New Work: Büroalltag im Wandel
In den Unternehmen ist Home-Office gelebte Praxis und Desk-Sharing der Trend der Zukunft. Diese Modelle bieten großes Potenzial zu 30 Prozent Flächeneinsparung mitten in Wien.
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Es ist gekommen, um zu bleiben - das Home-Office. 2025 arbeiten 99,4 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen, die Home-Office grundsätzlich ermöglichen. Im Jahr 2022 haben 80 Prozent der Organisationen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Telearbeit angeboten - vor Corona waren es nur 20 Prozent. Dies zeigt der fünfte Office Report 2025 der Wiener Beratungsagentur teamgnesda. Sie hat von März bis Mai 2025 mittels Umfrage Daten von über 201.000 Mitarbeitenden, 156.000 Arbeitsplätzen und rund 4,32 Millionen Quadratmeter Bürofläche in der DACH-Region erhoben.
Flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office-Möglichkeiten, Sharing-Modelle, selbstbestimmtes, sinnstiftendes und teamorientiertes Arbeiten unter Einsatz moderner Technologien - New Work steht für einen Wandel vom traditionellen 9-to-5-Job hin zu bedürfnisorientierten Arbeitsformen. „New Work ist kein Möbelkonzept, sondern ein kulturelles Entwicklungsprojekt mit strategischer Relevanz für alle Unternehmen”, betont Andreas Gnesda, Geschäftsführer von teamgnesda.
Informelle Meetings schaffen Lösungen.
Josip Bajcer
Architekt und CEO von Deskpilot
Anwesenheit im Büro
Der Office Report 2025 zeigt auch: Neun von zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (92 Prozent) haben zwei bis drei Tage Home-Office pro Woche. Sechs Prozent der Beschäftigten arbeiten mehr als drei Tage remote und lediglich kleine Unternehmen bieten wenig bis gar kein Home-Office an. Die Anwesenheit im Büro ist am Dienstag mit 68 Prozent, gefolgt von Mittwoch mit 62 Prozent am höchsten und am Freitag mit 29 Prozent am niedrigsten. Diese Entwicklung macht sich auch durch leere Schreibtische bemerkbar, weshalb manche Unternehmen auf Desk-Sharing, also geteilte Schreibtische setzen.
Desk-Sharing im urbanen Raum
Der Office Report macht deutlich: Die Akzeptanz von Desk-Sharing ist bei 49 Prozent der Befragten sehr hoch bzw. hoch und bei 51 Prozent niedrig bzw. sehr niedrig. Bei 61 Prozent der Unternehmen liegt die Sharing Rate bei 0,5 bis 0,8 Schreibtische pro Mitarbeiter. Bei 27 Prozent ist die Rate höher als 0,8 und bei acht Prozent der Betriebe gibt es kein Sharing-Modell. Bei vier Prozent liegt die Sharing-Ratio jedoch bei 0,2 bis 0,5. Das bedeutet, dass sich zwei bis fünf Mitarbeiter einen Schreibtisch teilen. Dennoch zeigt sich keine nennenswerte Flächenreduktion gegenüber dem „Vor-Corona-Niveau”. 2025 liegt der Flächenverbrauch pro Person im Büro bei 19,5 m2. In Wien gibt es rund elf Millionen m2 Bürofläche. Durch eine Reduktion von zirka 30 Prozent, also um 3,3 Mio. m2 auf 14 m2 pro Person, könnte man flächenmäßig die Bezirke Mariahilf und Neubau oder mehr als die Hälfte des Wiener Praters mitten in der Stadt freispielen. Weniger Fläche bedeutet auch weniger Miete, Betriebskosten, Energieverbrauch und weniger Ressourcenbindung in Beton, Stahl und Glas.
Den richtigen Arbeitsplatz finden
Wie man das Desk-Sharing-Modell optimieren kann, weiß der Wiener Unternehmer Josip Bajcer. Er hat 2023 Deskpilot gegründet - eine Software, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach deren Bedürfnissen auf die verfügbaren Schreibtische aufteilt. Als gelernter Architekt hat er bei einem Forschungsprojekt Büros entworfen und analysiert. Ziel der Simulation war es, die informellen Meetings, z.B. am Gang oder in der Kaffeeküche, zu maximieren, um das Netzwerk zu erweitern und so zu besseren Lösungen zu führen. Dies nennt man den Watercooler-Effekt. Da beim Desk-Sharing oft das First come, first served Prinzip besteht, sind Auslastung, Platzwahl und Durchmischung jedoch nicht optimal. Gemeinsam mit seiner Partnerin Romina Kaus, Expertin für Office Interior Design, hat Bajcer eine Lösung entwickelt. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter buchen nicht mehr selbst, sondern geben anfangs an, wie sie gerne arbeiten und sitzen möchten, z.B. nah am Fenster oder an der Heizung, in einer ruhigen oder belebten Umgebung. Deskpilot bringt mittels KI-Algorithmus die richtigen Leute zusammen. So bekommt jede Person den sinnvollen Arbeitsplatz, den sie braucht, und es kommt zu einem informellen Austausch untereinander”, erklärt Bajcer. Die Software „lernt” aus dem ständigen Feedback der Beschäftigten und baut dieses bei künftigen Zuteilungen ein. Dadurch sollen der Zusammenhalt und die Mitarbeiterzufriedenheit gesteigert und langfristig die Fluktuation gesenkt werden. Weiters wird die Bürofläche die ganze Woche über sinnvoller genutzt. „Wir sehen, dass Mittwochvormittag, wo die meisten Menschen im Büro sind, ein Peak erreicht wird und Besprechungsräume ausgebucht sind. Mit Deskpilot flacht diese Spitze ab und die Anwesenheit verteilt sich über die ganze Woche”, so Bajcer. In den letzten Jahren erkennt er einen klaren Trend zum Open Office, doch „ideal wären kleingliedrige Büros für vier bis sechs Personen, die Privatsphäre schaffen und die soziale Interaktion fördern”, erklärt Bajcer.
Coworking mit Mehrwert
Ein weiteres New Work Modell sind Coworking Spaces wie der Impact Hub Vienna. 190 Unternehmen und 400 Mitglieder nutzen auf drei Stockwerken gemeinsame Büroflächen, Meetingräume und Schreibtische. Das Coworking richtet sich vor allem an Start-ups und Mitarbeitende, die sich für einen sozialen oder ökologischen Mehrwert einsetzen. Es gibt verschiedene Nutzungsmodelle: von einem Büro-Tag im Monat bis zu unbegrenztem Zugang. Kontrollen gibt es dabei nicht, denn „wir arbeiten vertrauensbasiert und haben in den letzten 15 Jahren gute Erfahrungen gemacht”, erzählt Location Managerin Raphaela Stock. Es gibt kein Online-Buchungssystem, aber die Mitglieder finden immer einen Platz. Es gibt auch eine Lounge Area für informelles Arbeiten bequem im Liegen. „Kollaboration wird bei uns großgeschrieben. Wir wollen nicht nur ein Coworking-Netzwerk sein, sondern ein Community-Space, wo sich Mitglieder persönlich austauschen, neue Impulse geben und an Netzwerkevents teilnehmen. Wir bringen Menschen zusammen, die die Welt ein Stück besser machen wollen”, so Stock.
Das Gemeinschaftliche steht im Vordergrund.
Raphaela Stock
Location Managerin Impact Hub Vienna
Office Report 2025
- 68 % der Belegschaft sind am Dienstag, dem stärksten Tag der Woche, im Büro anwesend. Freitags sind es 29 Prozent.
- 61 % der befragten Unternehmen haben eine Sharing Ratio von 0,5 bis 0,8 Schreibtische pro Mitarbeiter
- 19,5 m2 Flächenverbrauch hat jeder Mitarbeitende durchschnittlich im Büro.
- 11 Mio. m2 Bürofläche gibt es in Wien.
- 30 % also 3,3 Mio. m2 Bürofläche könnten reduziert werden - das wäre mehr als die Hälfte des Wiener Praters.