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Carina Pollhammer
© PAR/Helge Kirchberger

„Viele Menschen schätzen es wohnortnah arbeiten zu können“

Im Gespräch mit „die wirtschaft“ erzählt Spartenobfrau Carina Pollhammer von den Herausforderungen für die Betriebe ihrer Sparte, dem Erfolg der neuen Handelskampagne und ihren Wünschen für die Unternehmer:innen.

Lesedauer: 1 Minute

Aktualisiert am 15.12.2025

Warum engagieren Sie sich in der Wirtschaftskammer?
Ich bin überzeugt: Wirtschaft braucht eine starke Stimme und einen konstruktiven Dialog. Mir ist es wichtig, die Anliegen des Handels sichtbar zu machen und aktiv an Rahmenbedingungen mitzugestalten, die Zukunft ermöglichen – mutig, modern und regional verankert. Gleichzeitig ist es mir ein Herzensanliegen, mich nicht nur im eigenen Unternehmen zu zeigen, sondern Erfahrungen weiterzugeben. Große Betriebe können Entwicklungen testen, aus Fehlern lernen und dieses Wissen der gesamten Branche  - und hier vor allem den kleineren Betrieben - zugänglich machen. Durch unsere (Anmerkung: Spar Vorarlberg) Standorte im ganzen Land habe ich zudem ein gutes Gespür für unterschiedliche regionale Bedürfnisse. Ich hoffe, dass die Mitglieder mir zutrauen, ihre Anliegen kompetent und engagiert zu vertreten.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?

Der Handel bewegt sich im Spannungsfeld von Digitalisierung, Arbeitskräftemangel, steigenden Kosten sowie rasch veränderten Konsumgewohnheiten. Handel war immer Wandel – aber heute braucht es mehr denn je Sichtbarkeit, Serviceorientierung und echte Kundennähe. Betriebe, die ihre Stammkund:innen gut betreuen und mit Erlebnissen am POS (point of sale - Verkaufspunkt) punkten, sind nach wie vor erfolgreich. Stationärer Handel funktioniert nicht mehr nach dem Prinzip „Türe auf und es läuft“, sondern über Inszenierung, Emotion und Erlebnisse. Das bedeutet Aufwand, eröffnet aber große Chancen. Die Digitalisierung hat seit Corona deutlich an Fahrt aufgenommen. Mit der neuen Digitalisierungsoffensive sehen wir, dass die Händler:innen bereit sind, Schritte zu setzen. Gleichzeitig stehen wir vor Themen wie Nachfolgeregelungen: Viele Babyboomer gehen in Pension, Investitionsbereitschaft sinkt ohne Nachfolger:in – gleichzeitig kommen viele junge, motivierte Unternehmer:innen nach. Das stimmt mich optimistisch.

Geht aus Ihrer Sicht das „Shrinkflation“-Gesetz am Kernproblem vorbei?

Ich sehe das Gesetz kritisch. Warum soll der Handel sanktioniert werden, wenn die Reduktion der Füllmengen beim Produzenten passiert? Der Handel bringt das Produkt lediglich in Verkehr. Werden Kontrollen oder Vorschriften notwendig, müssen sie vorher in der Wertschöpfungskette ansetzen – nicht am Ende.
Shrinkflation ist auch für die Kundschaft eine Herausforderung. Wer aufmerksam ist, erkennt veränderte Packungsgrößen und entscheidet bewusst. Aber die Verantwortung allein dem Handel umzuhängen und zusätzliche Auszeichnungspflichten einzuführen, halte ich für wenig zielführend.

Im Herbst wurden in der Sparte Handel neue, zukunftsweisende Schritte gesetzt – etwa die Kampagne für die Handelsbetriebe oder die digitale Roadshow. Warum waren diese Maßnahmen notwendig?
Eines vorneweg: Die größte Freude ist für mich, dass es uns gelungen ist, mit allen 19 Fachgruppen gemeinsam eine starke Kampagne umzusetzen. Das war eine echte Herausforderung – und der Erfolg gibt uns recht: Wir sind sichtbar geworden, und die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsgemeinschaften und Stadtmarketings war hervorragend. Man hat auch bei ihnen den Spirit gemerkt, den die Kampagne hervorgerufen hatte. Ein Ziel war, den Handel im Employer Branding zu stärken und die enorme Vielfalt an Jobmöglichkeiten klarer zu zeigen. Die Digitalisierungsoffensive hat gezeigt: Wir müssen noch stärker direkt zu den Betrieben gehen, vor Ort coachen und Best-Practice-Beispiele mitnehmen. In unseren vier Fokusgruppen – Kommunikation, Bildung, Digitalisierung und Recht – arbeiten Expert:innen aus allen Fachgruppen zusammen. Erste Erfolge zeigen sich: von einer klaren Kommunikationslinie über ein neu aufgesetztes Bildungsangebot bis hin zu digitalen Unterstützungsmaßnahmen und rechtlichen Klärungen. Obwohl wir in der Bildung schon immer sehr stark aufgestellt gewesen sind. Mit der neuen Landingpage, dem Job- und Qualifikationscheck, dem neu gestalteten Auftritt bei der diesjährigen i-Messe und einer hohen Wiedererkennbarkeit unserer Kampagne schaffen wir ein modernes Bild des Handels. Die positive Resonanz zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie zeitgemäß ist eine Ausbildung im Handel?
Sehr zeitgemäß – und vielseitiger denn je. Der Handel bietet Lehrlingen und Quereinsteiger:innen viele Perspektiven und Weiterbildungswege, vom E-Commerce über klassische kaufmännische Berufe bis zu Logistik- oder Lagerexpert:innen. Durch flexible Arbeitszeitmodelle – Teilzeit wie Vollzeit – ermöglichen wir eine gute Vereinbarkeit von Beruf, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen. Die regionale Nähe, persönliche Beratung und abwechslungsreichen Tätigkeiten machen Handelsberufe attraktiv. Auf unserer Plattform www.dervorarlbergerhandel.at gibt es zudem einen Lehrberufe-Check, der Jugendlichen hilft, ihre Stärken zu erkennen und passende Berufe zu finden.

Sie erwähnten es bereits: Im Handel gibt es traditionell eine hohe Teilzeitquote. Wie beurteilen Sie diese aus Sicht von Arbeitgeber:innen?
Teilzeit ist im Handel keine Belastung, sondern eine wichtige Möglichkeit – für beide Seiten. Gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten werden künftig wohl wieder mehr Haushalte zwei Einkommen brauchen. Flexible Arbeitszeitmodelle helfen, Job und familiäre Verpflichtungen gut zu vereinbaren.
Viele Menschen schätzen es, wohnortnah und in kurzen Schichten arbeiten zu können. Für manche ist es auch sozial wichtig, aus dem häuslichen Umfeld herauszukommen. Stationäre Handelsbetriebe sind oft erste Ansprechpartner:innen im Alltag – ein sozialer Treffpunkt, der künftig noch mehr Bedeutung gewinnen wird.

Was wünschen Sie sich für die Unternehmen Ihrer Sparte?
Ich wünsche mir ein Umfeld, das Unternehmertum stärkt, Innovation ermöglicht und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Nachhaltiger Erfolg entsteht dort, wo wirtschaftliches Denken auf Empathie und Haltung trifft. Für unsere Mitglieder wünsche ich mir ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft, ein starkes Jahr 2026 und gute Saisonen an allen Standorten. Wichtig ist mir auch, dass die Wirtschaftskammer als verlässliche Anlaufstelle wahrgenommen wird – wir sind für die Unternehmen da.

Sie sind zusätzlich auch bei Frau in der Wirtschaft (FiW) Vorarlberg sehr aktiv, oder?
Ja, ich darf die Funktion der Vorsitzenden bekleiden. Gemeinsam mit meinen Stellvertreterinnen, den Bezirkssprecherinnen und dem starken Team rund um Geschäftsführerin Karin Furtner, konnten wir im vergangenen Jahr die Sichtbarkeit von FiW enorm stärken. Beispielsweise informierten wir über 850 Teilnehmerinnen zu diversen frauenspezifischen Themen bei dreizehn Veranstaltungen. Für 2026 sind die Weichen bereits gestellt: Mit geballter Frauenpower werden wir unsere Netzwerke weiter stärken und die Sichtbarkeit von Frauen noch deutlicher voranbringen. Denn genau das ist entscheidend für unser berufliches Weiterkommen und Miteinander.

Abschließend eine private Frage: Sie sind keine gebürtige Vorarlbergerin. Wie haben Sie sich eingelebt?

Wunderbar (lacht). Die kurzen Wege, die Offenheit und die Innovationskraft in Vorarlberg sind beeindruckend. Dieses Umfeld motiviert mich sehr und war ein wesentlicher Grund, eine weitere Periode anzustreben. Das Netzwerk über alle Sparten hinweg zeigt eine enorme Kraft – das steckt an. Sehr schätze ich auch die Zusammenarbeit mit meinen beiden Stellvertretern, Rudi Lins und Robert Küng. Wir ergänzen uns hervorragend, jeder bringt eigene Erfahrungen und Schwerpunkte ein. Für mich war die Arbeit für die Sparte von Anfang an eine großartige Möglichkeit, mich auch außerhalb von Spar gut zu vernetzen. Als Steirerin bringe ich oft andere Impulse mit ein – aber gerade das bereichert unser Team. Besonders hervorheben möchte ich zudem die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem gesamten Team der WKV. Die Professionalität, Verlässlichkeit und Lösungsorientierung, mit der dort gearbeitet wird, sind wirklich außergewöhnlich. Ein ganz großes Lob gilt dabei dem Spartengeschäftsführer Handel Michael Tagwerker und seinem Team – ihre Unterstützung, ihre Expertise und die stets offene Kommunikation schaffen ein Umfeld, in dem man gerne und effektiv zusammenarbeitet. Dieses Miteinander ist ein wesentlicher Grund, warum ich mich hier so gut eingelebt habe.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Daniela Vonbun-Häusle