„Qualifizierung ist entscheidend für Unternehmenserfolg“
Die WIFI-Qualifizierungsberaterin Selina Schönborn gibt im Interview mit „Die Wirtschaft“ Einblick in ihren Tätigkeitsbereich und informiert über das breite Weiterbildungsangebot des WIFI Vorarlberg.
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Was verstehen Sie konkret unter dem Begriff Qualifizierung in der heutigen Zeit?
Qualifizierung bedeutet für mich, dass Menschen ihre Potenziale entfalten können – weit über fachliche Fähigkeiten hinaus. Es geht darum, Talente zu erkennen, weiterzuentwickeln und für konkrete Tätigkeiten einzusetzen. Gute Qualifizierung stärkt nicht nur die fachliche Kompetenz, sondern auch die Handlungsfähigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Was sind Ihre Aufgaben als WIFI-Qualifizierungsberaterin?
Der direkte Austausch mit Vorarlberger Betrieben ist für meine Arbeit zentral. Qualifizierte, engagierte Mitarbeiter:innen sind ein Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Um Betriebe bestmöglich zu unterstützen, höre ich genau hin, erhebe ihren Weiterbildungsbedarf und entwickle gemeinsam individuelle Lösungen – von bestehenden WIFI-Kursen bis hin zu maßgeschneiderten Formaten. Auch die Praxisimpulse der Betriebe fließen zurück ins WIFI.
Sie helfen uns, unser Angebot weiterzuentwickeln und Raum für Innovation zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit den Bereichsleiter:innen und durch kontinuierliche Feedbackschleifen setzen wir gezielte Unterstützungsmaßnahmen um – wie zum Beispiel kostenlose Webinare oder themenspezifische Austauschtreffen. Mit dem Aufbau einer Community stärken wir auch den unternehmensübergreifenden Dialog. Dazu gehören sogenannte „Potenzialgruppen“ – thematische Stammtische für Betriebe mit ähnlichen Herausforderungen. Sie schaffen Raum für Erfahrungsaustausch und gemeinsame Strategien im Umgang mit Fachkräftemangel und Wandel.
Sie sind nun seit Februar als Qualifizierungsberaterin am WIFI tätig, was ist Ihr Fazit bisher?
Die Gespräche mit Unternehmer:innen und Personalverantwortlichen waren geprägt von Offenheit und Vertrauen – dafür bin ich sehr dankbar. Ich erhielt teils tiefe Einblicke in Unternehmensgeschichten, die für mich auch persönlich bereichernd waren. Gerade wegen dem Fachkräftemangel und gesellschaftlichem Wandel ist Weiterbildung für viele Betriebe ein zentrales Anliegen. Fast alle bestätigten, wie entscheidend Qualifizierung für ihren Unternehmenserfolg ist – ganz im Sinne der Fachkräftestrategie. Aus den Gesprächen kristallisierten sich zentrale Themen heraus.
Welche?
Rund 70 Prozent der Betriebe nannten die Mitarbeitermotivation zur Weiterentwicklung als große Herausforderung – unabhängig von Branche oder Größe. Viele Führungskräfte berichten, dass mangelnde Motivation oft in negativen Bildungserfahrungen wurzelt. Daraus ergeben sich wichtige Fragen: Warum entfalten Menschen ihr Potenzial nicht von sich aus? Welche neuen, positiven Bildungserfahrungen wären nötig? Was bedeutet das für Weiterbildungsstrukturen beim WIFI Vorarlberg?
Gerade KMU tun sich oft schwer, dem Thema Qualifizierung genug Raum zu geben – der Alltagsdruck ist hoch, Kapazitäten fehlen, Unsicherheit ist spürbar. Das zeigt: Unterstützungsangebote rund um Personalentwicklung sind besonders für KMU essenziell und willkommen.
Wie hat sich die Nachfrage nach Weiterbildungen durch Digitalisierung und KI verändert?
Die Gespräche bisher haben gezeigt, dass Unternehmer:innen und Betriebsleiter:innen selbst kurze digitale Formate wie zum Beispiel Webinare für sich bevorzugen. Die Mehrheit von ihnen ist interessiert an weiteren Impulsen und Hilfestellungen von seitens der Qualifizierungsberatung und zieht dabei eine digitale Möglichkeit vor. Dies ist vor allem aufgrund des empfundenen Zeit- und Effizienzdrucks vieler Unternehmer:innen so gewünscht. Auch von kurzen Einheiten für Führungskräfte in einem hundertprozentigen Online-Format fühlt sich diese Zielgruppe angesprochen. Auf der Seite ihrer Mitarbeiter:innen sieht es da etwas anders aus. Für diese nämlich wünschen sie sich nach wie vor überwiegend Weiterbildungsangebote in Präsenz. Daneben können sie sich genauso Mischformen online/Präsenz, sozusagen ein blended learning-Format, vorstellen. Das heißt, eine Kombination zwischen selbstständigem und flexiblem Lernen auf der Lernplattform einerseits und dem vertiefenden Lernen in Präsenzeinheiten andererseits. Viele betonen, wie wichtig der menschliche Aspekt mit analogem Austausch gerade wegen der voranschreitenden Digitalisierung ist. Das Thema Künstliche Intelligenz findet vermehrt Einzug in die verschiedensten Abteilungen der Betriebe. So zeigt sich ganz deutlich eine gewisse Neugier gegenüber den Möglichkeiten von KI für eigene Tätigkeitsfelder, gleichzeitig aber scheint auch eine große Unsicherheit zu bestehen. Viele meiner Gesprächspartner:innen möchten sich mehr mit KI auseinandersetzen und äußerten ihren Bedarf an Basis-Schulungen und generell Informationen für sich und ihre Mitarbeiter:innen.
Welche Initiativen haben Sie geplant, um mehr Betriebe für die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden zu begeistern?
Mein Ziel ist es, Brücken zu Unternehmen zu bauen – durch die „Unternehmer-Safari“ der Qualifizierungsberatung. Ich lade Unternehmer:innen aktiv ein, sich auf diesen Weg einzulassen – oft durch persönliche Betriebsbesuche, aber auch online oder telefonisch. In ersten Gesprächen gebe ich Impulse zur Mitarbeiterentwicklung. Im nächsten Schritt können Interessierte an kostenlosen Webinaren teilnehmen, thematisch abgestimmt auf aktuelle betriebliche Herausforderungen.
Ergänzend erhalten sie Zugang zur Community-Plattform mit Webinar-Folien, Impulsen, weiterführenden Infos und einem Forum. Sie können sich dort auch mit Interessensgruppen vernetzen und an Veranstaltungen zur Mitarbeiterqualifizierung teilnehmen.
Die „Unternehmer-Safari“ ist ein ganzheitlicher Prozess des Zuhörens und Verbindens. Jeder Kontaktpunkt setzt Impulse, um zusammen aktuellen Herausforderungen zu begegnen, Weiterbildung als Instrument für den Betriebserfolg zu erkennen, Weiterbildung als Möglichkeit der Potenzialentfaltung der Mitarbeiter:innen zu nutzen und von gegenseitiger Inspiration, Ermutigung und einem Austausch zu profitieren. (Siehe Grafik.)
Welche Fördermöglichkeiten gibt es aktuell für Weiterbildungsmaßnahmen, und wie unterstützen Sie bei der Antragstellung?
Unternehmen können verschiedene Förderungen für die Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden nutzen. Dazu zählt die Qualifizierungsförderung für Beschäftigte des AMS – speziell für gering qualifizierte oder ältere Arbeitskräfte, um deren Fähigkeiten zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Mit Chance - Ausbildung nach Maß können Unternehmen gezielt Fachkräfte nach ihrem Bedarf ausbilden. Auch über die Zukunftsstiftung Vorarlberg ist eine Unterstützung bei Aus- und Höherqualifizierungen möglich. Zusätzlich fördert LEHRE.FÖRDERN Maßnahmen zur Attraktivitäts- und Qualitätssteigerung in der Lehrlingsausbildung. Ich unterstütze Betriebe dabei, passende Fördermöglichkeiten zu finden: Zuerst informiere ich über mögliche Programme, viele Unternehmen kennen sie noch nicht. Danach prüfen wir gemeinsam den Weiterbildungsbedarf und passende Förderungen. Ich stelle übersichtliche Infos und Antragslinks bereit – und helfe bei Bedarf auch direkt bei der Antragstellung.
Wie wichtig wird es in der Zukunft sein, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden Weiterbildungsangebote bieten?
Mein Anliegen im Namen des WIFI Vorarlberg ist es, Menschen zu inspirieren und in Entwicklungsbewegung zu bringen. Das geht nur mit einem Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen Lernfreude, Leistungsfreude und Lebensfreude. Es wird in Zukunft für Unternehmen noch wichtiger sein, all diese drei Aspekte im Menschen zu nähren, denn sie sind unzertrennlich miteinander verbunden. Gerade in Zeiten des Wandels und der Unsicherheiten wird es darauf ankommen, vor allem die Problemlösungskompetenzen der Mitarbeiter:innen zu fördern. Dazu müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen als aktive Gestalter ihrer eigenen Entwicklung sehen – und Räume schaffen, in denen Verantwortung und Potenzial wachsen können.
Danke für das Gespräch.
Interview: Nora Ionian-Weiß