Gruppenfoto von den Teilnehmenden der UBIT-Studienreise
© Daniel Kattnig

Kernforschung, Kebab 2.0 und kluge Köpfe: Die Schweiz tickt anders

In Wettbewerbsrankings liegt unser westlicher Nachbar unter den Top-Nationen. Warum, das zeigte die Studienreise der Fachgruppe UBIT Ende April 2025.

Lesedauer: 4 Minuten

02.05.2025

Eigentlich wollte Michael Benedikt nur vier Semester in Genf bleiben und hier seine Dissertation abschließen. Aus diesem Kurzaufenthalt sind über 30 Jahre geworden. Der gebürtige Kärntner ist mittlerweile eine tragende Säule am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Und trotzdem nahm er sich ausgiebig Zeit für die rund 30 Teilnehmenden der UBIT-Studienreise. Warum er mit diesem Eifer dabei ist? „Ganz einfach, es ist faszinierend mit Menschen zu arbeiten, die für die Forschung brennen“, sagt Benedikt. Und was das CERN-Team leistet, beeindruckte die Kärntner Delegation bestehend aus Unternehmensberatungs-, IT- und Buchhaltungs-Fachleuten.

100 bis 150 Meter unter der Erde simuliert ein 27 Kilometer langer Ringbeschleuniger den Urknall. Teilchen werden fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und kollidieren anschließend miteinander. „Wir erforschen dabei die kleinsten Bestandteile der Materie – die Elementarteilchen“, so Benedikt, der in Viktring maturierte. Beobachtet werden die rund 2 Milliarden Kollisionen pro Sekunden von vier Detektoren im Ringbeschleuniger. Bei der dabei gewonnenen Datenmenge haben die CERN-Rechner genug zu tun. 

Um den Datenfluss zwischen Forschungseinrichtungen zu vereinfachen, wurde 1989 der erste Internetknoten entwickelt – kurz darauf entstand als „Nebenprodukt“ das World Wide Web. Nicht das einzige Wow-Erlebnis für die Kärntner Unternehmer:innen rund um Fachgruppenobmann Martin Zandonella. So durften sie einen Detektor besuchen, ins Datencenter schnuppern und auch das Innere eines Magneten hautnah erleben. Der Forscherhunger ist bei all dem Know-how noch nicht gestillt. Michael Benedikt arbeitet gerade an der nächsten Ausbaustufe der Teilchenbeschleunigung. Ein 100 Kilometer langer Ringbeschleuniger soll die Natur der Dunklen Materie aufdecken. Benedikt: „Österreichische Betriebe sind eingeladen, ihr Know-how einzubringen!“

Kapital, Top-Ausbildung und Investor:innen

Rund drei Stunden nördlich von Genf, im Großraum Zürich, herrscht ebenfalls Erfindergeist – diesmal aber gepaart mit Unternehmertum. Unterstützt vom AußenwirtschaftsCenter Zürich unter der Leitung von Patrick Sagmeister lernten die „UBITs“ das Schweizer Innovations-Ökosystem kennen. „Innovation ist hier das Um und Auf“, so der Wirtschaftsdelegierte. Einer der Motoren ist die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, kurz ETH. Sagmeister: „Der Staat investiert großzügig in Bildung, unter den weltweit Top-4-Unis sind 3 hier ansässig.“ Das Resultat sind jede Menge Spin-offs – also Jungunternehmen, die direkt aus der Uni-Forschung entstehen. Gepaart mit dem Kapital der Investorenszene vor Ort ergibt es ein Erfolgsmenü. Kostproben gefällig? 

Wenn aus Uniideen Unternehmen werden

Einen echten Gruß aus der Küche gab es für die UBITs bei planted, einem Start-up, das vegane Fleischalternativen entwickelt. Der Geschmackstest sorgte für lebhafte Diskussionen: Während einige begeistert „veganen Kebab und Hühner-Patty“ schmausten, konnten sich andere damit eher weniger anfreunden. 

Ein zweites Jungunternehmen sorgte ebenso für Raunen unter den Kärntner Beobachter:innen. Fotokite lässt seine Drohnen nicht frei fliegen, sondern bindet sie per Kabel an eine Bodenstation. „Wir sind so vor Hackern sicher und ermöglichen mehrstündige Flugzeiten. Ideal für Polizei, Feuerwehr oder Grenzschutz“, erklärte Sascha Korl - ein weiterer gebürtiger Kärntner, der als Techniker die Prozesse optimiert. Und dann war da noch neustark. Die Zürcher Firma injiziert CO₂ in Betongranulat, das aus Bauschutt gewonnen wird. Für Unternehmen wie Microsoft sind die daraus generierten CO₂-Zertifikate mehrere hundert Franken pro Stück wert.

Wo das Investorengeld locker sitzt

Hinter diesen drei Erfolgsstories steht ordentlich Kapital – oft zweistellige Millionenbeträge und mehr. Kein Wunder, Zürich zählt zu den teuersten Städten der Welt: Eine Einzimmerwohnung schlägt monatlich schnell mit über 2.000 Franken zu Buche. Dafür sind auch die Löhne spürbar über jenen in Österreich. „Die 26 Kantone konkurrieren bei Steuersätzen miteinander – das hält die Verwaltung schlank und die Digitalisierung auf Trab“, erklärt Sagmeister. Besonders beeindruckend: Die Schweiz hat als eines der ersten Länder rechtliche Grundlagen für Blockchain-Technologie geschaffen. Über 1.200 Blockchain-Firmen – die meisten rund um Zürich – zeigen, dass hier Zukunftstechnologien wirklich gelebt werden.

In einem Treffen mit Tech-Insider Rainer Zahradnik erfuhr die UBIT-Gruppe zudem, dass die Innovationskraft längst nicht nur aus den USA kommt: „Die Chinesen sind mit DeepSeek weiter als OpenAI – und brauchen dafür nur einen Bruchteil an Energie“, so der gebürtige Österreicher, der in Zürich für den indischen Mischkonzern TATA arbeitet.

Von deutscher Effizienz zum französischen Flair

Wenn es um Wirtschaftsleistung geht, spielt „in Zürich die Musik“, so Sagmeister. In Genf ticken die Uhren anders. Und das nicht nur, weil hier die Tradition der Uhrmacherkunst hochgelebt wird – Rolex und Patek Philippe lassen grüßen. Die französische Kultur bringt auch mediterranes Flair und Schokoladengenuss. Die Teilnehmenden der UBIT-Studienreise hatten für die Heimreise aber nicht nur Süßes im Gepäck, sondern auch jede Menge Inspiration für die eigene Arbeit. „Die Schweiz beweist, dass es mit wenig Bürokratie und viel Innovationsgeist deutlich besser vorangeht“, lautet das Fazit von UBIT-Fachgruppenobmann Martin Zandonella – ein kurzer Abstecher nach Genf und Zürich, der aber in den Köpfen der Teilnehmenden nachhaltig bleiben wird. Fortsetzung erwünscht!

Weitere Stationen der UBIT Studienreise:

Eindrücke der Studienreise

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