Der Sie-Faktor in Wiens Wirtschaft
Unternehmerinnen prägen Wiens Wirtschaft auf entscheidende Art. Was sie antreibt, was sie behindert und was sie fordern, um als Selbstständige ihre Ziele erreichen zu können.
Lesedauer: 6 Minuten
Im Titelbild: Corinna Hintenberger, Business Mentorin und Personal Branding-Coach
Kinderlos, einen Hochschulabschluss in der Tasche, zwischen 35 und 55 Jahre alt und im Beratungs-, Schönheits- oder Gesundheits-Sektor selbstständig: Blickt man auf die Statistik, könnte so die typische Wiener Unternehmerin aussehen. In der Realität ist jede der mehr als 40.000 selbstständig tätigen Frauen in Wien ebenso individuell und einzigartig wie ihr Unternehmen und die Idee, die dahintersteht.
Die junge Influencerin
Wie einzigartig und vielfältig Wiens Unternehmerinnen sind, zeigt das Beispiel von Hanna Niedrist. Als AustriasGinger begeistert die Influencerin mit Charme, Mut und echtem Unternehmergeist eine große Online-Community und beweist, dass Leidenschaft und Ausdauer die besten Zutaten für Erfolg sind.
Networking ist unglaublich inspirierend - ich bewundere Unternehmerinnen, die ihren eigenen Weg gehen und dabei nicht den Mut verlieren.

Hanna Niedrist
Influencerin "AustriasGinger"
Auf Instagram folgen ihr rund 43.000 Menschen, auf TikTok über 270.000 - Tendenz steigend. Ihre roten Haare sind Teil ihres Markenzeichens und ihres Namens zugleich. „Ich bin einfach drangeblieben”, erzählt sie. „Ich hatte riesigen Spaß am Drehen und Teilen meiner Inhalte - das merkt auch das Publikum.”
Genau diese Freude, gepaart mit Authentizität, sieht sie als Schlüssel zu ihrem Erfolg. Social Media ist für sie längst mehr als ein Hobby: ein echtes Business, das sie mit Leidenschaft, Disziplin und Neugier führt. Als Unternehmerin liebt sie ihre Unabhängigkeit, die kreative Freiheit - und auch das Risiko, das dazugehört. „Mein größtes Ziel ist, glücklich zu sein und das zu tun, was mir Spaß macht”, sagt Niedrist. Besonders wichtig ist ihr außerdem der Austausch mit anderen Frauen: „Networking ist unglaublich inspirierend - ich bewundere Unternehmerinnen, die ihren eigenen Weg gehen und dabei nicht den Mut verlieren. Genau das motiviert mich jeden Tag aufs Neue.”
Die erfahrene Gastronomin
Freude am und Liebe zum Beruf zeichnen auch Magdalena Schneider-Gössl aus. Seit fast fünf Jahrzehnten führt die Gastronomin einen Heurigen und ein Hotel in Hietzing. Zum Familienimperium gehören außerdem ein Hotel mit Restaurant im salzburgischen Altenmarkt, das Schneider-Gössls Mann mit in die Ehe brachte.
Man braucht Freude am Beruf und einen langen Atem.

Magdalena Schneider-Gössl
Unternehmerin in Gastronomie und Hotellerie
Als Magdalena Schneider-Gössl - nach einem Aufenthalt in Kanada und zwei Jahren als Angestellte - sich entschloss, den familiären Heurigen samt Gästehaus zu übernehmen, hatte sie ein Ziel: „Viel arbeiten und viel verdienen”, sagt sie. Mit ihrer Heirat kam nicht nur ein weiterer Gastrobetrieb dazu, sondern auch willkommene Unterstützung. Ohne „starken Mann” an der Seite hätte sie es in den 1970ern in der Gastronomie schwer gehabt, sich gegenüber Mitarbeitern, Behörden und Geschäftspartnern durchzusetzen, sagt sie. In der Branche allerdings seien Zusammenhalt und Akzeptanz immer top gewesen.
Neben dem Geschäft zog Schneider-Gössl noch drei Kinder groß - auch das eine Leistung, auf die sie stolz ist. Heute, so sagt sie, hätten es Frauen in Sachen Akzeptanz leichter, egal in welcher Branche. Wo sie im Vergleich mit Männern punkten können? „Frauen sind oft genauer, gewissenhafter und verlässlicher”, meint die erfahrene Unternehmerin. Ihr Rat an angehende Unternehmerinnen: „Man muss Liebe zum Beruf haben und den Erfolg wirklich wollen.”
Die vielseitige Business Mentorin
Corinna Hintenberger hatte jahrelang im Marketing gearbeitet, ehe sie beschloss, sich zu verändern. Sie nutzte eine Bildungskarenz, um die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin zu machen - als Basis für die geplante Selbstständigkeit als Coachin.
Nicht warten, bis man perfekt ist. Einfach trauen.

Corinna Hintenberger
Business Mentorin und Personal Branding-Coach
Bereits in der Ausbildungsphase baute Hintenberger via Social Media eine Community auf und ließ diese teilhaben an ihrer berufliche Entwicklungsreise. „Das war ein wichtiger Erfolgsfaktor”, betont sie. Während ihrer Ausbildung erkannte sie, dass viele angehende Unternehmerinnen und Unternehmer in Sachen Selbstmarketing Aufholbedarf haben und sah darin eine berufliche Chance. Ihre ersten Online-Seminare zu Social Media Marketing bot sie zu Coronazeiten an - ein Vorteil, wie sie sagt, weil Computer und Kamera reichten, um ihr Business zu starten. „Damit machte ich meine ersten Umsätze, und da habe ich gesehen: Das kann ich”, erinnert sie sich.
Heute begleitet Hintenberger als Business Mentorin und Expertin für Personal Branding ihre Kundinnen und Kunden dabei, sich selbst zu vermarkten und einen Personal Brand - also eine eigene, authentische Marke - aufzubauen. „Ein absolutes Frauenthema”, betont sie. „Es geht dabei auch um Selbstwert und den Mut, zu sich zu stehen und auch mal anzuecken”, so die Coachin, die daneben auch mit einem eigenen Podcast erfolgreich ist. Die Frage: „Bin ich gut genug?”, sei typisch weiblich. „Nicht warten, bis man perfekt ist. Einfach trauen”, rät sie dazu.
Wiener Unternehmerinnenlandschaft unter der Lupe
Frauen zu ermutigen, ihre unternehmerischen Träume zu verwirklichen, ist auch ein wichtiges Ziel von Frau in der Wirtschaft (FiW) Wien, dem Netzwerk für selbstständig tätige Frauen in der WK Wien (Näheres siehe auch in der Wiener Wirtschaft, Ausgabe 23, S. 9).
Unternehmerinnen seien eine treibende Kraft für Wiens wirtschaftliche Dynamik, unterstreicht FiW-Vorsitzende Margarete Kriz-Zwittkovits. „Kein Wirtschaftsbereich kann es sich mehr erlauben, auf weibliche Expertise zu verzichten. Denn weibliche Kreativität, Mut und Innovationskraft prägen den Wirtschaftsstandort entscheidend mit.”
Wie sich Wiens Unternehmerinnenlandschaft strukturell darstellt und wo sie sich von Unternehmern unterscheiden, untersuchte die KMU Forschung Austria im Auftrag von FiW Wien im Rahmen einer Studie. Demnach waren rund 40.000 Frauen im Vorjahr in Wien selbstständig erwerbstätig, was einem Anteil von neun Prozent aller erwerbstätigen Frauen entspricht. Bei Männern liegt dieser Anteil bei 13 Prozent oder (64.600 Personen). Gut sechs von zehn selbstständigen Frauen verfügen über einen akademischen Abschluss (siehe Grafik unten).
Bei selbstständigen Männern ist der Anteil geringer, dafür haben sie öfter eine Lehre absolviert. „Das zeigt die unterschiedliche Bedeutung der Ausbildungswege von Frauen und Männern und führt zur starken horizontalen [branchenmäßigen, Anm.d.Red.] Segregation am Arbeitsmarkt”, sagt Studienleiterin Eva Heckl von der KMU Forschung Austria. Besonders hoch ist der Frauenanteil im beratenden Sektor, in Gesundheits- und pflegenden Berufen sowie in den Bereichen Mode und Schönheit.
Selten Kinder, hohe Teilzeitquote
Die wichtigsten Gründe für den Schritt in die Selbstständigkeit sind bei beiden Geschlechtern das Streben nach Unabhängigkeit und nach Selbstverwirklichung. Bei Frauen rangiert auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz oben.
Fast zwei Drittel der Wiener Unternehmerinnen haben keine Kinder im eigenen Haushalt. Gleichzeitig sind sie auch in der Selbstständigkeit weit häufiger in Teilzeit als Männer: Während nur ein Fünftel der Unternehmer Teilzeit arbeitet, sind es bei den Frauen 45 Prozent.
Wien im internationalen Vergleich
Im Vergleich mit anderen europäischen Städten, den die Studie ebenfalls anstellte, liegt Wien damit vorne: Hamburg und Berlin kommen Wien mit je 41 Prozent Teilzeit-Unternehmerinnen noch am nächsten. In Prag sind es 28 Prozent, in Budapest und Bratislava nur zwölf Prozent. Wenig verwunderlich, meint Expertin Heckl. In osteuropäischen Ländern sei die Fremdbetreuung der Kinder kaum negativ konnotiert. „Das Konzept der Rabenmutter ist ein nur in deutschsprachigen Ländern verbreitetes Phänomen.”
Was den Frauenanteil unter allen Selbstständigen betrifft, so ist dieser in Wien mit rund 37 Prozent ähnlich hoch wie Hamburg, Prag und Berlin. In Bratislava ist der Frauenanteil geringer (33 Prozent), in Budapest deutlich höher (43 Prozent). Und während in Wien, Berlin und Hamburg 79 Prozent der selbstständig tätigen Frauen als EPU (Ein-Personen-Unternehmen) arbeiten, sind es in Budapest und Hamburg um vier Prozentpunkte mehr, in Prag gar 92 Prozent.
Selbstständigkeit erleichtern
Der Einfluss der Unternehmerinnen auf Wiens Ökonomie ist tief und umfassend. Deshalb fördert FiW Wien das Engagement der Wiener Unternehmerinnen mit aller Kraft. Und wir arbeiten daran, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, um Frauen die Selbstständigkeit zu erleichtern.

Margarete Kriz-Zwittkovits
Landesvorsitzende Frau in der Wirtschaft Wien
Mehr und bedarfsgenauere Angebote in Kinderbetreuung und Pflege, ein stärkerer Fokus auf Frauengesundheit, aber auch weniger Steuern und Bürokratie, bessere Bildungsangebote und mehr Entrepreneurship in den Lehrplänen seien dafür wichtige Schritte, betont die FiW-Vorsitzende.