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Porträt von Elisabeth Niederer von Jugend am Werk
© KK

Fachkräfte von morgen - heute begleiten

Fehlende Lehrlinge und Nachwuchskräfte sind eine der größten Herausforderungen für Kärntens Wirtschaft. Im Interview spricht Elisabeth Niederer von Jugend am Werk Kärnten über praxisnahe Wege, wie Unternehmen Jugendlichen Chancen eröffnen, sie gezielt fördern - und dabei langfristig stabile Fachkräfte gewinnen.

Lesedauer: 4 Minuten

20.10.2025

Frau Niederer, viele Industriebetriebe suchen händeringend nach motivierten Fachkräften. Wie kann Jugend am Werk Kärnten hier unterstützen?

Elisabeth Niederer: Jugend am Werk Kärnten versteht sich als Brückenbauer zwischen jungen Menschen und der Wirtschaft. Als Kompetenzzentrum für Jugendliche begleiten wir Jugendliche im Auftrag des AMS Kärnten und des Landes Kärnten auf ihrem Weg in qualifizierte Ausbildung und Beschäftigung. Gleichzeitig unterstützen wir Betriebe bei der nachhaltigen Fachkräftesicherung. Unser Ansatz ist mehrstufig: Wir fördern Grundqualifikationen, trainieren Schlüsselkompetenzen, stabilisieren sozialpädagogisch und vermitteln über gezielte Matching-Methoden, also strukturiertes Eignungs- und Interessens-Matching zwischen Jugendlichen und Betrieben. So entstehen passgenaue Verbindungen: Der richtige Jugendliche am richtigen Arbeitsplatz, mit der richtigen Begleitung.

Welche Möglichkeiten gibt es für Unternehmen, den Jugendlichen praktische Einblicke in ihren Industriebetrieb zu ermöglichen?

Wir bieten ein breites Spektrum an betrieblichen Praxiselementen: Schnupper- und Kurzpraktika, um Jugendlichen niederschwellig einen ersten Zugang zur Arbeitswelt zu eröffnen. 14-tägige Betriebspraktika, abgestimmt auf betriebliche Abläufe und Anforderungen. Diese werden von unseren Ausbilder:innen und dem Berufsorientiertungs-Team intensiv begleitet. Betriebsführungen ermöglichen, dass Jugendliche verschiedene Berufsbilder und Arbeitsumfelder direkt erleben. Alle Praktika werden im Vorfeld vorbereitet, währenddessen begleitet und im Nachhinein reflektiert. 

Viele Jugendliche wissen oft nicht, welche berufliche Richtung sie einschlagen möchten. Wie unterstützt dabei Jugend am Werk? Und wie können Betriebe diese Orientierung gezielt unterstützen?

Indem sie Jugendlichen Chancen geben, insbesondere auch jenen, die vielleicht nicht mit herausragenden Noten, aber mit Neugier, Motivation und praktischer Begabung überzeugen. Oft zeigen sich Stärken und Potenziale erst dann, wenn junge Menschen die Möglichkeit erhalten, sich im echten Arbeitsumfeld zu erproben. Betriebe, die bereit sind, Jugendlichen diesen Raum zu öffnen, leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Berufsorientierung und Fachkräftesicherung gleichermaßen. Ein besonders wirksamer Weg sind Praxis- und Begegnungsformate direkt bei Jugend am Werk Kärnten: Wenn Unternehmen sich im Haus vorstellen, Einblicke in Berufsbilder geben oder Produktionsprozesse anschaulich erklären, erleben Jugendliche die Arbeitswelt hautnah und bekommen ein realistisches Bild möglicher Berufswege. Diese persönlichen Begegnungen senken Hemmschwellen, schaffen Vertrauen und lassen Motivation entstehen - oft ist das der Moment, in dem Berufswahl plötzlich greifbar wird.

Jugend am Werk legt großen Wert auf Selbstverantwortung und praxisorientiertes Lernen. Gibt es die Möglichkeit, Jugendliche aus dem Programm als Praktikant:innen oder für Werkstattprojekte aufzunehmen?

Ja, absolut - das wäre sogar großartig. Praktische Erfahrungen in realen Betrieben sind ein zentraler Bestandteil unseres pädagogischen Ansatzes. Jugendliche lernen am besten, wenn sie Verantwortung übernehmen, Arbeitsrealität erleben und ihre Fähigkeiten im betrieblichen Umfeld einsetzen dürfen.

Welche weiteren Unterstützungsangebote gibt es für Unternehmen, die jungen Menschen ohne Lehrstelle eine Chance geben möchten?

Das Wichtigste zuerst: Betriebe, die jungen Menschen mit Ecken und Kanten eine Chance geben, stehen damit nicht allein da. Jugend am Werk Kärnten begleitet diesen Prozess engmaschig und zwar auch nach dem Einstieg. Unsere Nachbetreuung ist ein zentrales Element der Zusammenarbeit: Sie stellt sicher, dass Jugendliche sich im Betrieb stabilisieren, Routinen aufbauen und Verantwortung übernehmen können, ohne bei den ersten Schwierigkeiten zu scheitern. Dadurch werden nicht nur Abbrüche verhindert, sondern nachhaltige Beschäftigungsverhältnisse aufgebaut. Parallel dazu informieren und begleiten wir Betriebe bei allen Lehrstellenförderungen und Unterstützungsinstrumenten, die das AMS oder das Land Kärnten für ausbildende Unternehmen bereitstellen - von Zuschüssen bei Einstiegslehrverhältnissen über Ausbildungsbeihilfen bis hin zu Coaching- oder Qualifizierungsprogrammen. So können Betriebe sicher sein, dass sie nicht nur pädagogisch, sondern auch finanziell optimal unterstützt werden, wenn sie Jugendlichen eine Chance geben.

Welche Vorteile sehen Sie für Betriebe, die langfristig an einer Zusammenarbeit interessiert sind?

Betriebe gewinnen motivierte und loyale Mitarbeiter:innen, die wissen, was ihnen diese Chance bedeutet. Gerade jene Jugendlichen, die über Jugend am Werk Kärnten den Einstieg ins Berufsleben schaffen, entwickeln oft eine besonders starke Bindung zu ihrem Betrieb. Sie sind dankbar für das Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wurde, und zeigen dieses Vertrauen im Gegenzug durch Einsatzbereitschaft, Lernwille und Verlässlichkeit.

Wie lassen sich Kooperationen zwischen Industrieunternehmen und Jugend am Werk gestalten?

Kooperationen mit Jugend am Werk Kärnten lassen sich unkompliziert, schnell und verlässlich gestalten. Unser Ziel ist es, den administrativen Aufwand für Betriebe so gering wie möglich zu halten und die Zusammenarbeit praxisnah, lösungsorientiert und menschlich zu gestalten. Für Kooperationsanfragen erreichen Sie mich direkt unter elisabeth.niederer@jaw-kaernten.at

Können Sie konkrete Erfolgsbeispiele in der Zusammenarbeit mit Betrieben aus Kärnten nennen?

Ja, sehr gerne. Im vergangenen Jahr konnten wir in ganz Kärnten rund 500 Jugendliche begleiten und auf ihrem Weg in Ausbildung oder Beschäftigung unterstützen. Besonders erfreulich ist, dass davon etwa 300 Jugendliche - also rund 60 Prozent - erfolgreich in eine Lehrstelle oder eine nachhaltige Arbeitsstelle vermittelt werden konnten. Doch hinter jeder Zahl steht weit mehr als eine Statistik - nämlich eine individuelle Erfolgsgeschichte. Viele dieser jungen Menschen hatten zuvor mit Schulabbrüchen, Orientierungslosigkeit oder persönlichen Hürden zu kämpfen. Durch gezielte Förderung, praxisnahe Qualifizierung und die Bereitschaft vieler Kärntner Betriebe, jungen Menschen eine echte Chance zu geben, konnten sie Fuß fassen und ihre Stärken zeigen.

Wenn Sie Industriebetrieben einen Rat geben könnten, wie sie Jugendliche am besten auf ihren Einstieg in die Arbeitswelt vorbereiten, was würden Sie sagen?

Ich würde sagen: Geben Sie Jugendlichen - unabhängig von Herkunft, Bildungsweg oder bisherigen Brüchen - die Chance, sich in der Praxis zu beweisen, und begegnen Sie ihnen mit klaren Erwartungen, echter Wertschätzung und der Überzeugung, dass Potenzial oft dort entsteht, wo man es nicht sofort vermutet.

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