HR wird zum strategischen Erfolgsfaktor: „Ohne den Human Touch geht es nicht“
Die Babyboomer gehen in Rente, die Generation Z stellt neue Ansprüche. Gleichzeitig verändern Digitalisierung und KI die Arbeitswelt grundlegend. Human Resources-Experte Daniel Hünebeck erklärt, wie Unternehmen darauf reagieren sollten – und warum Empathie der entscheidende Erfolgsfaktor bleibt.
Lesedauer: 4 Minuten
Herr Hünebeck, Sie sprechen von einem „Arbeitnehmer:innenmarkt“ und davon, dass die Babyboomer nach und nach ausscheiden. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Unternehmen, wenn diese Generation den Arbeitsmarkt verlässt?
Der Fachkräftemangel beziehungsweise Arbeitnehmer:innenmangel im Allgemeinen lässt sich ganz klar an den Zahlen ablesen. Circa 170.000 Personen werden in den kommenden Jahren jedes Jahr pensioniert und nur circa 130.000 neue Arbeitnehmer:innen, in den Arbeitsmarkt eintreten und das ist schon inklusive Zuwanderung. Diese Lücke wird man auf dem Arbeitsmarkt spüren. Und auch wenn jetzt aktuell die Situation aufgrund der konjunkturellen Situation wieder etwas entspannter ist, ist das kein Grund sich zurückzulehnen, sondern es gilt jetzt die Zeit zu nutzen, um sich auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten, zum Beispiel durch verstärktes Employer Branding. Dazu muss auch noch der Wissensverlust durch einen Know-how-Transfer sichergestellt werden und die nachrückende Generation Z hat andere - viel fordernde - Erwartungen an die Arbeitgeber:innen.
„Wenn Bots übernehmen“ klingt für viele nach einer Bedrohung. Wie sehen Sie die Rolle von Künstlicher Intelligenz und Automatisierung im HR-Bereich: Wo entstehen echte Chancen und wo lauern Risiken?
Im HR-Bereich gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten von KI und Chatbots wie ChatGPT. Ich denke da an die ganzen Texte, die HR verfasst – von Stellenausschreibungen über Absagen, Abmahnungen und Kündigungen bis zu Arbeitszeugnissen und Employer Branding Content. Darunter sind viele repetitive Aufgaben, wo KI unterstützen kann.
Auch das Prüfen von Bewerbungen auf Must-Have-Kriterien (wie etwa ein BWL-Studium und Französischkenntnisse) kann ein KI-Bot automatisiert überprüfen. Oder die Beantwortung von Fragen der Mitarbeiter:innen wie „Wie viele Urlaubstage habe ich dieses Jahr noch?“ kann ein Bot beantworten. Die Risiken lauern immer dann, wenn KI komplett automatisiert wird und ein Mensch nicht mal mehr darüber schaut. Das muss man genau prüfen. Chancen sehe ich darin, dass HR-Mitarbeitende sich durch frei gewordene Zeit auf die Entwicklung und Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen zum Beispiel durch mehr persönliche Gespräche und Mentoring konzentrieren können. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dieser „Human Toch“ nicht zu unterschätzen.
Sie arbeiten viel mit Unternehmen an Employer Branding und Social Recruiting. Welche konkreten Strategien haben sich in der Praxis bereits bewährt, um junge Talente – gerade aus der Generation Z – für Arbeitgeber:innen zu gewinnen?
Die Zeiten, in denen man eine Jobanzeige auf karriere.at geschaltet hat und eine Vielzahl an Bewerbungen bekommen hat, ist – je nach Branche – entweder bereits vorbei oder spätestens mit dem fortschreitenden demografischen Wandel.
Unternehmen müssen es Bewerbern heute möglichst einfach machen, auf dem Smartphone und dabei allenfalls auch auf Anschreiben und Lebenslauf im ersten Schritt verzichten. Dafür kann Social Recruiting zum Einsatz kommen, wo mögliche Kandidaten – auch „passive“, die gar nicht auf Jobsuche, aber latent unzufrieden sind – sich einfach mittels eines kurzen Quizzes bewerben können. Und vor allem müssen Unternehmen sich heute verkaufen und vermarkten. Statt „unsere Anforderungen, ihr Profil“ muss es heute in Stellenausschreibungen heißen „unsere Benefits und warum jemand bei uns arbeiten sollte“. Employer Branding ist dafür Voraussetzung. Wenn ein Unternehmen ein schlechter Arbeitgeber ist, was sich heutzutage auf Bewertungsplattformen wie Kununu zeigt, dann wird auch die beste Recruiting-Kampagne erfolglos sein. Die Unternehmen müssen zuerst ihre Hausaufgaben machen und sicherstellen, dass sie ein guter Arbeitgeber sind. Dazu zählen Benefits, flexible Arbeitsmöglichkeiten und ein gutes Arbeitsklima.
Sie kommen ursprünglich aus dem Digital Marketing. Welche Instrumente und Methoden aus dem Marketing sollten HR-Abteilungen unbedingt übernehmen, um zukunftsfähig zu bleiben?
Human Resources und Marketing müssen zukünftig viel mehr zusammenarbeiten. HR war bisher nicht in der Situation sich vermarkten zu müssen, da wir einen Arbeitgebermarkt hatten mit vielen Bewerbungen auf eine Stelle. Jetzt wo das kippt, wird HR viel mehr die Vorteile als Arbeitgeber herausstellen müssen, um im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern zu bestehen. Hier kann Marketing helfen. Ich denke da natürlich vor allem an Social Media – da wo die Kandidaten sich nun mal am meisten aufhalten. Aber auch an eine klare Arbeitgeberpositionierung, die eigene Website, Analytics und Performance-Ziele. Das sind ganz neue Anforderungen an das Profil eines HR-Profis oder eben die enge Zusammenarbeit mit der Marketing-Abteilung, die in Zukunft nicht nur die Produkte oder Dienstleistungen bewerben, sondern auch für den Vertrieb Leads und für HR-Kandidaten generieren muss.
Können Sie uns ein oder zwei Best-Practice-Beispiele nennen, wo Unternehmen den Spagat zwischen Digitalisierung, Automatisierung und Menschlichkeit im Recruiting besonders gut meistern?
Im Bereich des Recruitings gilt Ziehl-Abegg als Best-Practice. Die sind die „Tik-Tok-Könige“ – sie schaffen es durch lustige Tik-Toks eine Vielzahl an Bewerbungen für einen deutschen Hidden-Champion zu generieren, der in Künzelsau in Baden Württemberg sitzt – jetzt nicht der erste Wunschort von Fach- oder Nachwuchskräften. Aber auch die ÖBB haben ihre Personalgewinnung modernisiert mit beachtlichem Erfolg, nämlich einem Bewerberrekord. Der Ansatz: aktives Employer Branding, digitale Reichweiten, Willkommensprämien und zwischenmenschliche Maßnahmen wie Gespräche, Mentoring-Programme für Junge und eine Begrüßungskultur. Da wären wir wieder beim „Human Touch“.
Wenn wir zehn Jahre in die Zukunft schauen: Wie wird sich die Rolle der HR-Abteilung verändert haben – und welche Kompetenzen werden Personalverantwortliche dann unbedingt mitbringen müssen?
Die strategische Rolle und Wichtigkeit von HR wird immer stärker werden. Der Fachkräftemangel wird zu einem zentralen Risiko, das auf Stufe Geschäftsleitung in Zusammenarbeit mit HR gemanagt werden muss. Aus dem früher oft administrativen „Personalverwalter“ ist dann ein gleichberechtigter Partner im Top-Management geworden.
Dazu kommen weitere Kompetenzen wie Digital- und Datenkompetenz (KI-Tools, Datenschutz, Ethik), aber auch die oben bereits erwähnten Marketingskills. Vor allem werden aber die menschlichen Fähigkeiten wie Empathie an Bedeutung gewinnen. Dazu zählt vor allem auch die Entwicklung einer guten Unternehmenskultur - das Schaffen eines Umfelds, in dem Menschen und Unternehmen erfolgreich sein können („People & Culture“). Oder auch Mentoringprogramme – die Generation Z erwartet heute im Berufsleben einen Ansprechpartner, der ihnen jederzeit hilft – analog zu den Eltern zu Hause.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Eva Niedermair