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Markus Kegele
© Matthias Rhomberg

„Tourismus ist kein Beiwerk - er ist ein Motor“

Im „diwi“-Gespräch spricht Spartenobmann Markus Kegele über die Herausforderungen für die Betriebe seiner Sparte, wie sich das Gästeverhalten gewandelt hat und was seine Ziele als Spartenobmann sind.

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 25.09.2025

Herr Kegele, warum engagieren Sie sich in der Wirtschaftskammer Vorarlberg?
Weil ich gestalten will – nicht nur kommentieren. Als Unternehmer weiß ich, wie viel Energie es braucht, ein Hotel, ein Restaurant oder einen Betrieb am Leben zu halten. Diese Realität will ich in der Interessenvertretung spürbar machen. Mir ist wichtig, dass die Stimme der Praktiker:innen gehört wird. Wir brauchen keine Theorien aus dem Elfenbeinturm, sondern konkrete Lösungen, die Betrieben im Alltag helfen.

Der Blick auf Vorarlberg fällt also aus der Praxisperspektive heraus: Wie bewerten Sie die touristische Entwicklung des Landes?
Vorarlbergs Tourismus ist stark – im Sommer wie im Winter. Die nächsten Schritte werden sein, vom Zwei-Saisonen-Takt zum verlässlichen Jahresrhythmus zu gelangen: mit Bergsommer, Kulturherbst sowie Genuss- und Gesundheitsangeboten. Die strategische Entwicklung in Richtung Ganzjahresdestination ist am Laufen. Unsere Betriebe sind bereit; die nächste Generation steht vielerorts parat. Dafür brauchen wir planbare Rahmenbedingungen, schlanke digitale Verfahren und tragfähige Kostenstrukturen. Dann wird aus einer hohen Saisonauslastung eine stabile Ganzjahresdestination – mit Qualität für Gäste und Lebensqualität für die Menschen vor Ort. Wir sind gut, jedoch noch nicht am Ziel. Wichtig ist, unsere Stärken – Natur, Kultur und Kulinarik – noch stärker zu vernetzen und sichtbar zu machen.

Klingt nach klaren Chancen. Welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
Wir kämpfen an vielen Fronten: zu wenige Fachkräfte, zu viele Vorschriften und oft zu wenig Verständnis für das, was der Tourismus tatsächlich leistet. Gleichzeitig sind wir eine der innovativsten Branchen – wenn man uns lässt. Die größte Gefahr ist, dass der Innovationsgeist durch Überregulierung gebremst wird. Was wir brauchen, sind Entlastungen: einfachere Genehmigungsverfahren, moderne Arbeitszeitmodelle und eine engere Kooperation mit Bildungsinstitutionen.

Die Themen Fachkräfte und Nachhaltigkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihre Sparte. Welche Strategien verfolgen Sie?
Fachkräfte und Nachhaltigkeit sind kein Zusatz, sondern die Grundlage. Wir setzen auf Jahresverträge, planbare Dienstpläne, Mitarbeiter:innenwohnungen und Kinderbetreuung. Außerdem stärken wir Aus- und Weiterbildung, öffnen den Quereinstieg und rekrutieren fair international – mit Visa-Support und Deutschkursen, damit Talente auch langfristig bleiben. Nachhaltigkeit liegt in unserer DNA. Wir machen sie messbar – etwa durch CO₂ je Nächtigung – reduzieren Food Waste, setzen auf erneuerbare Energien, Wärmerückgewinnung und regionale Lieferketten. Besonders entscheidend ist die Mobilität: bessere Bahnanschlüsse aus Zürich, München und Stuttgart sowie smarte Lösungen für die „letzte Meile“ in den Talschaften. Unser Ziel ist klar: Vorarlberg soll als attraktivster Arbeitgeber und zugleich als nachhaltigste Destination im Alpenraum wahrgenommen werden.

Auch die Gäste verändern ihr Verhalten. Worauf reagieren die Betriebe?

Unsere Gäste sind anspruchsvoller, informierter und differenzierter. Qualität, Regionalität und authentische Erlebnisse sind entscheidend. Investitionen in Architektur, Kulinarik oder Hotellerie zahlen sich hier direkt aus. Nicht zu vergessen, dass die gesamte Region von der touristischen Wertschöpfung profitiert.
Natürlich bleibt die Gastfreundschaft unser Fundament. Doch sie stößt an Grenzen, wenn die Rahmenbedingungen schwieriger werden, etwa durch Personalknappheit. Umso wichtiger ist es, die Tourismusgesinnung im Land hochzuhalten: Die Wertschöpfung, die unsere Gäste bringen, kommt direkt den Regionen zugute – in Form von Arbeitsplätzen, Nahversorgung und Kultur.

Ein weiteres großes Thema ist die Digitalisierung. Welche Rolle spielt sie im Tourismus?

Eine zentrale Digitalisierung ist längst kein Zusatz mehr, sondern integraler Bestandteil und entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe. Sie reicht von der Buchung über individuelle Gästekommunikation bis zu KI-gestütztem Revenue-Management und internationalem Marketing. Hier entscheidet sich die Wettbewerbsfähigkeit.
Vorarlbergs Stärke ist die Offenheit vieler Betriebe für neue Tools. Gleichzeitig müssen wir die Balance wahren: Digitale Effizienz darf die menschliche Begegnung nicht ersetzen. Am Ende zählt das persönliche Erlebnis – Technik soll es nur unterstützen.

Zukunftsaussichten: Was möchten Sie als Obmann in den nächsten Jahren bewegen?

Mein Ziel ist es, die Sparte noch stärker als Motor für Zukunftsthemen zu positionieren: Standortentwicklung, Internationalisierung, Digitalisierung, Deregulierung, Wettbewerbsfähigkeit. Wir als Sparte müssen Orientierung und Unterstützung bieten, damit unsere Betriebe international erfolgreich bleiben und zugleich tief in den Regionen verwurzelt. Nur so können wir den Standort nachhaltig stärken. Das funktioniert am Besten im Dialog – zwischen Politik, Regionen und Unternehmer:innen. Vieles läuft gut, aber wir sollten uns noch stärker auf gemeinsame Projekte konzentrieren, die den Standort nachhaltig stärken. Es geht nicht um kurzfristige Schlagzeilen, sondern um eine langfristige Entwicklung. Ich möchte, dass wir in zehn Jahren sagen können: Vorarlberg hat es geschafft, wirtschaftliche Stärke, ökologische Verantwortung und soziale Attraktivität in Einklang zu bringen.

Was wünschen Sie sich für die Unternehmen Ihrer Sparte?

Mehr Vertrauen, mehr Flexibilität und einen klaren Schulterschluss zwischen Politik, Bildung und Betrieben. Tourismus ist kein Beiwerk – er ist ein Motor. Und wir sollten ihn auch so behandeln. Mir ist wichtig, dass wir das Bild des Tourismus neu erzählen: nicht als Saisonjob, sondern als Branche mit Perspektive, Innovationskraft und internationaler Attraktivität. Wer heute im Tourismus arbeitet, ist Teil einer globalen Bewegung – und trägt direkt zur Lebensqualität in Vorarlberg bei. Dieses Selbstbewusstsein möchte ich stärken.

Abschließend noch zwei private Fragen: Wie sind Sie selbst in die Branche gekommen – war es Berufung oder Zufall?
Gastfreundschaft und Unternehmertum begleiten unsere Familie seit Generationen. Einer unserer Vorfahren, Samuel Kegele, war der erste Wirt in Brand. Sein Haus entwickelte sich erfolgreich und wurde zum ersten Hotel des Ortes. Danach, 1871 eröffnete er am Lünersee die erste bewirtschaftete Schutzhütte Vorarlbergs – und zugleich die erste des Deutschen Alpenvereins, ein frühes Signal für den Aufbruch in den alpinen Tourismus der Ostalpen. In den Annalen wird sie „für ihre aufmerksame Gastlichkeit und gute Küche gerühmt“ – Worte, die auch heute noch das Wesen unseres Tourismus auf den Punkt bringen: Gastfreundschaft und Qualität, zeitlos gültig, selbst wenn sich die Rahmenbedingungen seither grundlegend verändert haben. Materiell habe ich nichts geerbt, aber etwas weit Wertvolleres: eine Haltung, einen Unternehmergeist, der Demut mit Pionierwillen verbindet. 2005 hat mir Werner Walch aus Stuben am Arlberg das Hotel Mondschein anvertraut, das seit 1739 durchgehend als Gastwirtschaft und Herberge besteht und das ich seither als Eigentümer führe. Heute zählen auch Chalet Mondschein, Arlberg Motel und die Kaltenberghütte, die wir seit über einem Jahrzehnt als Pachtbetrieb leiten, zu unserem Wirkungsfeld. Ergänzend betreibe ich seit 1999 Tourismus-Consulting und begleite andere Betriebe in ihrer Weiterentwicklung.

Tourismus ist ein 24/7-Geschäft. Wo tanken Sie selbst Energie, wenn es einmal zu viel wird?

Unsere Kernkompetenz ist Essen, Trinken, Schlafen. Genau darin liegt die Kunst unseres Geschäfts – weil es sich über 24 Stunden erstreckt und höchste Organisation und Qualität verlangt. Tourismus ist damit nicht nur ein 24/7-Betrieb, sondern zugleich ein stabiler Wirtschaftsfaktor in einer der schönsten Regionen der Welt – und genau hier finde ich auch meine Energie. Im Winter auf den Skiern oder bei Skitouren, im Sommer beim Schwimmen in Bergseen oder beim Wandern zur Kaltenberghütte und auf die Albona. Wir beherbergen Gäste aus über 25 Nationen, die hier neue Kraft schöpfen – und es gilt für uns Einheimische nicht weniger. Indem ich Arbeit und Naturerlebnis verbinde, entsteht eine Balance, die mich trägt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Daniela Vonbun-Häusle