Sport bewegt die Stadt
Sport schafft Arbeitsplätze, belebt den Tourismus und stärkt die lokale Wirtschaft. Welche Bedeutung das Thema Sport für den Wirtschaftsstandort Wien hat und welche Branchen daran hängen.
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Mehr als 45.000 Läuferinnen und Läufer aus 130 Ländern, die die verschiedenen Streckendistanzen - Marathon, Halbmarathon, Staffelmarathon, 5-km-Lauf rund um den Ring, Kinder-, Jugend- und Barrierefrei-Bewerbe - in Angriff nehmen. 300.000 Fans, die die Strecke bevölkern und die Sportlerinnen und Sportler anfeuern. Jedes Frühjahr gehört Wien ein Wochenende lang begeisterten Profi- und Hobbyläufern aus aller Welt.
Der Vienna City Marathon ist aber nicht nur ein sportliches Großereignis und eine Herausforderung für Organisatoren und die Stadtverwaltung, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor. Mehr als 130.000 Nächtigungen alljährlich allein am Veranstaltungswochenende gehen auf sein Konto. Die gesamte Wertschöpfung wird auf rund 30 Millionen Euro geschätzt. Der Vienna City Marathon ist das größte, aber weitaus nicht einzige Laufevent, mit dem Wien sich schmücken kann: Vom Österreichischen Frauenlauf über den Wings for Life-Run, Vienna Night Run, Business Run und Silvesterlauf bis zu kleineren Events auf Vereins-, Bezirks- oder Firmeninitiative - die Liste ist lang.
Gerade im Laufsport hat Wien definitiv eine Headquarterfunktion.

Michaela Holodniak
Geschäftsführerin „Tony’s Laufshop“
Doch auch für Fans anderer Sportarten hat die Stadt einiges zu bieten. Sei es das ATP 500-Tennisturnier in der Wiener Stadthalle, die Mountainbike- und Motocross-Show Masters of Dirt oder Matches des österreichischen Fußball- oder Handball-Nationalteams. Wien glänzte auch schon als Austragungsort internationaler Großevents wie den Fußball- (2008) und Beachvolleyball-Europameisterschaften (2023).
Laut Stadt Wien gingen 2023 mehr als tausend Sportveranstaltungen mit über einer Million Besucherinnen und Besucher in der Bundeshauptstadt über die Bühne. Die Stadt verweist in ihrer Statistik darauf, dass in Wien mehr als 120 Sportarten ausgeübt werden können. Es gibt 150 Großsportanlagen, darunter sechs Fußballstadien, zwei große Indoor-Eislaufarenen, 24 Tennisanlagen, rund 50 Bäder und 40 Skater-Anlagen, nicht zu vergessen die 14 Stadtwanderwege. Insgesamt verfügt Wien über 9,8 Millionen Quadratmeter an Sportflächen, mehr als 3000 Sportvereine sind hier aktiv.
Sport als wichtiger Wirtschaftsfaktor
Die vielfältigen sportlichen Möglichkeiten sind Teil der hohen Lebensqualität in Wien. Sport ist aber auch ein echter Wirtschaftsfaktor. Das Institut für Sportökonomie, SportsEconAustria (SpEA), bezifferte 2019 den Beitrag der Sportwirtschaft zur Wiener Wertschöpfung in selbigem Kalenderjahr mit 2,4 Milliarden Euro, das ist ein Zehntel der österreichweiten Summe. Erfasst sind sowohl direkt als auch indirekt induzierte Effekte. „Die Sportwirtschaft umfasst alles, was den Sport direkt betrifft, von diesem benötigt oder durch ihn ermöglicht wird”, betont Miriam Groß, Senior Researcher bei SpEA. Definiert man die Sportwirtschaft in diesem Sinn, so schafft und sichert sie österreichweit 7,7 Prozent aller Arbeitsplätze und generiert mehr als acht Milliarden an Steuern und Abgaben (siehe Kasten unten).
Auch für den Tourismus spielt Sport eine wesentliche Rolle - wenngleich diese in Wien vergleichsweise kleiner ausfällt als etwa in den wintersportstarken Bundesländern. Dafür punktet Wien mit den Vorteilen einer Großstadt, betont Groß. „Manche sportrelevanten Sektoren und Aktivitäten profitieren allein von der Größe der sportaffinen Bevölkerung.” Dazu seien in Wien auch viele am Sport hängenden Zulieferer und Dienstleistungen sowie Administration, Forschung und Beratung rund um diesen Sektor konzentriert.
Branchenübergreifendes Thema
Mit dem Thema Sport sind viele Wirtschaftsbranchen verbunden: Von Veranstaltern, Sportanlagenbetreibern, Sportartikelproduzenten und -händlern über den Freizeit- und Gesundheitssektor bis zu Sportwetten, -marketing und -sponsoring, Sport-Ausbildung, -Forschung, -Journalismus, dem IT- und Softwaresektor für Sportanalysen, E-Sports (siehe Seite 8) oder Ticket-Plattformen, dem Bausektor für Sportstättenbau sowie Sport-Recht, Sport-Versicherungen und - last, not least - dem Sporttourismus.
Das Geschäft mit Ausrüstungen ist in diesem Portfolio ein wichtiges Segment. In Wien gibt es 333 Sportartikelhändler und 140 Fahrrad-Händler. Neben großen, breit aufgestellten Ketten sind darunter auch zahlreiche inhabergeführte Geschäfte, die sich auf bestimmte Sportarten spezialisiert haben.
In Wien läuft’s sportlich
Eines dieser Unternehmen ist Tony’s Laufshop. Der Familienbetrieb in der Leopoldstadt existiert seit 42 Jahren und bietet außergewöhnliche sportliche Dienstleistungen für passionierte Läuferinnen und Läufer an. Denn hier wird der passende Laufschuh adäquat für die Beschaffenheit der Füße und der Laufanforderung, z.B. mehr Beton oder mehr Waldgebiet, ausgesucht.
Gerade im Laufsport hat Wien definitiv eine Headquarterfunktion, ist Michaela Holodniak, Chefin von Tony’s Laufshop, überzeugt. Sie sieht ihr Haus als Fixpunkt der Laufszene: „Wir bezeichnen uns gern als Platzhirsch - wir sind der älteste Laufshop Österreichs und bringen die meiste Erfahrung mit.” Die Latte liege hoch, spürbar an der Stammkundentreue und Empfehlungen von Ärzten und Therapeuten.
Als Familienbetrieb setze man intern Maßstäbe und wolle mit gutem Beispiel voran gehen: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absolvieren jedes Jahr einen Marathon. Training und Arbeitsweg gehen bei uns oft Hand in Hand. Geduscht wird in der Arbeit”, betont Holodniak, die sich wünscht, dass mehr Arbeitgeber ihrer Belegschaft diese Möglichkeit einräumen. „Die Lauf-Communities wachsen - Corona und Social Media haben viele in den Laufsport gebracht”, sagt Holodniak, selbst passionierte Marathonläuferin. Wien profitiere vom wachsenden Lauftrend, der sich in Gruppenläufen und einer sichtbaren Alltagslaufkultur widerspiegelt.
Zentraler Motor bleibt laut Holodniak der Vienna City Marathon. Für den Standort und den Shop enorm wichtig - sportlich wie wirtschaftlich. Zugleich sieht sie Potenzial nach oben: „Andere Großstädte bringen bis zu 50.000 Marathonläuferinnen und -läufer an den Start, Wien keine 8000 - da wäre mehr drinnen, gerade weil Wien so gute Voraussetzungen bietet.”
Auch produktionstechnisch hat sich mittlerweile bei den Laufschuhen viel getan: Carbon-Platten im Speed-Bereich, spürbar mehr Komfort insgesamt und der Sneaker-Trend, der Laufmodelle alltagsfähig macht. Holodniaks Ausblick für den Laufsport ist positiv: „Noch mehr Menschen werden entdecken, wie bequem der passende Laufschuh ist. Ich sehe das als positive Entwicklung für Wien, für die Szene und am Ende als gut für die Gesundheit.”
Wien investiert in Sportstätten
Laut der Statistik-Plattform statista.com treiben sieben von zehn Österreichern mindestens einmal pro Woche Sport - am häufigsten Radeln und Schwimmen. Von der Bewegungsfreude der Bevölkerung leben auch die rund 230 Wiener Fitnessstudios und 1000 Fitnesstrainer, die ihre Kundinnen und Kunden auf dem Weg zu einem gesünderen Lebensstil und positivem Körperbewusstsein unterstützen.
Generell, so konstatiert SpEA, treibe die Bevölkerung aber immer weniger Sport - eine Herausforderung für die Sportwirtschaft. Auch große Themen wie Klimawandel, geopolitische Veränderungen und Handelshemmnisse tangieren den Sektor. Die getrübte Konjunkturlage senkt dazu die Nachfrage nach Sportgütern und -dienstleistungen - Sport ist kein essenzielles Gut, daher kann hier gespart werden.
Wien setzt dennoch auf eine sportliche Zukunft. Der 2020 von der Stadt präsentierte Sportstätten-Entwicklungsplan sieht bis 2030 Investitionen von 400 Millionen Euro für den Ausbau, die Modernisierung und den Neubau von Sportanlagen vor. Bereits fast fertig ist die anstelle des früheren Dusika-Stadions errichtete Sport Arena. Sie bietet drei multifunktionale Hallen mit insgesamt 13.000 m2 Fläche für verschiedenste Sportarten. In der Seestadt Aspern entsteht ein 55.000 m2 großes Trainingszentrum für den Österreichischen Fußballbund. Außerdem werden bestehende Sportanlagen nachhaltig saniert und mit modernster Technik ausgestattet. So soll sichergestellt werden, dass die Stadt auch in Zukunft beste Bedingungen für Spitzen- und Breitensport bieten kann.
Wien als Weltstadt mit multikultureller Vielfalt hat bedeutendes Potenzial, die Sportwirtschaft zu fördern und somit als Standort zu stärken.

Miriam Groß
Senior Researcher bei SportsEconAustria (SpEA), Institut für Sportökonomie
Wirtschaftsfaktor Sport*
- 24 Mrd. Euro Beitrag zur österreichischen Bruttowertschöpfung, das entspricht 5,7 % der Gesamtwertschöpfung
- 6,8 % Anteil am BIP (EU-weit: 2,1 %)
- 357.000 Beschäftigte in der Sportwirtschaft = 7,7 % aller Erwerbstätigen
- 63 Mio. sportrelevante Nächtigungen pro Jahr
- 8,4 Mrd. Euro generierte Steuern und Abgaben
in Wien
- 10 % der durch Sport generierten Bruttowertschöpfung
= 2,4 Mrd. Euro- davon entfallen etwa - 400 Mio. Euro auf die Kernaktivitäten des Sports (Betrieb von Sportanlagen, Fitnesszentren, Dienstleistungen der Sportvereine, sonstige Dienstleistungen im Sport wie Tätigkeit von Sportligen und Schiedsrichtern).
- 150 Sportanlagen
- > 3000 Sportvereine
- 9,8 Mio. m2 an Sportstätten-Fläche
*Quelle: SportsEconAustria; Sport Austria