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Zamina Ahmad
© Dominik H. Müller

„KI wird dich nicht ersetzen - aber jemand der sie nutzt, wird es tun“

Keynote. Zamina Ahmad, KI-Expertin und Unternehmerin, die sich für den verantwortungsvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz an der Schnittstelle von Ethik, Wirtschaft und Innovation engagiert, spricht beim Unternehmerinnenforum am 5. Juni 2025. Sie zeigt, wie KI nicht ersetzt, sondern befähigt – wenn Innovation, Ethik und Effizienz im Einklang stehen.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 26.05.2025

In Ihrer Keynote beim Unternehmerinnenforum werden Sie über das Spannungsfeld zwischen Innovation, Effizienz und Ethik sprechen. Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit KI im unternehmerischen Alltag nicht nur leistungsfähig, sondern auch verantwortungsvoll eingesetzt wird?
Erfolgreiche KI-Implementierung in Unternehmen erfordert drei kritische Erfolgsfaktoren: strategische Führung, operationale Exzellenz und ethische Governance. Die größten Risiken entstehen nicht durch die Technologie selbst, sondern durch mangelnde Struktur bei der Einführung.
Dafür braucht es ein neues Führungsverständnis – eines, das KI nicht als rein technisches Projekt, sondern als strategische und menschliche Aufgabe versteht. In Harvard Business Review spricht man auch von „AI-Augmented Leadership“: Führung, die KI bewusst einsetzt, um Effizienz und Innovation zu entfalten – aber immer mit einem Wertekompass.

Also ein verantwortungsvoller KI-Einsatz. Sehe ich das richtig?
Genau. Verantwortungsvoller KI-Einsatz beginnt bei den Daten – Wie wurden sie erhoben? Sind sie repräsentativ? – und reicht bis zur Einbindung von Menschen: Wer entscheidet über Einsatzbereiche, wer trägt die Verantwortung bei Fehlern, was delegieren wir an Maschinen, was bleibt beim Menschen? Unternehmen brauchen klare Prinzipien, welche Daten und KI-Systeme sie einsetzen und eine Kultur, in der nicht nur Effizienz zählt, sondern auch Transparenz und Erklärbarkeit des Wirkungsbereichs.

Viele Unternehmen versprechen sich von KI vor allem Effizienzgewinne. Wo sehen Sie die größte Gefahr, wenn dieser Fokus zu stark wird – und wie kann ein gesunder Ausgleich zur menschlichen Komponente gelingen?
Effizienz ist gut und wichtig – aber gefährlich, wenn sie zur einzigen Währung wird. Dann passiert Folgendes: kurzfristige Kosteneinsparungen werden priorisiert, während langfristige Wertschöpfung durch Innovation und Kundenbindung vernachlässigt wird. Die Analyse meiner Projekte zeigt: Unternehmen, die ausschließlich auf Effizienzgewinne setzen, erreichen zwar initial 20 bis 30 Prozent Kosteneinsparungen, verlieren aber mittelfristig Marktvorteile durch eine Reduktion der Innovationsfähigkeit, Verschlechterung der Kundenerfahrung durch Over-Automation und durch den Verlust kritischer Fachkompetenz bei Mitarbeitenden. Ein gesunder Ausgleich gelingt durch „Co-Intelligenz“ – eine bewusste Kombination aus KI-gestützten Analysen und menschlichen Fähigkeiten wie Empathie, Urteilskraft und Intuition.
KI automatisiert Routine, der Mensch bleibt verantwortlich für Strategie und Richtung. Genau diese Balance stammt auch aus dem AI-Augmented-Leadership Konzept und trainieren wir Führungskräften an – denn am Ende gilt: „AI will not replace you – but someone using AI will", gemäß KI wird dich nicht ersetzen, aber jemand der sie nutzt wird es tun.

Sie arbeiten eng mit unterschiedlichen Branchen zusammen. Welche Wirtschaftszweige oder Unternehmensgrößen unterschätzen Ihrer Erfahrung nach das transformative Potenzial von KI – und weshalb?
Gerade kleinere und mittlere Unternehmen sehen KI häufig noch als „Zukunftsthema“, das für große Tech-Konzerne oder Konzerne mit eigenen Data-Science-Teams reserviert ist. Das Gegenteil ist der Fall: KI kann insbesondere im Mittelstand helfen, Prozesse zu vereinfachen, Fachkräftemangel zu kompensieren oder interne Wissensschätze nutzbar zu machen– ob bei der Automatisierung von Abläufen, der Kundenkommunikation oder der Wissensnutzung im Betrieb.

Was fehlt?
Was oft fehlt, ist nicht der Wille, sondern eine Übersetzung in die eigene Realität: Wo anfangen? Was ist machbar? Was bringt echten Mehrwert? Ich sage dann immer: „KI beginnt nicht mit einem KI-Team – sie beginnt mit einer klugen Frage.“ Und mit Mut, erste Schritte zu testen, ohne gleich ein ganzes System umzukrempeln.

Gerade für Unternehmerinnen in KMU fehlt oft der direkte Zugang zu technologischer Infrastruktur. Was sind realistische erste Schritte, um sich mit KI vertraut zu machen – und wo sehen Sie politischen oder strukturellen Nachholbedarf?
Erfolgreiche KI-Adoption in KMU beginnt nicht mit Technologie, sondern mit strategischer Bedarfsanalyse. Das heißt: Die eigenen Pain Points erkennen. Wo wird zu viel Zeit aufgewendet? Welche Prozesse könnten smarter laufen? Das ist der ideale Ausgangspunkt für die Einführung von KI – etwa mit generativen Tools für Content-Erstellung, Automatisierung von Routineaufgaben oder datengestützten Insights für Entscheidungen. Bewährte Einstiegsstrategien sind deshalb Low-Code-/No-Code-Tools. Das ist generative KI für unterstützende Geschäftsprozesse wie Marketing oder Finance, cloud-basierte KI-Services die keine eigene Infrastruktur benötigen. Wie zum Beispiel Pay-per-Use-Modelle. Und als dritter Punkt ist hier Prozessautomatisierung zu nennen. Also der Start mit Routinetätigkeiten wie beispielsweise Buchhaltung, CRM oder Terminplanung.
Auf struktureller Ebene braucht es mehr Förderangebote für Weiterbildung, praxisnahe Trainings und unabhängige Beratung. Der Zugang zu KI darf kein exklusives Tech-Privileg sein – er muss als Teil moderner wirtschaftlicher Grundversorgung verstanden werden.

Als Frau mit technologischer Expertise sind Sie für viele ein Role Model. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die weibliche Perspektive in der Entwicklung und Steuerung von KI-Systemen – insbesondere, wenn es um ethische Weichenstellungen geht?
Sie ist zentral. Die weibliche und vielfältige Perspektive ist nicht nur ethisch geboten, sondern ein kritischer Erfolgsfaktor für robuste, sichere KI-Systeme. Ich habe selbst Algorithmen trainiert und dabei erlebt, wie sehr die Daten die Ergebnisse beeinflussen. Wenn Frauen in Trainingsdaten nur zu 30 Prozent vorkommen, aber wie 50 Prozent behandelt werden sollen – dann muss das explizit gemacht werden. Sonst entsteht automatisierte Diskriminierung.

Haben Sie ein Beispiel dafür?
Es darf nicht sein, dass beispielsweise Alexa nur auf Männerstimmfrequenzen trainiert ist – und niemand fragt, warum. Vielfältige Perspektiven sind deshalb kein Add-on, sondern ein Erfolgsfaktor. Wir brauchen diverse Teams, die Technologie gestalten – und zwar nicht nur, um Fehler zu vermeiden, sondern um bessere Systeme zu bauen. Fairness entsteht nicht zufällig. Sie ist das Ergebnis bewusster Gestaltung. KI-Erfolg entsteht nicht durch Technologie allein, sondern durch strategische, menschenzentrierte Implementation. 

www.zamina.de

Interview: Daniela Vonbun-Häusle

Vielen Dank für das Gespräch!