Niederlande: Aktuelle Informationen betreffend Halbleiterproduzent Nexperia
Auswirkungen auch auf die Automobilindustrie in Österreich
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Niederlande Elektro/Elektronik/MechatronikHintergrund
Der niederländisch-chinesische Halbleiterhersteller Nexperia (ein spin-off von NXP Semiconductors), spielt eine entscheidende Rolle im europäischen Halbleiterökosystem. 2018 übernahm der chinesische Konzern Wingtech die niederländische Nexperia, dessen chinesischem CEO werden nunmehr Malversationen vorgeworfen. Es kam zu einer quais „Verstaatlichung“ durch die niederländische Regierung und eine abrupten Reaktion der V.R. China. Weltweit unterhält Nexperia 15.000 Mitarbeiter:innen und hat einen Umsatz von EUR 2,4 Mrd.. Die technologischen Wissenszentren von Nexperia sind in den Niederlanden und in den USA.
Am 30.09. übernahm der niederländische Wirtschaftsminister in einem noch nie dagewesenen Schritt und basierend auf einem Sondergesetz der 1950er Jahre die Kontrolle über den Halbleiterhersteller Nexperia. Dieser Schritt wurde offenbar ohne direkter Befassung der niederländischen Regierung oder Kontaktnahme mit betroffenen Partnerländern (v.a. Deutschland und Vereinigtes Königreich) oder der Europäischen Kommission gesetzt. Es handelt sich um absolut kritische Infrastrukturprodukte für die EU im Allgemeinen und für v.a. die Automotivindustrie im Besonderen. Die Auswirkungen auf diese Industrie sind noch nicht absehbar und schwer einzuschätzen.
Bedeutung der niederländischen Firma Nexperia
Der Weltmarktanteil der niederländischen Firma Nexperia mit Sitz in Nijmegen in den Niederlanden und Produktionsstandorten in Hamburg und Großbritannien liegt im Automobilsektor bei 40%. Nexperia ist einer der Hauptproduzenten (25%) sogenannter Legacy Chips, das sind Halbleiter, die weit verbreitete Verwendung finden, z.B. in Automobilen, Haushaltsgeräten, Solaranlagen aber auch Mobiltelefonen. Diese repräsentieren weltweit 10% aller verbauten Halbleiter. Die Fertigstellung der in Europa produzierten Chips, geschieht in Werken in Südchina (Provinz Guangdong; ca. 70% der Nexperia-Chips) sowie Philippinen und Malaysia (zusammen ca. 30%).
Rechtliche Konsequenzen
Die Unternehmenskammer des Amsterdamer Gerichtshofs hat am 13. Oktober 2025 die unmittelbare Suspendierung des CEO Xuezheng ZHANG sowie das Einfrieren aller Unternehmensanteile von Nexperia, was Anteile im indirekten Besitz von ZHANG Xuezheng (60%) und der chinesischen Regierung (40%) betrifft. Dieser Schritt sei auf Anfrage der Nexperia Vorstandsmitglieder in den Niederlanden geschehen, die dem CEO unterstellten, nicht im Interesse des Unternehmens zu handeln. Auf der Nexperia Website wird der derzeitige CFO Stefan Tilger als CEO a.i. geführt. Aus Sicht des niederländischen Wirtschaftsministeriums sei eine derartige Maßnahme durch das Gericht nur unter eindeutiger Beweislage möglich. Das niederländische Wirtschaftsministerium betont nachdrücklich, dass die Entscheidung des Gerichtshofs unabhängig von der des Ministers getroffen worden sei und, dass die Entscheidung des Ministers eigenständig und nicht durch ein anderes Land aus geoökonomischen Gründen beeinflusst worden sei. Auch sei die Maßnahme des Ministers nicht gegen die chinesische Regierung, sondern ausschließlich gegen den CEO von Nexperia gerichtet gewesen.
Auswirkungen auf Österreich und Reaktion der V.R. China
Auswirkungen sind aus heutiger Sicht nicht wirklich absehbar, es scheint allerdings, dass à la longue nicht nur die österreichische Automobil-Zulieferindustrie stark betroffen sein könnte. Der deutsche Automobilbauer VW – Volkswagen hat bereits eine Reduktion der Produktion angekündigt. Effektiv sinkt der Export von Nexperia Chips auf ca. 30% (!), ermöglicht bzw. aufgefangen derzeit nur durch die kontinuierte Fertigstellung der EU Produkte in Malaysia und auf den Philippinen. Als Reaktion veranlasste die chinesische Regierung ein Exportverbot auf alle Produkte der Nexperia-Werke in der V.R. China. Als Resultat werde die Produktion von Nexperia-Halbleitern voraussichtlich um 70% (!) sinken und eine Verknappung innerhalb weniger Wochen in Europa merkbar werden. Auch auf chinesischer Seite ist der Vorrat von Halbleiter-Wafern begrenzt und eine Verknappung recht schnell absehbar. Der Vorrat von Nexperia-Halbleitern wird nur wenige Wochen anhalten, bevor sich eine Verknappung in Europa massiv bemerkbar machen wird.
Gibt es Alternativen?
Derzeit eigentlich nicht. Eine Umstellung auf Chips anderer Hersteller kann bis zu einem Jahr dauern und selbst dann ist nicht sicher, ob andere Hersteller ausreichende Kapazitäten hätten. Nexperia selbst hat bereits eine Warnung an seine Kunden ausgesprochen, es könne die Qualität der in China fertiggestellten Chips nicht mehr garantieren. China wird sich die hohe Qualität selbst behalten. Sie suchen nach Antworten betreffend Ihrer Lieferketten? Bitte wenden Sie sich an unseren Experten Herrn Dipl.-Ing. Josef Diermeier (Kontaktdetails untstehend).
Next Steps
Am 24. Oktober findet das europäische Halbleitergremiums statt. Dabei soll diskutiert werden, wie Halbleiterkapazitäten in der EU gesichert werden können. Auch mögliche Schritte, wie z.B. Diversifizierung, um starke Abhängigkeiten, wie im Fall Nexperia, zu reduzieren, sollen besprochen werden.
Sie suchen nach Antworten? Haben noch Fragen?
- Zu Fragen betreffend Lieferketten nehmen Sie bitte Kontakt mit unserem Fachexperten in der WKÖ AUSSENWIRTSCHAFT, Herrn Dipl.-Ing. Josef Diermaier, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien, T: +43 5 90900 4969, M: +43 664 817 91 96, E: Josef.Diermaier@wko.at oder aussenwirtschaft.industry@wko.at
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- Zu Fragen betreffend die Österreichische Automobilindustrie wenden Sie sich bitte an: Fachverband Fahrzeugindustrie: Thomas Kratochvil, MSc., T: +43 5 90900 4803, E: kfz@wko.at