„Für mich ist es wichtig, nicht abzuheben“
Die gebürtige Bregenzerwälderin Sigi Schelling wird im Rahmen des Genuss Festival Alpen in der Krone in Hittisau kochen. Sie gab „die wirtschaft“ einen kurzen Einblick in ihr Wirken, Schaffen und ihre Werte.
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Wie prägen Ihre Kindheitserinnerungen und Werte aus dem Bregenzerwald Ihr heutiges Werken im Werneckhof in München?
Ich glaube, dass es vor allem meine Bodenständigkeit ist, die mich prägt. Persönliche Werte wie Respekt und Achtung sind für mich bis heute sehr wichtig – sei es im Umgang mit Menschen, Produkten oder Tieren. Diese Haltung habe ich von klein auf mitbekommen, und sie begleitet mich auch jetzt in meiner Rolle als Chefin. Selbst wenn man in München oder Frankreich lebt, bleibt die Verwurzelung mit der Heimat bestehen. Für mich ist es daher entscheidend, dass ich eine klare Linie verfolge und dabei stets mit beiden Beinen am Boden geblieben bin.
Das passt ja hervorragend zur Vorarlberger Tourismusgesinnung.
Wenn ich frische Äpfel habe, koche ich mir am liebsten einen Riebel mit Apfelmus. Das Gericht erinnert mich an meine Kindheit, denn das gab es bei uns zu Hause sehr oft. Für mich steht er für Bodenständigkeit – und dieses Geerdet-Sein ist etwas, das mir besonders wichtig ist und das zu meiner Herkunft gehört. Egal, wie erfolgreich man im Leben ist: Bodenhaftung und Normalität bleiben für mich immer zentrale Werte. Mein Credo lautet: Wir sind für den Gast da – und genau so soll es auch bleiben. Gleichzeitig lege ich großen Wert darauf, dass auf dem Teller nur beste Qualität liegt: ein sorgfältig gekochtes Gericht, zubereitet aus Produkten, deren Herkunft und Aufzucht ich kenne und nachvollziehen kann. Diese Werte prägen meine Küche und spiegeln sich in meinen Menüs wider.
Ich stelle mir das ganz schwer vor, dass man wirklich auf dem Boden bleibt.
Meine Küche ist stark geprägt durch meine Ausbildung und meine früheren Stationen. Ich koche klassisch-französisch, aber mit moderner Leichtigkeit und einer großen Liebe zur Saisonalität und Regionalität. An dieser Art des Kochens halte ich fest, auch wenn ich mich in den vergangenen fünf Jahren natürlich weiterentwickelt habe. Gerade jetzt, wo wir in einer schwierigen Zeit leben, spüre ich, dass die Menschen wieder mehr Wert auf echtes, frisch gekochtes Essen legen und wissen möchten, woher die Produkte kommen. Genau dafür steht meine Küche – bodenständig, authentisch und geerdet. Ich bin eine Bregenzerwälderin, und für mich ist es wichtig, nicht abzuheben, sondern mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu bleiben.
Sie werden am 5. Oktober den Mittagslunch in der Krone in Hittisau kochen. Was erwartet die Gäste?
Ich koche eine moderne, klassische Küche, wie ich es gelernt habe. Aber wie gesagt, ich hole ganz viele Produkte aus dem Bregenzerwald, weil es mir wichtig ist. Aber wir kochen ja miteinander. Der Küchenchef der Krone Hittisau macht zwei oder drei Gänge. Und ich mache meine Gänge. Darum wird es ein Mix zwischen Bregenzerwald und einer gehobenen Küche sein.
Wie kann ich mir das vorstellen, wenn Sie in der Krone kochen? Bringen Sie Ihr eigenes Team mit?
An diesem Tag wird fast mein gesamtes Küchenteam an meiner Seite sein – allein schon wegen der 85 Gäste, das wäre anders gar nicht machbar. Mein Team kennt mich, weiß, wie ich arbeite, und genau das ist entscheidend: In einer fremden Küche mit unbekannten Leuten funktioniert es nicht. Ich habe mir die sehr kleine Küche bereits angesehen und dachte zuerst: „Okay, das wird spannend“. Aber im Endeffekt kann man überall kochen – und so wird es auch hier gehen. Ohne mein Team wäre das aber nicht möglich, denn wir arbeiten auf dem Niveau einer Sterneküche, mit einem ganz anderen Anspruch und Drill, als man es vielleicht aus dem Bregenzerwald gewohnt ist.
Wie sehen Sie das Thema Kulinarik in Regionen in Verbindung mit Tourismus? Ist das buchungsentscheidend? Ist Kulinarik ein Frequenzbringer für touristische Alpenregionen?
Ich glaube schon, dass so ein Ereignis ein echter Energiebringer für die Region ist. Vielleicht liegt es am Namen, vielleicht auch an der Verbundenheit – viele meiner Gäste kommen ja aus Vorarlberg. Und genau das ist wichtig: für uns, für die Menschen hier und für den ganzen Bregenzerwald. Solche Veranstaltungen bringen neue Gäste, die dann oft auch wiederkommen und vielleicht ein anderes Mal in die Krone oder in ein anderes Haus gehen. Das finde ich großartig.
Eine private Frage. Wofür schlägt ihr Herz? Süßspeisen oder deftige Gerichte?
Also ich bin im Herzen Köchin, ich liebe auch die Pâtisserie und mache das gerne; und ich würde aber niemals auf ein Dessert verzichten.
Sie gelten als starke, bodenständige Persönlichkeit und haben sich in einer oft männerdominierten Branche durchgesetzt. Warum sind Ihrer Meinung nach noch immer so wenige weibliche Spitzenköchinnen sichtbar – gerade bei Veranstaltungen wie dem Genuss Festival Alpen?
Es ist nach wie vor so, dass viele Frauen irgendwann Kinder bekommen – das ist völlig normal, führt aber oft dazu, dass sie in der Spitzenküche nicht dauerhaft präsent sind. Zudem bleibt die Gastronomie eine Männerdomäne, in der Frauen sich Anerkennung oft härter erkämpfen müssen. Wir sind in vielen Bereichen noch nicht wirklich im 21. Jahrhundert angekommen. Dieser Beruf ist sehr anstrengend und verlangt absolute Leidenschaft, um Tag für Tag Vollgas geben zu können. Aber letztlich ist das nicht nur in der Gastronomie so, sondern überall dort, wo es um Führungspositionen geht.
Essen Sie gerne?
Als Köchin ist klar, dass man gerne isst – ob beim Ausgehen oder unterwegs. Das ist für mich Inspiration und bringt mich weiter. Man kann nicht nur im eigenen Betrieb bleiben, sondern muss offen sein, Neues zu entdecken – sei es durch Restaurantbesuche oder durch Plattformen wie Instagram. Stillstand gibt es nicht, auch meine Küche muss sich ständig weiterentwickeln.
Gibt es eine Botschaft, die Sie uns mit Bezug zum Genuss Festival Alpen mitgeben möchten?
Ich finde es großartig, dass in Vorarlberg und in Österreich so viele kulinarische Projekte entstehen – oft sehr bodenständig, aber genau das macht sie besonders. Es ist wichtig, die regionale Küche zu präsentieren, denn das ist es, was die Menschen sehen und erleben wollen. Ich merke das auch in München: Wenn ich meinen Gästen erzähle, dass ich am Wochenende bei meiner Familie war und aus den Äpfeln meines Bruders einen Strudel gebacken habe, sind sie begeistert. Genau diese Authentizität kommt an. Darum halte ich Formate wie das Genuss Festival Alpen für so wertvoll – dort werden großartige Produkte und Köch:innen sichtbar gemacht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Daniela Vonbun-Häusle