Export hat viele Gesichter
Die Wiener Exportwirtschaft hat sich im Österreich-Vergleich zuletzt als sehr robust erwiesen. Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck sieht die Wettbewerbsfähigkeit dennoch in Gefahr
Lesedauer: 5 Minuten
Die österreichische Exportwirtschaft hat 2024 kein neues Allzeithoch erreicht. Das ist ungewöhnlich, denn in den vergangenen 20 Jahren kannte sie nur ein Wort: Wachstum. Ausgenommen waren nur die großen Krisen: die Finanzkrise 2009 und die Corona-Krise 2020. Und dann stürzte die heimische Industrie in eine tiefe Absatzkrise. Im Vorjahr brachen die Warenexporte um 4,8 Prozent auf rund 191 Milliarden Euro ein und fielen hinter das Jahr 2022 zurück. ,Wesentlich verantwortlich dafür waren - neben der schwachen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und geopolitischen Unsicherheiten - die Preisnachteile der heimischen Exportbetriebe. Die hohen Kostensteigerungen nach der Rekordinflation verteuerten österreichische Produkte im Ausland - und machten sie damit weniger attraktiv, wie die Export-Expertin am Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, Yvonne Wolfmayr, berichtet: „Die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten und Lohnabschlüsse schmälerten die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Warenexporteure und hatten Marktanteilsverluste zur Folge.”
Was hemmt, sind hohe Lohnstückkosten, teure Energie, Inflation und Fachkräftemangel. Das kostet uns Wettbewerbsfähigkeit, auch in Wien. Hier muss Österreich seine Hausaufgaben machen - und zwar rasch
Walter Ruck
Präsident der Wirtschaftskammer Wien
Doch es gibt auch Lichtblicke: In Wien gingen die Warenexporte lediglich um 1,2 Prozent zurück, und die Dienstleistungsexporte, bei denen Wien innerhalb Österreichs klar führend ist, entwickelten sich gut. Im Gegensatz zu den Warenexporten sind sie im Vorjahr um 4,3 Prozent auf 87,1 Milliarden Euro gewachsen - ein Allzeithoch.
Internationale Gäste bringen Geld
Ein Unternehmen, das in den vergangenen Jahren zu den Wiener Dienstleistungsexporten beigetragen hat, ist der Tiergarten Schönbrunn. Durch eine kontinuierliche Aufbauarbeit im touristischen Umfeld stieg hier der Anteil internationaler Tagesgäste seit 2008 von rund 22 Prozent auf 46 Prozent. Aktuell werden mehr als 30 Märkte umworben, vor allem Österreichs Nachbarländer, aber auch die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Das ermöglicht dem 1991 ausgegliederten Bundesunternehmen finanzielle Unabhängigkeit: Die Eigenfinanzierungsquote ist von einst 39 Prozent auf weit über 100 Prozent gestiegen. Für seine Leistungen erhielt das Unternehmen den Exportpreis der Außenwirtschaft Austria in Gold im Bereich Tourismus & Freizeitwirtschaft. „Der Tiergarten Schönbrunn ist nicht nur die zweitmeistbesuchte, kostenpflichtige Sehenswürdigkeit Österreichs und ein Publikumsmagnet für in- und ausländische Gäste, sondern erfüllt auch zentrale Aufgaben in den Bereichen Bildung, Forschung und Artenschutz”, erklärt Stephan Hering-Hagenbeck, seit 2020 Direktor des Tiergartens mit mehr als 200 Beschäftigten. „Als ältester Zoo der Welt verbinden wir Tradition mit modernster zoologischer Arbeit und leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.” Im 17 Hektar großen Areal werden mehr als 600 Tierarten gepflegt und den zuletzt fast zwei Millionen Gästen vorgestellt.
Mit Wiener Hightech zu Exporterfolgen
Im Vergleich zum 270 Jahre alten Tiergarten steckt das 2021 gegründete Wiener Start-up Senseven noch in den Kinderschuhen - und ist dennoch im Export bereits höchst erfolgreich. Das Unternehmen hat eine Technik entwickelt, mit der die Dichtheit von Ventilen unkompliziert überprüft werden kann - direkt vor Ort und ohne Fachwissen. Möglich macht das ein Sensor, der beim Durchfluss von Flüssigkeiten oder Gasen den Körperschall im Ultraschallbereich misst und diese Daten an ein Smartphone meldet. Dort werden sie dann - unterstützt durch Künstliche Intelligenz - ausgewertet und interpretiert.„Es gibt viele fortschrittliche Messmethoden, sie sind aber sehr komplex in der Handhabung und Auswertung, Unternehmen haben diese Expertise oft nicht. Wir wollen mit unserem Produkt jeden befähigen, diese Messungen mit der entsprechenden Software und KI selbst durchzuführen”, sagt Gründer und Geschäftsführer Michael Hettegger. Angewendet werden kann die Messung überall, wo es Rohrleitungen mit Ventilen gibt, etwa bei Gas- und Ölleitungen oder auch in der Lebensmittel-, Pharma- und chemischen Industrie. „Wir sind ein Nischenprodukt, weltweit gibt es nur eine Handvoll Mitbewerber, daher wollten wir von Beginn an auf den weltweiten Markt gehen”, sagt Hettegger. Die Exportquote beträgt derzeit mehr als 90 Prozent - und das werde wohl auch so bleiben, ist Hettegger überzeugt. „Wir verkaufen bereits in mehr als 40 Länder und sind auf allen Kontinenten vertreten - von Südafrika über Argentinien und Australien bis in die USA, Japan und Europa.” Zwar sei Export ein sehr komplexes Thema - vor allem die Zulassung eines Elektronikprodukts in unterschiedlichen Ländern. Auch sei die Gefahr des Kopierens gegeben. „Wir schützen uns mit Patenten und sichern die Software und die gewonnenen Daten gut ab, damit man unser System nicht einfach nachbauen kann”, sagt der Chef des achtköpfigen Start-up-Teams, das nun mit dem Born Global Champion Award der Außenwirtschaft Austria in Gold ausgezeichnet wurde. In den kommenden zwölf Monaten will Hettegger zwei weitere Anwendungen zur Marktreife führen. Dabei geht es um die Überprüfung von Kondensatableitern und Wälzlagern.
Und noch ein Wiener Start-up schaffte es bei den Born Global Champions der Außenwirtschaft Austria auf das Stockerl: fynk bekam den Award in Bronze. Das Unternehmen hilft Klein- und Mittelbetrieben, durch eine KI-gestützte, cloudbasierte Anwendung mehr Struktur und Automatisierung in ihr Vertragsmanagement, ihre Arbeitsprozesse und Abstimmungen zu bringen. Am Markt vertreten ist fynk seit Mai 2024 - und hat schon mehr als 300 Kunden, die meisten davon im Ausland. Für ein wachstumsorientiertes Unternehmen wie fynk ist Export essenziell. Der internationale Markt eröffnet uns gigantische Umsatzpotenziale, denn Vertragsmanagement ist ein globales Thema”, sagt Constantin Wintoniak, CEO und Mitgründer von fynk. Bereits zum zweiten Mal ausgezeichnet wurde das 1965 gegründete Wiener Familienunternehmen Prangl. „Unser Kerngeschäft ist die Vermietung von Mobilkranen, Arbeitsbühnen, Hub- und Teleskopstaplern sowie die Durchführung von Schwertransporten und Schwerlastverbringungen”, erklärt Firmenchef Christian Prangl, der das Unternehmen in zweiter Generation führt. Aktuell hat Prangl rund 650 Beschäftigte im In- und Ausland, eigene Gesellschaften gibt es in Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina. Einsatzgebiet ist praktisch ganz Europa, der Exportanteil liegt bei 30 Prozent. „Aufgrund der guten Vernetzung unserer in- und ausländischen Standorte spielt der Export unserer Dienstleistungen eine immer größere Rolle”, sagt Prangl. Im Bereich Transport & Verkehr bekam das Unternehmen nun den Exportpreis in Bronze überreicht.
Ruck lobt Wiener Exportbetriebe
„Die Wiener Exportwirtschaft schlägt sich im Österreich-Vergleich überdurchschnittlich gut”, sagt Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck - und er kennt auch den Grund dafür: „Weil wir innovative Betriebe und hochwertige Produkte haben, verbunden mit einer vielfältigen Unternehmenslandschaft. Dennoch kann es im internationalen Geschäft nicht unser Anspruch sein, innerhalb Österreichs gut zu performen.” Auch die Wiener Unternehmen stünden vor Herausforderungen - und damit seien in erster Linie nicht die Zoll-Eskalationen der USA gemeint. „Was hemmt, sind hohe Lohnstückkosten, teure Energie, Inflation und Fachkräftemangel. Das kostet uns Wettbewerbsfähigkeit, auch in Wien. Hier muss Österreich seine Hausaufgaben machen - und zwar rasch”, sagt Ruck.