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Wien
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Wie Wien von der EU profitiert

Vor 30 Jahren begann Österreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Wien rückte damit ins Zentrum von Europa – für die Wirtschaft ein entscheidender Schritt.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 22.10.2025

Es war ein Schritt, der Österreich nachhaltig prägte: Am 1. Jänner 1995 trat das Land der Europäischen Union bei – gemeinsam mit Finnland und Schweden. Österreich ist damit vom Rand des europäischen Westens ins Zentrum Europas gerückt – besonders nach der Erweiterung 2004, bei der acht osteuropäische Länder sowie Zypern und Malta der Union beitraten. Rumänien und Bulgarien folgten 2007, Kroatien 2013.

Die EU bildet den Rahmen, damit unser Land sich weiter erfolgreich entwickeln kann.

Heute zählt die Gemeinschaft 27 Staaten mit 448 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und erwirtschaftet 15 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Innerhalb des Binnenmarktes – zu dem auch Norwegen, Island und Liechtenstein sowie teilweise die Schweiz Zugang haben – gelten die vier Grundfreiheiten des freien Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs sowie der Dienstleistungsfreiheit. 20 der 27 Mitgliedsländer haben mit dem Euro seit 2002 eine gemeinsame Währung.

Johannes Homa Horizon Europe ist für uns zentral.
Johannes Homa, CEO Lithoz GmbH
   „30 Jahre EU-Mitgliedschaft haben Österreich als Forschungs- und Innovationsstandort enorm geprägt. Auch für uns bei Lithoz war dieser Weg entscheidend. Als aus der Universität hervorgegangenes Unternehmen sind wir bis heute eng mit der Wissenschaft verbunden. Diese Verbindung ist Teil unserer DNA – sie ermöglicht uns einen kontinuierlichen Wissenstransfer. Ein zentraler Teil dieses Transfers sind die durch Horizon Europe geförderten Forschungsprojekte, in denen Lithoz mit exzellenten Forschungspartnern aus ganz Europa zusammenarbeitet, um Lithoz’ Technologien und Materialien neu- und weiterzuentwickeln. Im Projekt Triathlon etwa entwickeln wir gemeinsam mit Partnern Wärmetauscher aus Aluminium-Nitrid, die in wasserstoff-elektrischen Antriebssystemen zum Einsatz kommen. Das Projekt ReBone wiederum revolutioniert den Knochenersatz durch patientenspezifische, bioaktive 3D-gedruckte Implantate.“

Dazu wurden und werden viele Rechtsbereiche harmonisiert. Realisiert wird das durch EU-weit geltende Gesetze, häufiger aber durch Richtlinien und Verordnungen, die von den Mitgliedstaaten über nationale Rechtsvorschriften umgesetzt werden. So sollen der Binnenmarkt weiter vereinheitlicht, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle geschaffen und dieselben innergemeinschaftlichen Standards gesetzt werden. Ziel ist, Europa dadurch zu einen und im weltpolitischen Gefüge zu stärken.

EU sorgt für Aufschwung

Unser Land hat vom Beitritt zur EU enorm profitiert. Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand sind seither deutlich gestiegen. Die internationale Verflechtung der heimischen Wirtschaft nahm stark zu: Lag die Exportquote beim EU-Beitritt noch bei 33,6 Prozent, so erreichte sie zuletzt (2024) fast 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zwei Drittel der Warenexporte und drei Viertel der Dienstleistungsexporte gehen in die EU-Länder.

Hartwig Löger Von Österreich aus zur Nummer 1 in CEE
Hartwig Löger, CEO der Vienna Insurance Group
„Die Vienna Insurance Group (VIG) erlebte durch den EU-Beitritt Österreichs und die darauffolgende EU-Osterweiterung entscheidende Meilensteine auf ihrem Weg von einem führenden lokalen österreichischen Unternehmen zu einem internationalen Marktführer. Der EU-Beitritt 1995 eröffnete unserer Gruppe neue wirtschaftliche Investitions- und Entwicklungsmöglichkeiten, die durch die EU-Osterweiterung 2004 einen weiteren bedeutenden Expansionsschub erhielten. Wir konnten von den florierenden Volkswirtschaften profitieren und uns schrittweise zur größten Versicherungsgruppe in der CEE-Region entwickeln. Heute sind wir in 30 europäischen Ländern mit über 50 Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen aktiv. Ich betrachte den Beitritt Österreichs und dessen starke Unterstützung für die EU-Osterweiterung als eine der bedeutendsten geopolitischen Entscheidungen in der EU.“

Wien profitiert besonders

Auf Wien hatte der EU-Beitritt Österreichs besonders positive Auswirkungen, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt. Seit 1995 haben sich die Exporte aus Wien in die EU-Staaten fast verdreifacht. „Die Wiener Exportwirtschaft verdient heute sieben von zehn Euro in der EU“, sagt Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien. Der prozentuelle Anteil der Exporte in die EU ist in Wien seit dem Beitritt Österreichs um 26 Prozentpunkte gestiegen – doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt. Die Funktion als Verwaltungs-, Bildungs- und Dienstleistungszentrum, die exzellente Infrastruktur und vor allem die Nähe zu Osteuropa machte Wien nach dem EU-Beitritt für internationale Unternehmen besonders interessant. Jedes zweite ausländische Unternehmen, das sich in Österreich ansiedelt, wählt die Bundeshauptstadt als Standort. „Viele dieser Betriebe sahen und sehen Wien als optimale Brücke nach Osteuropa. Und immer öfter lassen sich auch osteuropäische Firmen in Wien nieder, um von hier aus den Westen Europas zu bearbeiten“, so Ruck. Zudem sei die Stadt auch für internationale Investoren spannend: Mehr als 60 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Österreich fließen nach Wien.

Birgit Rechberger EU schafft Rechtssicherheit
Birgit Rechberger-Krammer, Präsidentin von Henkel in Österreich
„Der österreichische EU-Beitritt hat uns als Standort vor allem in Kombination mit der Ostöffnung 1989 aufgewertet und abgesichert. Ohne ein vereintes Europa und seine Freiheiten gäbe es uns in Österreich in dieser Form und mit dieser Ausstattung nicht mehr: Wir produzieren in Erdberg mit hohem Exportanteil flüssige Wasch- und Reinigungsmittel und steuern von hier aus die Region Mittel- und Osteuropa. Henkel betreibt in Meidling ein Zentrallager, um Kunden in den Nachbarländern zu beliefern, und außerdem eine top-moderne Friseur-Akademie am Kärntnerring. Damit verbunden sind jährliche Investitionen in der Höhe von im Schnitt zehn Millionen Euro. Durch die EU-Mitgliedschaft gibt es gerade für international tätige Unternehmen eine Rechtssicherheit, die aufgrund zunehmend stärkerer geopolitischer Verwerfungen immer wichtiger wird.“

EU als Motor für Forschung in Wien

Ein weiterer Positiv-Effekt: Wien zählt heute zu den attraktivsten Regionen in Europa für Forschung und Entwicklung. Seit 2021 flossen mehr Fördergelder aus EU-F&E-Programmen hierher als in alle anderen Bundesländer zusammen. Mit 3,95 Prozent lag Wiens F&E-Quote laut Statistik Austria im Jahr 2023 weit über dem EU-Durchschnitt von 2,24 Prozent. „Die EU hat nicht nur Forschung gefördert – sie hat Vernetzung, Fortschritt und Mut zur Veränderung möglich gemacht“, sagt Johannes Homa, CEO des Wiener 3D-Druckspezialisten Lithoz. „Genau diese Offenheit ist es, die Innovation in Europa lebendig hält – und die auch für Lithoz zum Motor unseres Erfolgs geworden ist.“ Lithoz hat bereits mehr als ein Dutzend Projekte im Rahmen des EU-Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe abgewickelt.

Schilling Europa ist ein gemeinsamer Qualitätsraum.
Gerhard Schilling, Geschäftsführer von Almdudler
Die Kräuterlimonade „Almdudler“ wurde 1957 in Wien gegründet und ist nun in mehreren Ländern Mitteleuropas tätig. „Der EU-Beitritt Österreichs war auch für Almdudler ein wichtiger Schritt in Richtung wirtschaftlicher Öffnung. Der erleichterte Warenverkehr und die einheitlichen Rahmenbedingungen haben uns dabei geholfen, unsere Präsenz in europäischen Märkten – allen voran in Deutschland – nachhaltig auszubauen. Heute ist Deutschland nach Österreich unser wichtigster Markt. Gleichzeitig hat der europäische Binnenmarkt dazu beigetragen, Partnerschaften mit regionalen Abfüllbetrieben und Vertriebspartnern zu vertiefen. Für ein österreichisches Familienunternehmen wie Almdudler ist Europa damit nicht nur ein Absatzraum, sondern ein gemeinsamer Werte- und Qualitätsraum, in dem unser Original zu Hause ist“, so CEO Gerhard Schilling.

Zukunft aktiv mitgestalten

Die Wirtschaftskammer rückt die erfolgreiche Entwicklung Österreichs aufgrund des EU-Beitritts nun mit einer Kampagne ins rechte Licht, die anhand von Zahlen und Fakten die vielen Positiv-Effekte veranschaulicht. „Die Mitgliedschaft in der EU förderte Wiens wirtschaftlichen Erfolg und brachte Wohlstand für unsere Gesellschaft“, betont WK Wien-Präsident Ruck. Nun gelte es, Misstrauen gegen die EU zu reduzieren, stattdessen an der europäischen Vision festzuhalten und die Zukunft Europas aktiv mitzugestalten, betont Ruck. „Denn ein geeintes Europa bietet den Rahmen, dass unser Land sich weiter erfolgreich entwickeln kann.“ Auch die Positionierung im globalen Wettbewerb, Sicherheitsfragen sowie das Thema Technologiesouveränität könne Europa gemeinsam besser lösen. Gemessen am BIP ist die EU nach den USA der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt – entsprechend selbstbewusst müsse sie auch auftreten, so Ruck.

EU Effekte für Wien
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