Person in oranger Warnweste mit weißem Schutzhelm vermisst Betonteil, das in selber Ausfertigung mehrfach davor in Reihe steht
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Beschränkungen im ungarischen Bausektor – Veränderungen ab 31. Oktober 2023 

Längere Bearbeitungsfrist beim Anmeldeverfahren von Eisen- und Stahlschrott

Lesedauer: 8 Minuten

Ungarn Verkehrsinfrastruktur/Tiefbau

Im internationalen Vergleich erheblich steigende Baustoffpreise und potentielle zukünftige Versorgungsengpässe im Bausektor haben die ungarische Regierung dazu veranlasst, strenge regulative Maßnahmen einzusetzen.

Die aus Sicht der Versorgungssicherheit des Bausektors strategisch wichtigen Rohstoffe und Produkte dürfen nur dann aus Ungarn exportiert werden, wenn eine entsprechende Registrierung beim zuständigen Ministerium (Ministerium für Bau und Verkehr) erfolgt ist und diese auch bestätigt wurde. Das Formular für die Registrierung inkl. Ausfüllbehelf (in ungarischer Sprache) finden Sie auf der Webseite des Ministeriums. Die Regierung hat für die Dauer der Prüfung der Registrierung ein Vorkaufs- bzw. Kaufrecht auf die im Ausland zu verkaufenden oder ins Ausland zu transportierenden Rohstoffe oder Produkte. Zu den strategisch wichtigen Rohstoffen gehören u.a. Kieselsteine, Schotter, gebrochene oder zerkleinerte Steine, die v.a. zu Betonarbeiten, Straßen- oder Schienenbauarbeiten benutzt werden, wie auch einige Metall- und Stahlprodukte. Der Kreis der anmeldepflichtigen Produkte konnte nach zum Teil erfolgreichen Interventionen mit 23. Juli 2021 reduziert werden. Am 29. September 2021 wurde die Liste der anmeldepflichtigen Waren erneut geringfügig geändert.

Mit der Regierungsverordnung Nr. 425/2022 (X.28.) wurde die Gültigkeit dieser Maßnahme unbefristet verlängert.

Seit 23. Mai 2023 wurde das Anmeldeformular mit zusätzlichen Pflichtangaben erweitert: u.a. Steuernummer und Kontonummer.

Es wurde auch ein neues Produkt zur Liste der anmeldepflichtigen Waren hinzugefügt: Natursande aller Art, auch gefärbt (ZTNr: 2505).

Informationen zum Anmeldeverfahren:

  • Im Anmeldeformular müssen zusätzlich zu den Firmendaten bzw. Verkaufspreis gemäß Vertrag, (falls kein Vertrag abgeschlossen wurde, aktueller Marktwert/Verkaufspreis der Baustoffe) folgende Daten angeführt werden: Zolltarifnummer, Steuernummer, Kontonummer, Empfänger (inkl. Name und Adresse) sowie der geplante Zeitraum für den Verkauf oder Export des Baumaterials. Das Kennzeichen des Transportfahrzeugs und die Grenzstelle müssen jedoch nicht mehr angeführt werden. Ein aktualisierter Ausfüllbehelf des Ministeriums steht in ungarischer Sprache hier zur Verfügung. Sollten Unterlagen nicht auf Ungarisch ausgestellt worden sein, so muss auch eine entsprechende ungarische Übersetzung angehängt werden. Die Anmeldung muss an folgende E-Mail-Adresse eingereicht werden: epitesgazdasag@ekm.gov.hu
  • Entspricht die Anmeldung den festgelegten Formerfordernissen, prüft der Minister - in begründeten Fällen unter Beteiligung von weiteren zuständigen Ministerien – ob die Ausfuhr des Baumaterials ins Ausland die Versorgungssicherheit in der ungarischen Bauwirtschaft gefährdet. Sollte diese Gefahr festgestellt werden, informiert der Minister den für die Überwachung des Staatseigentums zuständigen Minister über seine Position in Bezug auf die Ausübung von Vorkaufs- und Kaufrechten innerhalb von 7 Arbeitstagen.
  • Der für Bau und Investition zuständige Minister muss den Antragsteller innerhalb von 10 Arbeitstagen – im Falle von Eisen- oder Stahlschrott (Zolltarifnummer: 7204) nach dem 31. Oktober 2023 innerhalb von 30 Arbeitstagen - über seine Entscheidung schriftlich informieren.
  • Die schriftliche Bestätigung des Ministers muss mit dem Transport mitgeführt werden.
  • Die Vernachlässigung der Registrierung bzw. die fehlende Mitführung der o.e. Dokumente kann von der Polizei und der Steuerbehörde mit bis zu 40% des Nettowertes der nicht angemeldeten Waren bestraft werden.

Das AußenwirtschaftsCenter Budapest befasst sich seit Anfang Juli 2021 intensiv mit den neuen Maßnahmen und ist mit dem zuständigen Ministerium zwecks Vertretung der Interessen der österreichischen Unternehmen in Kontakt getreten und fordert eine Aufhebung dieser Maßnahmen. Die Exportregistrierungspflicht verstößt gegen Art. 35 AEUV, wonach Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verboten sind. Die Ausnahmetatbestände des Art. 36 AEUV (nämlich dass Beschränkungen aufgrund schwerwiegender Gründe wie öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheitsschutz udgl. möglich sind) sind in diesem Fall aber nicht argumentierbar.

Außerdem hat Ungarn die Anforderungen der Richtlinie über die Notifizierung technischer Vorschriften verletzt: Gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 müssen die Mitgliedstaaten die Kommission über jeden Entwurf einer technischen Vorschrift vor deren Erlass unterrichten. Ab dem Datum der Notifizierung des Entwurfs ermöglicht eine dreimonatige Stillhaltefrist – während der der notifizierende Mitgliedstaat die fragliche technische Vorschrift nicht anwenden darf – der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten, den notifizierten Wortlaut zu prüfen und angemessen zu reagieren. Die Notifizierung der Maßnahme wurde jedoch unterlassen und am 9.7.2021 in Kraft gesetzt.

Gleichzeitig betreffen die Exportbeschränkungen auch solche Produkte (vor allem Stahlprodukte), die grundsätzlich nicht nur in der Bauindustrie verwendet werden. Die Maßnahme kann daher zu Lieferengpässen bei ausländischen Metall- und Automobilfirmen führen, da diese nicht mit den entsprechenden Vormaterialien versorgt werden können.

Österreichische Firmen, die in laufenden Bauprojekten auf bisherige Lieferungen aus Ungarn angewiesen sind, müssen nun mit Lieferverzögerungen sowie Preissteigerungen rechnen. Darunter ist auch der Bau der Autobahn S 7, die bis an die ungarische Grenze bei Heiligenkreuz führen soll.

Österreich hat bzgl. Exportregistrierungspflicht wegen Verletzung von EU-Recht am 14. Juli 2021 eine Binnenmarktbeschwerde gegen Ungarn eingereicht.

Neben den risikoreichen Waren besteht nun auch für zahlreiche Bauprodukte (z.B. Kies, Zement, Furnierblätter, Holz, verschiedene Eisenprodukte – die genaue Auflistung inkl.Zolltarifnummer finden Sie in der Verordnung) eine Meldepflicht im sog. elektronischen Warenkontrollsystem (EKAER) für Straßentransporte, die den administrativen Aufwand bei den Warenlieferungen erhöht.
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Die Regierung hat auch eine neue Sondersteuer für Bergbauunternehmen eingeführt. Betroffen sind alle Firmen, die als Haupttätigkeit Bergbau in den Bereichen Stein, Gips, Kreide, Kiesel, Sand und Ton durchführen bzw. Zement, Kalk oder Gips produzieren, bzw. einen Nettojahresumsatz in 2019 von mindestens 3 Mrd. HUF hatten und anhand des Bergbaugesetzes zur Entrichtung der Bergbausteuer verpflichtet sind.

Seit 21. Februar 2023 wird der Kreis der betroffenen Firmen mit folgenden Bereichen erweitert:

  • Herstellung von Ziegel und sonstiger Baukeramik
  • Herstellung von keramischen Wand- und Bodenfliesen und -platten

Die Regierung hat für bestimmte Produktgruppen einen Schwellenpreis festgelegt (genaue Details in der Verordnung) und für die durch die darüber liegenden Preise entstehenden Umsätze eine Sondersteuer von 90 % auferlegt. Diese Schwellenpreise sind:

  • Sand (klassifiziert): 700 HUF / Tonne
  • Kies (klassifiziert): 900 HUF / Tonne
  • Sandkies (klassifiziert): 700 HUF / Tonne
  • Sandkies (natürlich): 700 HUF / Tonne
  • Zement: 20.000 HUF / Tonne

Seit dem 21. Februar 2023 werden auch Schwellenpreise für nachstehende Produkte bestimmt, wobei als Schwellenpreis die Multiplikation des Nettoverkaufspreises von 1.1.2020 und des Multiplikators laut nachstehender Tabelle dient:

ProduktMultiplikator
Keramische Baublöcke1,61
Kleiner Ziegel2,31
Keramische Hourdisdecke1,42
Keramikziegel1,10
Keramische Dachziegel1,24
Keramische Bodenbelege1,42
Keramische Wandverkleidung1,38

Diese Preise liegen unter den Einstandspreisen, die erheblich von den Marktpreisen abweichen. Die Verpflichtung zum Verkauf zum angegebenen Preis gilt nur für jene Unternehmen, deren Umsatz 3 Mrd. HUF übersteigt. Das ist diskriminierend und führt zu erheblichen finanziellen Schäden bei den betroffenen Unternehmen.

Unseres Erachtens liegt eine dreifache Verletzung von EU-Recht vor:

  • Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit der Artikel 49 ff. AEUV:
    Unzulässig sind Diskriminierungen und Behinderungen demnach nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme, sondern auch bei der anschließenden, laufenden Ausübung der Erwerbstätigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verbieten die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder - bei Gesellschaften - des Sitzes, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (EuGH, C-254/97, Société Baxter, RZ 10).
  • Verstoß gegen Artikel 16 GRCh (Unternehmerische Freiheit) in Bezug auf die amtliche Preisfestsetzung unter dem Einstandspreis
  • Verletzung der Notifizierungsverpflichtung gemäß RL (EU) 2015/1535, da das Dekret ohne Notifizierung verabschiedet und in Kraft gesetzt wurde.

Österreich hat am 24. September 2021 eine weitere EU-Binnenmarktbeschwerde wegen der Einführung einer Sondersteuer für Bergbauunternehmen eingereicht.

Die Verordnung hält zudem fest, dass auch Firmen, die anhand des Bergbaugesetzes nicht zur Entrichtung der Bergbausteuer verpflichtet sind und damit nicht in den oben genannten Kreis fallen, in Betracht der Schwellenpreise auch eine lautere Preispolitik führen müssen, weil ansonsten ein Steuerverfahren durch die Steuerbehörde droht.

Die Bergbauaufsicht verpflichtet jene Bergbauunternehmen in den spezifizierten Roh- und Grundstoffbereichen mit dem Bergbau auf mindestens 50 % der Betriebsfläche innerhalb von 1 Jahr zu beginnen, die dem Bergbau zugrundeliegende Betriebserlaubnis vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erworben haben. Unternehmen, die diese Betriebserlaubnis nach Inkrafttreten der Verordnung erwerben, müssen mit dem Bergbau innerhalb von 1 Jahr auf 100 % der Betriebsfläche beginnen.

Sollte anhand bestimmter Branchenspezifika festgestellt werden können, dass der Wettbewerb auf den Märkten der bestimmten Branchen verzerrt oder begrenzt wird, so kann die Wettbewerbsbehörde eine beschleunigte Prüfung einleiten. Hierzu gehören auch Durchsuchungen vor Ort, was aber vom Gericht nur dann genehmigt wird, wenn die Behörde in ihrem Antrag plausibel darstellen kann, dass die Beweismittel mit großer Wahrscheinlichkeit dort auffindbar sind.

Die Verordnung hält zudem fest, dass der Agrarminister im Hinblick auf die Versorgungssituation der Roh- und Baustoffe mittels der staatlichen Unternehmen dazu verpflichtet ist, für die entsprechende Versorgung und den Nachschub von Holzstoffen und Bauholz zu sorgen.

Die Europäische Kommission hat die Binnenmarktbeschwerden, die seitens der WKÖ im September 2021 eingebracht wurden, aufgegriffen und in beiden Fällen die 1. Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen HU am 6. April 2022 eingeleitet.

Die Kommission hat am 26. Januar 2023 beschlossen, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Ungarn (INFR(2022)4009) zu richten und das Land aufzufordern, seine nationalen Vorschriften für den Bausektor mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. Nach Ansicht der Kommission stehen die ungarischen Maßnahmen zur Festsetzung der Preise für bestimmte Rohstoffe für das Baugewerbe, die eine Sanktion in Höhe von 90 % der Differenz zwischen den festen Preisen und den Verkaufspreisen vorsehen, nicht im Einklang mit der Niederlassungsfreiheit (Artikel 49 AEUV). Die Kommission hat am 14. Juli 2023 beschlossen, Ungarn (INFR(2022)4009) vor dem Gerichtshof der Europäischen Union wegen Vorschriften zu verklagen, mit denen Festpreise für Baustoffe (Sand, Kies, Zement), hohe Zwangsgelder bei Nichteinhaltung dieser Festpreise und Produktionsverpflichtungen für Baustoffe und Rohstoffe für den Bausektor eingeführt werden.

Des weiteren hat die Kommission beschlossen, Ungarn (INFR(2021)2158) wegen eines von den ungarischen Behörden eingeführten Vorabmeldeverfahrens, mit dem die Ausfuhr von Baustoffen blockiert werden kann, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen. Nach ungarischem Recht müssen Baumaterialien, die für die Ausfuhr bestimmt sind, ein Vorabmeldeverfahren durchlaufen. Ausfuhren können blockiert werden, wenn die ungarischen Behörden der Auffassung sind, dass diese „den Bau, den Betrieb, die Instandhaltung und die Entwicklung kritischer Infrastrukturen erheblich behindern oder unmöglich machen und dadurch die öffentliche Versorgung oder die Versorgungssicherheit im Baugewerbe gefährden würden“.

Sollten Sie von der neuen Verordnung betroffen sein oder weitere Fragen zu den neuen Verordnungen haben oder die Detailregelungen kennenlernen wollen bzw. sich allgemein zum Bausektor in Ungarn informieren, melden Sie sich einfach AußenwirtschaftsCenter Budapest.

Wenn Sie Verluste wegen der Exportbeschränkungen erlitten haben oder von der Sondersteuer für Bergbauunternehmen betroffen sind und auf rechtlichem Weg einen Schadenersatz anstreben möchten, empfehlen wir Ihnen die Kontaktaufnahme mit der Rechtsanwaltskanzlei Szecskay, die Sie dabei unterstützen kann. Wir arbeiten mit dieser Rechtsanwaltskanzlei zum Thema regulative Maßnahmen in der ungarischen Baustoffindustrie eng zusammen.

Stand: 17.10.2023

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