Arbeit und Soziales
Juli 2025
Lesedauer: 9 Minuten
Gesetzliche Änderungen ab 1.7.2025
Da fast 60 % der Staatsausgaben auf Soziales und Gesundheit entfallen, ist der Bereich für die Budgetkonsolidierung zentral. Daher ergeben sich diesmal besonders zahlreiche gesetzliche Änderungen in den Bereichen, die wir zusammengefasst haben. Die Gesetzwerdung durch Veröffentlichung im BGBl bleibt noch abzuwarten.
Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht ab 1.7.2025Quelle: Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit, WKO
Neue Leitlinie: Diesel-Hubstapler in geschlossenen Räumen
Das Sozialministerium hat eine neue Leitlinie zur Verwendung von dieselbetriebenen Hubstaplern veröffentlicht. Sie konkretisiert die rechtlichen Voraussetzungen und Schutzmaßnahmen für Ausnahmesituationen gemäß § 27b GKV und § 43 ASchG. Der Einsatz ist nur noch unter strengen Bedingungen zulässig.
Hier finden Sie die Leitlinie zu „Dieselmotoremissionen von Hubstaplern und anderen selbstfahrenden Arbeitsmitteln in geschlossenen und teilweise geschlossenen Räumen“ der Arbeitsinspektion:
Leitlinie für Diesel-Hubstapler in geschlossenen RäumenKollektivvertragsabschlüsse der Frühjahreslohnrunde 2025
Durch Maximalbeträge und Öffnungsklauseln konnten in einigen Branchen Abschlüsse deutlich unter der rollierenden Inflation getätigt werden.
In den letzten Jahren sind die Löhne in Österreich deutlich stärker gestiegen als in vergleichbaren Ländern (und vor allem auch bei wichtigen Handelspartnern), während die Produktivitätsentwicklung hinterherhinkt. Infolgedessen sind die Lohnstückkosten in Österreich seit dem Jahr 2015 um 39,5 % angestiegen – ein Zuwachs, der deutlich über dem EU-Durchschnitt von 26,6 % liegt. Auch im Vergleich zum Haupthandelspartner Deutschland, wo die Lohnstückkosten pro Arbeitsstunde um acht Prozentpunkte weniger gestiegen sind, verliert Österreich zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit. Die Lohnstückkosten sind der Indikator schlechthin für preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Je höher der Zuwachs bei den Lohnstückkosten, desto schwächer fällt das Wachstum der Exporte aus. Ziel muss daher eine rasche Senkung der Lohnstückkosten sein. Dafür braucht es ein Ende der Lohnführerschaft der öffentlichen Hand (Beamte, Pensionen) und Kollektivvertragsabschlüsse, die die wirtschaftliche Entwicklung widerspiegeln.
Bis dato verlangten die Gewerkschaften, trotz dieser sehr ungünstigen Entwicklungen, bei den KV-Verhandlungen beharrlich die Abgeltung der rollierenden Inflation. Politisch waren für die Gewerkschaften KV-Abschlüsse unter der rollierenden Inflation insofern nur schwer vorstellbar, weil selbst bei den letzten KV-Verhandlungen für die Beamten oder bei den Pensionserhöhungen niemals unter der Inflation, sondern teilweise sogar darüber abgeschlossen wurde. Auf diesen Umstand haben auch namhafte Ökonomen hingewiesen und öffentlich Lohnzurückhaltung empfohlen: „Wenn die Beamten mehr kriegen als die Inflation, dann ist es schwierig, anderswo mit anderer Logik zu verhandeln“, so auch Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr, der dafür von Gewerkschaftsvertretern vehement kritisiert wurde.
Bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Bauindustrie und der stein- und keramischen Industrie einigte man sich auf einem Abschluss genau auf der Inflation. Arbeiter- und Angestellten-Kollektivvertrag werden in diesen Branchen getrennt verhandelt. Bei den Verhandlungen der Holzindustrie, die die Verhandlungen gemeinsam mit der Arbeiter- und Angestelltengewerkschaft führen, wurde von der Arbeitgeberseite vehement ein Maximalbetrag als notwendiger Baustein für eine Einigung verlangt, der mathematisch zur Konsequenz hatte, dass bei den gutbezahlten Angestellten-Verwendungsgruppen die Erhöhungen deutlich unter der rollierenden Inflation von 2,83 % lagen. Nach mehreren Verhandlungsrunden einigte man sich auf eine Erhöhung der IST-Löhne und -Gehälter um 2,75 %, kombiniert mit einem Maximalbetrag von 90 Euro, was im Gesamtergebnis eine Erhöhung von durchschnittlich 2,4 % zur Konsequenz hatte. Damit gelang bei der heurigen Frühjahreslohn- und -gehaltsrunde erstmals ein Abschluss, der doch signifikant unter der rollierenden Inflation lag.
In der chemischen Industrie wurde die Methodik des Maximalbetrages noch stärker ins Zentrum der Verhandlungen gestellt. Da sich die Gewerkschaften kategorisch weigerten, dass die TOP-Verdiener der Verwendungsgruppen V, Va und VI als Erhöhung lediglich eine Einmalzahlung erhalten sollten, einigte man sich letztlich auf einen doppelten Maximalbetrag. Grundsätzlich wurden die IST-Löhne und -Gehälter um 2,65%, maximal um 113 Euro erhöht, die Gehälter der erwähnten drei obersten Verwendungsgruppen wurden hingegen mit maximal 60 Euro erhöht. Umgekehrt erhielten die Bezieher niedrigerer Einkommen einen vollen Inflationsausgleich, kombiniert mit einem Mindestbetrag von 80 Euro. Der doppelte Deckel führt bei einer den Verhandlungen zugrunde gelegten rollierenden Inflation von 2,65 % im Ergebnis zu einer Erhöhung der Löhne und Gehälter von durchschnittlich 2,02 % und somit deutlich unter der rollierenden Inflation.
Bei den Verhandlungen der Papierindustrie wurde die Deckelung mit Maximalbeträgen ebenfalls als Mittel für einen sozial gestaffelten KV-Abschluss zum Einsatz gebracht, zusätzlich sollte jedoch durch eine Öffnungsklausel eine Differenzierung bei den Unternehmen innerhalb der Branche erreicht werden. Bei der Bezeichnung der Öffnungsklausel einigte man sich auf den Titel „Rezessionsklausel“, womit beide Seiten leben konnten und die aktuelle wirtschaftliche Situation der heimischen Industrie in den Vordergrund gerückt werden sollte. Durch die Rezessionsklausel konnte auf Arbeitgeberseite erstmals erreicht werden, dass das jeweilige Betriebsergebnis ein entscheidender Parameter für die tatsächliche KV-Erhöhung ist und nicht alle Unternehmen sprichwörtlich über einen Kamm geschoren wurden. Nach der vierten Verhandlungsrunde einigte man sich auf folgende zweifache Differenzierung: Die Ist-Löhne und -Gehälter steigen einerseits in Abhängigkeit vom Betriebsergebnis und anderseits gestaffelt nach der Einkommenshöhe des einzelnen Arbeitnehmers. Konkret gibt es in Unternehmen mit einer negativen EBIT-Marge (Gewinn vor Zinsen und Steuern als Verhältnis zum Nettoumsatz) einen Lohnzuschlag von 2,45 %, aber maximal 70 Euro. Bei einer EBIT-Marge zwischen 0 und 0,75 % beträgt die Lohnerhöhung ebenfalls 2,45 %, aber maximal 95 Euro. Bei einer höheren EBIT-Marge sind es 2,65 % Lohnplus, höchstens jedoch 110 Euro. Niedrigere Einkommen werden hingegen mit Berücksichtigung der gestiegenen Inflation voll ausgeglichen. Über die gesamte Branche gerechnet ergibt dies eine Erhöhung der Lohn- und Gehaltssumme von durchschnittlich 2,12 %, also ebenfalls deutlich unter der maßgeblich rollierenden Inflation von 2,65 %. Neben anderen Ökonomen bewerte auch Benjamin Bittschi vom WIFO das komplexe Verhandlungsergebnis sehr positiv: "Ich glaube, dass es ein Abschluss ist, der vielleicht Vorbildwirkung hinsichtlich dessen haben kann, wie man mit wirtschaftlich schwierigen Zeiten umgehen kann."
Die Branchensozialpartner der Elektroindustrie haben die Systematik des Maximalbetrages sowie die Anwendung der Rezessionsklausel in den wesentlichen Grundzügen übernommen, jedoch noch zusätzliche Kompensationsmaßnahmen bei Inanspruchnahme der Öffnungsklausel vereinbart. Grundsätzlich steigen die IST-Löhne und -Gehälter um 2,75 %, maximal jedoch um 115 Euro. Außerdem wurde neuerlich die Einmalzahlungs-, Verteilungs- und Freizeitoption in den KV-Abschluss aufgenommen. Der Maximalbetrag führt zu einer Gesamterhöhung der Lohn- und Gehaltssumme von durchschnittlich 2,15 %. Für Betriebe mit negativem EBIT ermöglicht die Inanspruchnahme der Rezessionsklausel eine nachhaltige Belastung für die Unternehmen langfristig um 50 % der IST-Erhöhung zu reduzieren, was eine gewaltige Entlastung für die Unternehmen darstellt. Auf betrieblicher Ebene müssen die restlichen 50 % in Form einer für drei Jahre wirkenden Einmalzahlung oder in Freizeit als nichtnachhaltige Kompensationsmaßnahme abgegolten werden, für die mehrere Varianten zur Verfügung stehen.
Schließlich einigte man sich auch in der Glasindustrie auf einen beachtlichen Kollektivvertragsabschluss, der ebenfalls in der Gesamtauswirkung mehr als sechs Zehntel unter der rollierenden Inflation von 2,63 % liegt. Bei einer relativ moderaten prozentuellen Erhöhung von 2,2 %, maximal 100 Euro, errechnet sich das durchschnittliche Branchenergebnis mit 2,00 %.
In den Verhandlungen wurde mehrfach aufgezeigt, dass das Patentrezept der Gewerkschaften, indem mit kräftigen Lohnerhöhungen die Kaufkraft gestärkt werden sollte, derzeit nicht wirkt. Aktuell geben die Menschen ihr Geld nicht aus, sondern sparen angesichts der Unsicherheit in den Betrieben und der Wirtschaft: Im Jahr 2024 legten die Haushalte 11,7 % ihres verfügbaren Einkommens auf die hohe Kante. Damit lag der Anteil des Einkommens, der gespart wird, deutlich über der Sparquote des Vorjahres von 8,7 % und auch klar über dem Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2010 bis 2019 mit 8,0 %. „Im Jahr 2024 hatten Haushalte in Österreich unter Berücksichtigung der Inflation um 3,5 % mehr Einkommen zur Verfügung als im Jahr davor, der private Konsum wuchs allerdings mit real +0,1% kaum“, so Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas. Außerdem fließt in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft immer ein großer Teil der Konsumausgaben ins Ausland ab.
Und noch ein Effekt ist aufgrund der falschen Lohnpolitik der Gewerkschaften mittlerweile volkswirtschaftlich klar zu erkennen: Ende Mai waren 375.347 Personen beim Arbeitsmarktservice arbeitslos oder in Schulung gemeldet. Im Branchenvergleich ist die Warenherstellung besonders stark betroffen, wo rund 77.000 Arbeitsplätze verloren gingen (–10,5 Prozent). Die anhaltende Industrierezession hat also auch Arbeitsmarkt mittlerweile deutliche Spuren hinterlassen.
Die Kollektivvertragsabschlüsse der Frühjahreslohnrunde 2025 konnten mit den eingebauten Mechaniken von Maximalbeträgen und der vereinbarten Rezessionsklausel die bisherige Dynamik der Erhöhungen erstmals stärker einbremsen. Nichtsdestotrotz ist allen Beteiligten bewusst, dass die Arbeitskosten international noch immer viel zu hoch sind. Österreich hat bekanntlich die vierthöchste Belastung des Faktors Arbeit in der OECD. Eine Reduktion der Lohnnebenkosten der Dienstgeber wäre gegenwärtig ein wesentlicher und wichtiger Beitrag, die überschießende Lohnentwicklung der letzten Jahre abzufedern. Die Industrie in Österreich fordert daher eine Absenkung der Lohnnebenkosten der Dienstgeber um fünf Prozentpunkte, um vom derzeitigen Niveau (29,3 % des Bruttolohns) auf das Niveau des Haupthandelspartners Deutschland zu gelangen. Ein solcher Schritt würde (wie im Regierungsprogramm vorgesehen) insbesondere die Änderung der Finanzierung des – größtenteils sachfremd von den Dienstgebern getragenen - Familienlasten-Ausgleichsfonds (FLAF) notwendig machen, zudem geringe Senkungen in anderen Bereichen (zB beim Wohnbauförderungsbeitrag, bei der Unfallversicherung, etc). All diese Maßnahmen sind trotz angespannter Budgetlage grundsätzlich durchführbar und aus Gründen der Entlastung der Unternehmen und der Attraktivierung des Standortes Österreich auch unbedingt und rasch notwendig.
Quelle: Bundessparte Industrie, WKO
Fehlzeitenreport 2025: Anhaltend hohe Krankenstände
2022 sind die Krankenstände abrupt gestiegen und bleiben seitdem auf hohem Niveau. Langzeitkrankenstände fallen immer stärker ins Gewicht. Die Ursachen sind nicht eindeutig.
Laut Fehlzeitenreport 2025 (erstellt vom WIFO im Auftrag von Dachverband, WKÖ und Bundesarbeitskammer) verbrachten unselbstständig Beschäftigte 2024 durchschnittlich 15,1 Kalendertage im Krankenstand – ein leichter Rückgang im Vergleich zum Rekordjahr 2023 mit 15,4 Tagen. So hohe Werte wurden zuletzt 1993 gemessen. In den 10 Jahren vor Covid waren die Österreicher zwischen 12,3 und 13,3 Tage pro Jahr krank. Besonders auffällig ist der wachsende Anteil der Versicherten, die mindestens einmal im Jahr krankgeschrieben waren, von 57,4 % vor Covid auf 70,1 % im Jahr 2024.
Der Trend zu mehr Krankenständen seit Covid ist international und betrifft die Mehrheit der OECD-Länder inkl. Deutschland. Die Ursachen sind nicht eindeutig – Faktoren sind u.a. Covid als neue Krankheit, der Einfluss von Covid auf das Immunsystem, höhere Sensibilität in Bezug auf mögliche Ansteckungen, die Zunahme psychischer Erkrankungen. Dem entspricht, dass die meisten Ausfälle mit einem Anteil von 24 % auf Atemwegserkrankungen entfielen, eine deutliche Zunahme. Rückläufig waren hingegen Ausfälle durch Verletzungen.
Zunahme bei Langzeitkrankenständen
Schwerpunkt des Fehlzeitenreports waren heuer Langzeitkrankenstände, die stärker ins Gewicht fallen als früher. Ihr Anteil an den Fällen macht zwar nur 3,1% aus, ihr Anteil an den Krankenstandstagen stieg aber stetig von 31,6% im Jahr 1990 auf 39,2% 2024. Eine Ursache dürfte die Zunahme an diagnostizierten psychischen Erkrankungen sein, die meist zu langen Ausfällen führen. Die Hauptursachen für Langzeitkrankenstände sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, Verletzungen und Vergiftungen (Nr. 1 bei Männern) sowie psychische Erkrankungen (Nr. 1 bei Frauen).
Krankenstände belasten Betriebe massiv: Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen reduzierte sich 2024 dadurch um 4,1 %. Ein Anstieg um 3 Krankenstandstage entspricht fast 1% des Arbeitsvolumens. 1% können über (leichtes) Wachstum oder Rezession entscheiden!
© WKÖ
Ein Krankenstandstag kostet mindestens 250 Euro
Jeder Krankenstandstag kostet Betriebe im Schnitt grob geschätzt mindestens 250 Euro – durch Entgeltfortzahlung, Überstunden von Kollegen bzw. verlorene Wertschöpfung. Die tatsächlichen Verluste hängen auch von der Auslastung ab. 100 % Entgeltfortzahlung sind übrigens die Ausnahme und gebühren nur in Österreich, Deutschland, Belgien und der Schweiz.
Chronische Erkrankungen stellen auch international eine wachsende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar, wie die aktuelle PaRIS-Umfrage der OECD zeigt. Dabei haben einige Länder wirksame Maßnahmen ergriffen: Die Schweiz investiert in lange Konsultationszeiten und regelmäßige Medikationsüberprüfungen, die USA setzen auf integrierte Versorgungsmodelle und digitale Gesundheitswerkzeuge, und Kanada fördert die Selbstmanagement-Unterstützung sowie die Einbindung der Patienten in Entscheidungsprozesse. Auch das Programm der österreichischen Regierung sieht u.a. Maßnahmen im Bereich Rehabilitation und die Weiterentwicklung von Prävention und Gesundheitskompetenz vor.
Fazit
Krankenstände belasten Betroffene und Betriebe. Betriebe können zur Gesundheit beitragen durch ein gutes Betriebsklima, Rückkehrgespräche, Vorbildwirkung von Vorgesetzten, gesundheitsfördernde Maßnahmen, etc. Da wir aber maximal 10 % der Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen, können Betriebe die Gesundheit nur begrenzt steuern. Dem entspricht, dass das Kuratorium für Verkehrssicherheit 2024 804.500 Unfälle zählte, die im Spital behandelt werden mussten, darunter nur 112.000 im Bereich Arbeit und Schule. Entscheidend sind Gesundheitskompetenz und -verhalten des Einzelnen.
WIFO-Fehlzeitenreport 2025 Quelle: Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit, WKÖ