Sparte Industrie

Arbeit und Soziales

Oktober 2024

Lesedauer: 5 Minuten

25.10.2024

Saisonbranche und Kündigungsfristen: OGH klärt Beweislast

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat am 19. September 2024 (9 ObA 57/24h eine Entscheidung zu Kündigungsfristen in Saisonbranchen getroffen.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Kellner, der von Mai bis Oktober 2021 beschäftigt war. Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf eine im Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe festgelegte 14-tägige Kündigungsfrist beendet. Der Arbeitnehmer bestritt diese und argumentierte, dass die längere gesetzliche Kündigungsfrist nach § 1159 Absatz 2 ABGB anzuwenden sei.

Die Gerichte der Vorinstanzen gaben dem Kläger teilweise recht und entschieden, dass der Arbeitgeber beweisen müsse, dass seine Branche als Saisonbranche gilt. Der OGH hingegen hob diese Entscheidungen auf und stellte klar, dass der Arbeitnehmer die Beweislast trägt. Es ist also seine Aufgabe zu beweisen, dass es sich nicht um eine Saisonbranche handelt, um eine längere Kündigungsfrist geltend zu machen.

Auch wenn dies für den Arbeitnehmer eine schwierige Beweisführung bedeutet, liegt es laut OGH nicht in der Verantwortung der Gerichte, gesetzliche Regelungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung. Auch wenn nicht eindeutig geklärt werden kann, ob es sich um eine Saisonbranche handelt ("non liquet"), bleibt es die Aufgabe des Arbeitnehmers, zu beweisen, dass die Kündigungsfrist des Kollektivvertrags nicht anwendbar bzw. gesetzwidrig ist. Kann der Kläger in diesem Verfahren nicht nachweisen, dass die Branche keine Saisonbranche ist, gilt die Kündigungsfrist von 14 Tagen. Diese endet mit dem Ablauf des Kalendervierteljahres. Eine analoge Anwendung des Punkt 15 des Kollektivvertrages für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbes, findet nicht statt.

Diese Entscheidung des OGH hat weitreichende Bedeutung für alle Branchen, in denen ähnliche kürzere Kündigungsfristen im Kollektivvertrag festgelegt sind.


Wirtschaftsflaute trotz hoher Lohnabschlüsse 

Die Widersprüche in der heimischen Wirtschaft verschärfen sich: In der EU sind nur in Österreich Löhne und Pensionen durch flächige Abschlüsse gegen Inflation gesichert. Die Kaufkraft ist daher 2023 und 2024 kräftig gestiegen. Die Folge: Die Lohnquote, der Anteil der Arbeitnehmer am Wohlstandskuchen, ist laut WIFO am höchsten Stand seit 30 Jahren.

Lohnquote 2000 - 2025
© WKÖ

Eigentlich gute Nachrichten für Arbeitnehmervertreter, die in mehr Kaufkraft ein Patentrezept für Wirtschaftswachstum sehen. Das Rezept wirkt aber nicht, im Gegenteil: Die Wirtschaft ist seit 2022 geschrumpft und dürfte auch heuer nicht anspringen. Mitten in der Rezession trifft die Unternehmen die Wucht steigender Lohn-, Energie- und Klimaschutzkosten. Die Menschen spüren das und dürften, wie WIFO-Chef Felbermayr kürzlich feststellt, aus Angst sparen. 

Gebot der Stunde ist daher die Entlastung der Unternehmen insbesondere bei Lohnnebenkosten, Bürokratie und teuren Vorgaben 

Quelle: Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik, WKÖ


Aufholbedarf bei Erwerbsintegration von ukrainischen Vertriebenen 

Ab 1.10.2024 können erwerbstätige Ukrainer eine Rot-Weiß-Rot–Karte plus beantragen und damit dauerhaft bleiben. Dennoch kommt die Arbeitsmarktintegration nur langsam voran – mit gewaltigen Unterschieden zwischen den Bundesländern. 

Ab 1.10.2024 können erwerbstätige Ukrainer von einem Vertriebenenstatus auf eine Rot-Weiß-Rot–Karte plus wechseln. Dieser Aufenthaltstitel bietet eine längerfristige Bleibeperspektive. Allerdings dürften nur 10% die anspruchsvollen Voraussetzungen erfüllen - Deutschkenntnisse, finanzielle Sicherung des Lebensunterhaltes und eine Erwerbstätigkeit von mindestens 12 Monaten innerhalb der vergangenen 24 Monate. 

Ein guter, aber unzureichender Schritt, kommt doch die Arbeitsmarktintegration auch 2 1/2 Jahre nach Kriegsausbruch nur schleppend voran. Zu Beginn des Jahres 2024 hielten sich rund 81.000 ukrainische Staatsangehörige in Österreich auf, davon 57.000 im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Ende August 2024 waren 21.180 ukrainische Staatsbürger unselbstständig beschäftigt und 6.000 beim Arbeitsmarktservice gemeldet und insgesamt. Die Beschäftigungsquote steigt somit, aber nur langsam. 

Starke regionale Unterschiede  

Fast die Hälfte der Ukrainer (47%) sind in Wien gemeldet. Die Beschäftigungsquote ist hier mit 21,9% am niedrigsten. Im Vergleich dazu ist in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Oberösterreich fast jeder zweite Ukrainer in Beschäftigung. Im Westen dank dem Tourismus, in Oberösterreich dank der Bemühungspflicht, d.h. die Personen müssen mit dem AMS kooperieren, dessen Angebote nutzen und sich um geeignete Jobs bemühen. 

69% der Ukrainer im Alter zwischen 15 und 64 Jahren sind Frauen. Als Erwerbshürden werden immer noch Kinderbetreuung, die deutsche Sprache, die Beschäftigung unter der eigenen Qualifikation, die mangelnde Mobilität am Land und der Verlust der Unterkunft angegeben. 

Unterstützung erhalten qualifizierte Ukrainer und Migranten abgesehen von ÖIF und AMS auch im Rahmen des Programms „Mentoring für Migrant:innen“, das demnächst in die nächste Runde geht. 

Quelle: Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik, WKÖ


Das Streikjahr 2023 

In Österreich wurde im internationalen Vergleich in der Vergangenheit wenig gestreikt. Das änderte sich im Jahr 2023, zu dem jetzt Zahlen vorliegen.  

Österreich ist traditionell ein Land, in dem sehr selten gestreikt wird. Grund dafür ist die jahrzehntelange gut funktionierende Sozialpartnerschaft. Zwischen 2005 und 2010 sowie zwischen 2015 und 2017 gab es überhaupt keine Streiks. Seit 2018 gab es immer wieder kurze Streiks, die aber mit 5.000 (2021) bis 38.000 (2018) Teilnehmern kaum ins Gewicht fielen. 

Im Zeitraum 2013 bis 2022 ging in Österreich nur ein Arbeitstag pro Jahr und Tausend Arbeitnehmer verloren. Damit war Österreich im internationalen Vergleich fast Schlusslicht, in Belgien und Frankreich waren es 100mal soviel. (Griechenland und Italien dürften noch höher liegen, sind aber statistisch nicht erfasst). 

Anzahl der jährlich durch Streiks ausgefallenen Arbeitstage von 2013 bis 2022 pro 1.000 Beschäftigte nach Ländern

Streikstatistik 2013 - 2022
© WKÖ

Das änderte sich 2023: Letztes Jahr gab es in Österreich den höchsten Wert seit 20 Jahren mit über 110.401 Streikenden und 789.000 Streikstunden. Grund waren die schwierigen Kollektivvertragsverhandlungen vor dem Hintergrund von Rezession und Inflation. Sieht man vom Jahr 2003 ab, in dem breitflächig gegen die Pensionsreform gestreikt wurde, war 2023 sogar das streikstärkste Jahr seit 50 Jahren. 

Umgerechnet fielen damit im Jahr 2023 ca. 25 Arbeitstage je 1.000 Beschäftigte aus. Im internationalen Vergleich wäre Österreich damit nur mehr Mittelmaß. Heuer sollte es wieder „friedlicher“ werden. Denn Metallindustrie und Metallgewerbe schlossen 2023 für zwei Jahre ab und verhandeln heuer nicht. 

Es ist zu hoffen, dass sich das Streikjahr 2023 nicht wiederholt. Der Standort Ö ist aufgrund von Rezession, steigenden Kosten, darunter auch Arbeitskosten ohnehin unter Druck. Wir müssen Wettbewerbsvorteile zurückgewinnen, der soziale Friede ist einer davon.

Quelle: Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik, WKÖ


Alterndes Europa: Lässt sich unser Wohlstand noch sichern? 

Eine hochkarätige Diskussion zu Trends in der Arbeitswelt mit Arbeitsminister Martin Kocher, WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf, Strabag-Vorständin Annette Scheckmann und Eva Weissenberger.

Zum Nachhören

Quelle: Abteilung Sozial- und Gesundheitspolitik, WKÖ