So funktioniert die Energiewende: Ein Blick nach Dänemark
Dänemark verbindet Klimaziele, Innovation und Bürgerbeteiligung zu einem erfolgreichen Energiesystem – und welche Chancen sich daraus für Österreich ergeben
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Dänemark Energiewirtschaft Erneuerbare EnergienWie wird aus Klimazielen Realität? In Dänemark bekommt man die Antwort: Erneuerbare Energien und technologische Innovationen werden systematisch in ein national abgestimmtes Energiesystem integriert, wodurch die Energiewende greifbar wird. Wer einen Blick nach Norden wirft, sieht nicht nur, wie das Land plant seine Klimaziele zu erreichen, sondern entdeckt auch, wo österreichische Unternehmen mitmischen, Know-how einbringen und gemeinsame Projekte realisieren können.
Seit Juli 2025 hat Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft inne. In dieser Rolle kann das Land Impulse setzen und Themen ins Rampenlicht rücken – und setzt den Fokus u.a. auf erneuerbare Energie.
Energiekrise als Sprungbrett
Dänemarks Stellung als Vorreiter hat sich aus der Reaktion der Politik auf die Ölkrise in den 1970er Jahren entwickelt. Durch diese ist die starke Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Es war klar: Eine Diversifizierung der Energieversorgung ist notwendig, um die Energiesicherheit zu erhöhen und die nationale Wirtschaft zu stabilisieren. Erste Maßnahmen umfassten die Einführung von Energiesparprogrammen für Haushalte und die Förderung lokaler Energieprojekte, darunter erste Windkraftanlagen.
Doch der eigentliche Vorstoß in den Bereich der erneuerbaren Energien erfolgte nicht aus Gründen des Klimaschutzes, sondern wurde von wirtschaftlichen Interessen getrieben. Anfang der 1980er-Jahre lieferte Dänemark seine Windkrafttechnologie nach Kalifornien für den legendären Windpark am San-Gorgonio-Pass. Aufträge, Arbeitsplätze und ein junger Industriezweig entstanden – aus wirtschaftlicher Notwendigkeit wurde die Basis für eine führende Windindustrie.
Politik und Klima Hand in Hand
Heute zeigt Dänemark, wie konsequent Klimapolitik funktionieren kann. Mit dem Klimagesetz von 2020 verpflichtet sich das Land, seine CO₂-Emissionen bis 2030 um 70 % gegenüber 1990 zu senken und bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden – und das ist mehr als nur ein politisches Versprechen. Um diese Ziele zu erreichen, setzt Dänemark auf eine ganze Reihe von Maßnahmen: Eine Steuerreform verteuert fossile Brennstoffe und belohnt klimafreundliche Investitionen, wodurch sich Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich lohnt. Unternehmen werden zusätzlich mit Anreizen für grüne Technologien unterstützt, etwa durch steuerliche Vorteile, wenn sie in erneuerbare Energie oder energieeffiziente Anlagen investieren. Alle fünf Jahre legt die Regierung neue Klimapläne und Zwischenziele vor, die von unabhängigen Expert:innen überprüft werden – Transparenz und Kontrolle sind so fest verankert.
Von NIMBY zu PIMBY
Doch die Vision eines energieneutralen Dänemarks stößt an ihre Grenzen: In vielen Gemeinden formieren sich Protestbewegungen, die einen Baustopp fordern – der Widerstand gegen Windräder und Solarfelder prägt die aktuelle Medienlandschaft. Der sogenannte NIMBY-Effekt („Not in my backyard“) bremst die Energiewende: Innovation trifft auf Ablehnung.
Zwar befürworten die meisten Dän:innen den Ausbau erneuerbarer Energien, doch bitte nicht direkt vor der eigenen Haustür. Da sich grüne Infrastruktur nicht immer elegant im Stadtbild verstecken lässt, geht Dänemark nun neue Wege: Die Energiewende wird hier zu einem demokratischen Prozess, bei dem Bürger:innen von der öffentlichen Diskussion bis zur lokalen Genehmigung eingebunden werden. Ein Beteiligungsmodell sorgt zudem für echte Mitbestimmung: Anwohner:innen können Anteile an Windkraftprojekten erwerben und ein „grüner Fonds“ verpflichtet Betreiber, einen Teil ihrer Einnahmen an die Gemeinden abzuführen – Geld, das in lokale Projekte und neue Lebensqualität investiert wird. So wird aus „Nicht in meinem Garten“ ein „Bitte bei mir!“ und die Energiewende zu einem gemeinsamen Erfolg.
Dänemarks Fahrplan in die Zukunft
Doch wie möchte Dänemark seine selbst gesteckten Klimaziele erreichen? Das Land verfolgt eine breit angelegte Strategie, die auf einer Kombination aus erneuerbaren Energien, technologischer Innovation und sektorübergreifender Integration basiert. Aufgrund seiner geografisch vorteilhaften Lage am Meer bietet sich vor allem die Nutzung der Windenergie an. Sie bildet das Rückgrat der dänischen Stromversorgung: Bereits heute stammen rund 60 % der gesamten Stromerzeugung aus Windkraft, Tendenz steigend. Durch den kontinuierlichen Ausbau von Onshore- und insbesondere Offshore-Windparks wie „Thor“, „Horns Rev 3“ oder die geplante „Bornholm Energy Island“ sollen bis 2030 über 80 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Millionen Haushalte werden dadurch bereits jetzt mit sauberer Energie versorgt.
Parallel dazu wird der Ausbau der Solarenergie massiv forciert: Bis Ende 2024 betrug die installierte Solarleistung über 4 GW – ein Rekordwert für das nordeuropäische Land.
Auch im Wärmesektor schreitet die Transformation voran. In vielen Städten werden alte Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen und Fernwärmenetze ersetzt, die mit überschüssiger Windenergie betrieben werden. Und in ländlichen Regionen wird vermehrt auf Biomasse und Biogas gesetzt. Aus Abfällen und Reststoffen kann Energie für Heizung und Strom auf nachhaltige Weise gewonnen werden.
Vom Wind zum Wasserstoff
Ein zentraler Baustein der Wende ist die Sektorkopplung: Strom, Wärme, Verkehr und Industrie werden vernetzt, um Energieüberschüsse effizient zu nutzen und fossile Brennstoffe zu ersetzen. Überschüssiger Windstrom fließt in Fernwärmesysteme oder wird mittels Power-to-X in Wasserstoff umgewandelt und kann so als Treibstoff für Schiffe, Flugzeuge oder für industrielle Prozesse genutzt werden. Diese intelligente Verbindung stabilisiert das Netz und spart Energieverluste ein. Und das mit Erfolg: April 2025 wurde der erste staatlich anerkannte Energie-Hub Dänemarks, der „Energy Hub Holstebro“ eröffnet. Auf 428 Hektar befindet sich nun ein Zentrum für großskalige Power-to-X Produktion, welche Offshore-Windstrom aus der Nordsee in grünen Wasserstoff und andere klimafreundliche Kraftstoffe umwandeln soll.
Wo österreichische Unternehmen mitmischen können
Dänemarks Energiewende ist nicht nur ein Vorzeigeprojekt für Klimaschutz, sie bietet auch Österreich jede Menge Chancen. Vor allem Unternehmen, die sich mit Biomasse, Smart Grids, Wärmepumpen oder Wasserstofftechnologien auskennen, können hier mitmischen – sei es bei gemeinsamen Projekten oder beim Export von Know-how und Technologien. Selbst Offshore-Windparks, wie sie Dänemark vor der Nordsee plant, eröffnen für österreichische Firmen Möglichkeiten, etwa in der Planung, im Engineering oder bei Energiespeicher-Lösungen.