr zu motivieren, in die lebenslange Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu investieren, macht sich die WK Wien für entsprechende Anreize stark, etwa die Wiedereinführung steuerlicher Begünstigungen für Weiterbildung durch Bildungsprämien oder -freibeträge oder auch den (teilweisen) Ersatz der Arbeitskosten für Zeiten, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bildungsprogramme absolvieren. Maßnahmen, die sich unterm Strich lohnen, ist Ruck sicher. „Lebenslanges Lernen und moderne Angebote in der Weiterbildung bringen nicht nur die Unternehmen und ihre Mitarbeiter voran, sie bilden auch ein zentrales Element für die positive Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts.”