Standort gemeinsam und unabhängig stärken
Das Wirtschaftsparlament Wien tagte im Licht der Debatte um die Kammer-Organisation. Präsident Walter Ruck: „Selbstverwaltung ist ein Recht, aber auch eine Verpflichtung.”
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Es war eine besondere Sitzung, als sich die Delegierten zum Wiener Wirtschaftsparlament zu ihrer Herbstsession zusammenfanden. Nicht nur, dass sich die Inflation in Österreich weiterhin anhaltend in lichten Höhen bewegt – was Wirtschaftskammer Wien-Präsident Walter Ruck in seiner Rede scharf kritisierte –, wird auch die Kammer-Organisation breit debattiert – „als Selbstverwaltungskörper”. Und das von Personen, „die im November noch nicht einmal wissen, wie ihr Forecast für 2026 aussieht”, wie Ruck in Richtung Politik anmerkte. „Während die Wirtschaftskammer Wien alleine durch die Strukturreform und die Zusammenlegung all ihrer Standorte jedes Jahr 15 Millionen Euro einspart – und das nachhaltig”, so Ruck.
In Wien schaffen wir es, das Gemeinsame voranzustellen

Walter Ruck
Präsident der Wirtschaftskammer Wien
Sachliche Diskussion ist gefragt
Die Diskussion um die Wirtschaftskammer-Organisation und die Entwicklungen in der Bundeskammer nahm naturgemäß breiten Raum im Wirtschaftsparlament ein. Wobei Ruck in seiner stark akklamierten Rede klarstellte: „Aus einer Augenblicksaktualität heraus langfristige Entscheidungen zu treffen, birgt die Gefahr, dass das Entscheidungszentrum vom Hirn in den Bauch fällt. Und dort fallen in der Regel nicht die besten Entscheidungen. Es ist gut, sich die nötige Zeit zu nehmen, alle Ideen zu prüfen.” Klar sei auch, dass ein Selbstverwaltungskörper sich von innen weiterentwickeln müsse. Ruck: „Versuchen wir, diesen Prozess zu versachlichen. Darin sind wir besonders gut in der Wirtschaftskammer Wien und hier im Wirtschaftsparlament. Hier gibt es kein hysterisches Herumrennen, wie man es anderswo erlebt. Das ist eine Stärke, die auch seitens der politischen Verantwortlichen anerkannt wird. Dafür möchte ich mich bei allen Fraktionen herzlich bedanken.”
Eigenständigkeit ist aus Rucks Sicht eine Grundvoraussetzung für eine selbstverwaltete Organisation wie die Wirtschaftskammer – eine Interessenvertretung von Unternehmen für Unternehmen. Das sei ein Recht, ein Privileg, aber auch eine Verpflichtung. „Daher muss an ihrer Spitze auch eine Unternehmerin oder ein Unternehmer stehen. Und es muss jemand sein, der keine politische Karriere hat und diese auch nicht anstrebt. Es kann nicht sein, dass eine Wirtschaftskammerpräsidentin oder ein -präsident sich bei einem Generalsekretär abholt, was die Wirtschaftspolitik der Unternehmervertretung sein soll”, konstatierte Ruck, der nochmals betonte: „Egal welcher Fraktion wir angehören, in Wien schaffen wir es, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen: Für den Wirtschaftsstandort einzustehen und dafür das Beste zu machen.”
Alle Fraktionen setzen auf konstruktives Zusammenarbeiten
Unter diesem Aspekt standen auch die folgenden Erklärungen der Fraktionsvorsitzenden. Für Conrad Bauer von den Unos sind „Zurufe von außen entbehrlich”. Für Bauer geht es nun darum, „mutige Reformen mit dem besten Team anzugehen. Wie man hier in Wien sieht, kann das gelingen. Wir werden konstruktiv daran mitarbeiten, um die Wirtschaftskammer so attraktiv zu machen, dass alle gerne dabei sein wollen.”
Reinhard Pisec von der Freiheitlichen Wirtschaft unterstrich: „Die Wirtschaftskammer ist ein Selbstverwaltungskörper und kein Selbstbedienungsladen. Sie vertritt Unternehmerinteressen und keine Parteiinteressen. Daher braucht es hier keine Berufspolitiker und keine Berufsfunktionäre.”
Sonja Franzke von der Grünen Wirtschaft analysierte: „Jede Krise ist eine Chance – zur Reflexion, zur Kurskorrektur, zur Erneuerung. Wir müssen die Situation intern regeln und können nicht zur Tagesordnung übergehen. Die Wirtschaftskammer muss Antworten liefern, nicht als Tanker, sondern als agile Einheit. Ja, es braucht diese Kammer, aber mit einem neuen Mindset.”
Marko Fischer vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband hielt fest: „Es darf keinesfalls der Ansatz der Politik sein, sich in der Wirtschaftskammer einzumischen. Wir sollten jetzt den Moment nutzen, um uns zukunftsfit zu machen, als Kammer mit dem Wettbewerb der Ideen und nicht dem Kampf der Fraktionen. Diese Situation bietet eine einmalige Chance. Dabei geht es auch um Solidarität – für kleine Unternehmen und für Ein-Personen-Unternehmen.”
Die Unternehmerschaft stärken
Die Delegierten debattierten allerdings nicht nur die aktuelle Situation, sondern fassten auch eine Reihe von Beschlüssen. Einstimmig beschloss das Wirtschaftsparlament Wien, sich für ein Anreizsystem einzusetzen, das Mehrarbeit begünstigt. Dafür sind aus Sicht der Delegierten steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Maßnahmen notwendig. Gleichzeitig müssten alle Sozialleistungen reformiert und kontrolliert werden, um mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen.
Ebenfalls Einstimmigkeit herrschte bei der Anhebung der Kleinunternehmerpauschale. Die Umsatzgrenze müsse auf 55.000 Euro pro Jahr erhöht und jährlich an die Inflation angepasst werden. Der Pauschalsatz für Dienstleistungsbetriebe gehöre von 20 auf 25 Prozent angehoben.
Beschlossen wurde in der Herbstsitzung des Wiener Wirtschaftsparlaments auch, dass es Maßnahmen brauche, um den Betrug bei Sozialleistungen einzudämmen. Im Fokus stehen dabei vor allem Krankenstände. Das Finanzministerium wird aufgefordert, hierfür ein Fairnesspaket zu erarbeiten – mit dem Ziel von unbürokratischen, digitalen Kontrollmechanismen, besserer Transparenz, effizienterer Rückforderungen und der Förderung betrieblicher Präventionsmaßnahmen.
In einem weiteren Beschluss wurde die Einrichtung einer länderübergreifenden Arbeitsgruppe fixiert. Diese soll die Vollzugspraxis von Bundesgesetzen systematisch erheben. Ziel dabei ist ein einheitlicher Gesetzesvollzug aller Bundesländer, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Im Wohn- und Immobilienwesen beschlossen die Delegierten die Einrichtung eines ehrenamtlichen Beratungsgremiums für die Bundesregierung.
Das Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Wien