„Das Schönste ist es, die Entwicklung der Lehrlinge mitzuerleben“
Lehrlingsausbilder:in. Laura-Sophie Haid (Walter Bösch GmbH & Co KG) und Fatmir Bekiri (Julius Blum GmbH) sprechen im Interview mit „Die Wirtschaft“ über ihre Rolle als Lehrlingsausbildende, den Stellenwert der Weiterbildung sowie über Chancen und Herausforderungen in der Arbeit mit Jugendlichen.
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Wieso haben Sie sich entschieden, Ausbilder:in zu werden?
Laura-Sophie Haid: Ich habe mich entschieden, Ausbilderin zu werden, weil ich nach meiner Lehre in der Abteilung „Projekttechnik Gebäudeautomatisierung“ zunehmend die Verantwortung für die Betreuung der Lehrlinge übernehmen durfte. Diese Erfahrung hat mir nicht nur Freude bereitet, sondern auch gezeigt, wie wichtig es ist, Wissen und Fähigkeiten an die nächste Generation weiterzugeben. Als ich die Möglichkeit hatte, intern zu wechseln und die Position als Lehrlingsverantwortliche zu übernehmen, war der nächste Schritt, den Ausbilderkurs zu absolvieren. Diese Entscheidung war für mich eine logische Konsequenz, um meine Leidenschaft für die Ausbildung junger Talente weiter zu vertiefen und aktiv zur Entwicklung unserer Branche beizutragen.
Fatmir Bekiri: Ich habe mich bewusst für die Rolle als Ausbilder entschieden, weil ich junge Menschen auf ihrem beruflichen Weg begleiten und fördern möchte. Ich habe bei meiner Fachtätigkeit festgestellt, dass es mir gut liegt, Wissen zu vermitteln, somit habe ich mich dann bewusst entschieden, dies Hauptberuflich zu machen. Es ist mir ein persönliches Anliegen, Wissen weiterzugeben, Potenziale zu erkennen und junge Menschen beim Einstieg in die Arbeitswelt zu unterstützen.
Weshalb ist es wichtig, sich als Ausbilder:in stetig weiterzubilden bzw. zu qualifizieren?
Fatmir Bekiri: Ich finde, dass es für jeden wichtig ist, sich ständig weiterzuentwickeln. Jeder Stillstand ist automatisch ein Rückschritt. Die Arbeitswelt verändert sich stetig – sei es durch Digitalisierung, neue Lernmethoden oder gesellschaftliche Entwicklungen. Um Jugendlichen eine zukunftsorientierte und qualitativ hochwertige Ausbildung zu bieten, ist es unerlässlich, speziell als Ausbilder ständig dazuzulernen. Zudem fördert die eigene Weiterbildung die Vorbildfunktion des Ausbilders. Wer selbst Lernbereitschaft zeigt, motiviert auch Auszubildende zu lebenslangem Lernen.
Laura-Sophie Haid: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sich Ausbilder:innen kontinuierlich weiterbilden und qualifizieren. Der Spruch „Wer rastet, der rostet“ trifft hier den Nagel auf den Kopf. Unsere Lehrlinge stehen vor schnell wechselnden Rahmenbedingungen, wie politischen und wirtschaftlichen Faktoren, die ihren Werdegang maßgeblich beeinflussen. Daher sehe ich es als unsere Pflicht an, uns sowohl fachlich als auch persönlich weiterzuentwickeln. Nur so stellen wir sicher, dass wir unseren Lehrlingen die bestmögliche Unterstützung bieten und sie optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten können.
Warum haben Sie sich für die Ausbilder:innen-Akademie entschieden?
Laura-Sophie Haid: Ich habe mich für die Ausbilder:innen-Akademie entschieden, nachdem uns im Ausbilderkurs von diesem Programm berichtet wurde. In unserem Unternehmen legen wir großen Wert auf Weiterbildung und bieten zahlreiche innerbetriebliche Schulungen an. Daher fiel es mir leicht, die ersten Punkte zu sammeln. Nachdem ich die erste Stufe erfolgreich abgeschlossen hatte, wuchs der Ehrgeiz, noch weiterzukommen und meine Qualifikationen auszubauen.
Fatmir Bekiri: Das war eigentlich zufällig. Ich habe mitbekommen, dass es die Ausbilder-Akademie gibt und habe mich direkt informiert und mich angemeldet. Ich finde diese Möglichkeit super, um nicht nur anderen zu zeigen, was wir bei uns so machen sondern auch selber mal alles zu reflektieren und eine Arbeit daraus zu verbessern.
Welchen Nutzen bringt der Austausch mit Ausbilder:innen anderer Unternehmen?
Fatmir Bekiri: Der Austausch mit anderen Ausbildnern ist immer von Vorteil man kann seine Erfahrungen teilen und auch neue Ideen, Perspektiven und andere Sichtweisen für sich aufnehmen.
Laura-Sophie Haid: Der Austausch mit Ausbilder:innen anderer Unternehmen ist von großem Nutzen, wie ich bereits im Ausbilderkurs gelernt habe. In meiner Rolle als Lehrlingsverantwortliche betreue ich fünf verschiedene Berufe, die sowohl technische als auch kaufmännische Aspekte umfassen. Da es unmöglich ist, in allen Bereichen umfassend informiert zu sein, ist der Aufbau eines starken Netzwerks unerlässlich. Dieses Netzwerk bietet wertvolle Unterstützung bei kniffligen Fragen und Herausforderungen. Oft erhält man durch den Austausch neue Impulse, die helfen, den eigenen Lehrlingsbereich weiter zu optimieren.
Welche Themen beschäftigen Auszubildende aktuell?
Laura-Sophie Haid: Es ist zwar schwierig, eine allgemeingültige Aussage zu treffen, aber wenn ich die zentralen Themen auf Beruf, Soft Skills, Persönlichkeit und Digitalisierung reduziere, lassen sich folgende Fragen identifizieren, die Auszubildende derzeit besonders beschäftigen: Wie sicher ist mein Beruf in der sich schnell verändernden Arbeitswelt? Wie können wir das „Miteinander“ im Team fördern und durch soziale Medien näher zusammenrücken? Wie kann ich Konflikte konstruktiv lösen und meine Kommunikationsfähigkeiten verbessern? Wie gehe ich mit unterschiedlichen Kommunikationsstilen und Mediennutzungen zwischen den Generationen um? Wie finde ich heraus, was ich wirklich will und wie kann ich meine persönliche Entwicklung vorantreiben?
Wobei unterstützen Sie Ihre Auszubildenden am meisten?
Fatmir Bekiri: Ich unterstütze meine Auszubildenden besonders bei der Entwicklung ihrer Selbstständigkeit, beim Aufbau von Selbstvertrauen und bei der Vorbereitung auf Prüfungen. Auch bei sonstigen alltäglichen Herausforderungen stehe ich ihnen als Ansprechpartner zur Seite, um sie ganzheitlich zu begleiten.
Laura-Sophie Haid: In unserem Betrieb stehen 22 Ausbilder:innen zur Verfügung, die entweder in Vollzeit oder neben dem Tagesgeschäft aktiv unsere Auszubildenden betreuen. Als Lehrlingsverantwortliche agiere ich eher im Hintergrund und übernehme viele organisatorische Aufgaben. Ein zentraler Aspekt meiner Unterstützung sind die monatlichen Lehrlingssitzungen, in denen wir gezielt an Soft Skills und Wertevermittlung arbeiten. Hier fördern wir Teambuilding-Maßnahmen und stärken die Verbindung der Auszubildenden zu unserem Unternehmen. Darüber hinaus stehe ich meinen Lehrlingen mit einem offenen Ohr zur Verfügung und biete Unterstützung sowie praktische Tipps, um ihnen in schwierigen Zeiten zur Seite zu stehen.
Welche Herausforderungen gibt es im Umgang mit den Jugendlichen?
Fatmir Bekiri: Junge Menschen bringen unterschiedliche Hintergründe, Erwartungen und Lebensrealitäten mit. Eine Herausforderung besteht darin, individuell auf jeden einzelnen einzugehen und gleichzeitig die Anforderungen des Unternehmens zu vermitteln. Wenn die Lehrlinge sagen können dieser Ausbildner ist ein super Typ, aber wenn es um Leistung und Arbeit geht kennt er kein Pardon, dann hat man meiner Meinung nach alles richtig gemacht.
Was ist das Schönste für Sie an der Arbeit mit jungen Menschen?
Fatmir Bekiri: Das Schönste ist, die persönliche und fachliche Entwicklung der Lehrlinge mitzuerleben. Wenn aus anfänglicher Unsicherheit Selbstbewusstsein wird und sie stolz auf ihre Fortschritte blicken, ist das für mich der größte Lohn. Besonders schön ist es, wenn es nach der Lehrzeit zu einem Wiedersehen kommt – sei es beruflich oder bei einem Kaffee. Das zeigt die Wertschätzung der Lehrlinge gegenüber der Ausbildung und der Arbeit des Ausbilders.
Laura-Sophie Haid: Das Schönste an der Arbeit mit jungen Menschen ist für mich die Möglichkeit, ihre Entwicklung hautnah zu erleben. Es erfüllt mich mit Freude, wenn ich sehe, wie unsere Lehrlinge für ihre Ziele kämpfen und diese erreichen, sei es in Schulnoten, Prüfungen oder beim Erwerb fachlicher Skills. Besonders beeindruckend ist es, zu beobachten, wie sie an Herausforderungen wachsen. Die Dankbarkeit, die sie unseren Ausbildern entgegenbringen, ist ein weiterer Aspekt, der mir viel bedeutet.
Welches Potenzial für Ausbildungsberufe sehen Sie für die Zukunft?
Laura-Sophie Haid: Ich sehe ein großes Potenzial für die Zukunft, insbesondere als Antwort auf den bevorstehenden Fachkräftemangel. Die Lehrlingsausbildung ist ein wertvolles Gut, das es uns ermöglicht, junge Talente frühzeitig zu fördern und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Entwicklung zu unterstützen. Zudem ist es wichtig, die Karrierechancen, die eine Lehre bietet, weiter zu forcieren und aktiv zu kommunizieren. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit können wir das Bewusstsein für die Vorteile einer dualen Ausbildung stärken und mehr junge Menschen für diesen Weg begeistern.
Fatmir Bekiri: Gerade im handwerklichen Bereich gibt es Potenzial. Es gibt noch viele Möglichkeiten, diese Berufe weiterzuentwickeln und attraktiver zu gestalten. Als jemand, der selbst aus einem handwerklichen Beruf kommt, weiß ich, wie wichtig es ist, diese Berufe weiter in den Fokus zu rücken und den Nachwuchs für die Tätigkeiten zu begeistern. Gr0ße Chancen hat auch die Lehre mit Matura, da junge Menschen Praxiswissen und theoretische Kenntnisse gleichzeitig erwerben können. Dies ist besonders vorteilhaft in der Industrie. Zudem wird das duale Ausbildungssystem immer wichtiger, um den Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden.
Danke für das Gespräch.