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Handshake Trump/Von der Leyen
© Fred Guerdin / European Union 2025

Trumps Zollpolitik trifft Wiens Betriebe

Seit 7. August gelten in den USA neue Handelszölle für fast alle Waren aus EU-Ländern - und weitere stehen bevor. Wie sich die Zölle auf Wiens Exportwirtschaft auswirken werden und welche Branchen besonders betroffen sind.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 27.08.2025

Im Bild: Handshake nach endlich geglücktem Zoll-Deal: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump

Das Ungemach war zu erwarten: In seiner Antrittsrede im Jänner dieses Jahres hatte der US-amerikanische Präsident Donald Trump angekündigt, Einfuhren aus anderen Staaten mit Zöllen zu belegen, um die eigene Wirtschaft zu stützen. Auf Worte folgten rasch Taten: Erst gerieten Länder wie China, Kanada und Mexiko ins Visier des US-Präsidenten, später weitere Staaten und die EU. Es folgten 50-prozentige Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte, die bis dato für alle Länder außer dem Vereinigten Königreich gelten, und 25 Prozent Zoll auf Kfz-Importe. Ab 5. April griff zusätzlich ein genereller Importzoll von mindestens zehn Prozent für alle Länder, für einzelne Staaten deutlich mehr. Mit 29. August fällt auch die De-minimis-Regel, die Warenimporte unter einem Wert von 800 US-Dollar bisher zollfrei stellt.

Wichtig ist, dass wir uns auf unsere Stärken besinnen. Das gilt für Wien als starken Wirtschaftsstandort, aber vor allem auch für die EU als einen der größten Wirtschaftsräume weltweit. Ein geeintes Europa, das mit einer Stimme spricht, ist vor allem in der aktuellen Situation besonders wichtig.

Der Deal mit der EU

Noch im Mai hatte Trump der EU mit 50-Prozent-Zöllen gedroht, Ende Juli einigte er sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schließlich auf 15 Prozent. Das Abkommen trat mit 7. August in Kraft, obwohl die Details dazu noch unklar waren - etwa, ob auch Pharmazeutika erfasst sind. Denn für sie wie für einige andere Produkte läuft in den USA derzeit eine sogenannte „Section 232-Untersuchung“: Dabei überprüft die Regierung, ob der Import der betroffenen Produkte die nationale Sicherheit gefährden könnte.

Neues Abkommen präzisiert Details

Erst Ende vergangener Woche präzisierte ein Rahmenabkommen Details zum USA-EU-Zoll-Deal. Damit wurde klargestellt, dass für alle Importe 15 Prozent Zoll oder allenfalls existierende MFN-Zollsätze gelten, wenn diese höher sind. MFN steht für Most Favoured Nation und ist eine Meistbegünstigungs-Klausel, die garantiert, dass das Importland dem Importeur den niedrigsten Zollsatz gewährt, der auch für andere Handelspartner gilt. Klar ist nun auch, dass die neue Zollgrenze auch für Pharmazeutika gilt - ab Abschluss des Section 232-Verfahrens und ungeachtet von dessen Ergebnis. Ausgenommen von den neuen Zöllen sind ab 1. September strategisch wichtige Produkte, darunter Flugzeuge, Chemikalien, Arzneimittelgenerika und Naturressourcen wie Kork. Für sie gelten weiter die MFN-Sätze. Auch Stahl und Aluminium bleiben vom aktuellen Zoll-Deal ausgenommen, für sie sowie für rund 400 Stahl- und Alu-Produkte und -Derivate bleibt der 50-Prozent-Zoll bestehen.

Negative Folgen für die Volkswirtschaft

Für die Wiener Exportwirtschaft bedeutet all das herbe Einschnitte. Denn nach Deutschland sind die USA für sie der zweitwichtigste Exportmarkt. Dieser hatte sich zuletzt auch äußerst positiv entwickelt. 2024 stiegen die Warenexporte aus Wien in die USA um mehr als vierzig Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Damit entfiel ein Achtel aller Wiener Warenexporte (30,9 Milliarden Euro) auf die Vereinigten Staaten. Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IfW Kiel prognostizieren einen Rückgang des heimischen Bruttoinlandsprodukts um 0,15 Prozent durch die US-Zölle - ein Wertschöpfungsverlust etwa von 710 Millionen Euro. In der Eurozone sehen sie den BIP-Rückgang bei 0,11 Prozent. Bei den Wiener Exportbetrieben herrscht aktuell Unsicherheit. Selbst in den USA kenne sich derzeit beim Import niemand richtig aus, klagt Peter Friedrich, Division Manager beim Wiener Gebäudetechnik-Unternehmen Sumetzberger, das seine Produkte - darunter Rohrpostsysteme - unter anderem auch dorthin exportiert. Man sei in Kontakt mit einem renommierten Hersteller vor Ort, „um ihn zu überzeugen, auf unsere Komponenten zu wechseln und auch Teile unserer Module für den lokalen Markt in den USA zu fertigen“, so Friedrich vorsichtig optimistisch. „Die Gespräche verlaufen gut. Wir könnten über diese Firma die Prüfungen effizienter durchführen und unser Risiko minimieren.“

Pharmazeutika: Wiens Top-Exportgut

Eine besondere Rolle im Handel Wiens mit den USA spielt die Pharma-Branche. Wien ist Österreichs Zentrum der Pharmaindustrie, mit knapp 350 Branchenbetrieben und rund 23.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Pharmazeutika sind Wiens mit Abstand wichtigstes Exportgut. 2024 belief sich der Wert der Ausfuhren dieses Sektors auf 11,3 Milliarden Euro - rund zwei Drittel aller heimischen Pharma-Exporte und ein gutes Drittel aller Wiener Warenausfuhren. Wichtigster Zielmarkt: Die USA. Acht von zehn Euro, die Wiens Betriebe 2024 mit US-Exporten verdient haben, entfielen auf Pharmaprodukte.

Thomas Moschig, Leiter AußenhandelsCenter Washington der Wirtschaftskammer
© Studio Huger/Stephan Huger

„Diese Branche liefert lebenswichtige Medikamente in die ganze Welt. Wir dürfen sie nicht durch Handelskonflikte gefährden“, betont WK Wien-Präsident Walter Ruck. Denn mittelfristig würde durch Zölle nur die europäische Pharmabranche geschwächt werden und gleichzeitig die Versorgungssicherheit der USA in Gefahr geraten. „Wir brauchen stabile transatlantische Handelsbeziehungen, damit Wien weiterhin als Pharmahub florieren kann“, so Rucks Credo, der diese Position auch bei einer Wirtschaftsmission im Juni nach Washington gegenüber lokalen Entscheidungsträgern vertrat. Zölle würden grundsätzlich alle Seiten belasten, „die Rechnung werden auch die Konsumentinnen und Konsumenten in den USA bezahlen müssen“, betonte er. „Wichtig ist, dass wir uns auf unsere Stärken besinnen. Das gilt für Wien als starken Wirtschaftsstandort, aber vor allem auch für die EU als einen der größten Wirtschaftsräume weltweit. Ein geeintes Europa, das mit einer Stimme spricht, ist vor allem in der aktuellen Situation besonders wichtig.“ Was die Trump’sche Zollpolitik für sie bedeutet, dazu geben die Wiener Pharmabetriebe keine konkreten Prognosen ab. „Die Erhebung von Zöllen auf Arzneimittel untergräbt internationale Handelsabkommen wie das WTO-Arzneimittelabkommen, das darauf abzielt, Zölle auf pharmazeutische Produkte abzuschaffen“, sagt Matthias Sturm, Pressesprecher von Boehringer Ingelheim am Standort Wien. Höhere Produktionskosten durch Zölle würden jedenfalls die globale Wettbewerbsfähigkeit der Pharmaunternehmen schwächen. Ähnlich die Position des Branchenverbandes Pharmig: „Wichtig ist, dass sich die Politik des Werts von Arzneimitteln und der Bedeutung unserer Industrie bewusst ist und dass alle, ob in Europa oder in den USA, so agieren, dass die ohnehin volatile Versorgung nicht noch weiter gefährdet wird, eben durch künstliche Handelshemmnisse“, so Pharmig-Kommunikationschef Peter Richter. Denn am Ende des Tages sei es egal, „wo eine Patientin, ein Patient ein Medikament benötigt. Es sollte der Zugang dazu nicht durch künstliche Handelsbarrieren verhindert oder erschwert werden.“

Zölle erhöhen Kosten und Unsicherheit

Die Exportbedingungen bleiben schwierig, auch wenn es jetzt eine gemeinsame Erklärung der EU und der USA zu den Rahmenbedingungen des Transatlantikhandels gibt, sagt Thomas Moschig, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Washington. Die von Trump angepeilten Produktionsverlagerungen in die USA seien nicht so einfach: „Der Prozess einer Verlagerung dauert wesentlich länger als beispielsweise eine Amtsperiode eines US-Präsidenten“, so Moschig. Die US-Zölle werden in allen Branchen Auswirkungen zeigen, indirekt wohl auch im Dienstleistungssektor, meint Theresa Arlt, Zollexpertin bei EY Österreich. „Oftmals können Kosten nicht weitergegeben werden. Zusätzlich gibt es einen hohen administrativen Aufwand.“ Die Unsicherheit bleibe groß, die Planung schwierig. „Beides sehr große Herausforderungen, mit denen die Wirtschaft derzeit umzugehen hat.“ Betrieben rät sie, jetzt ihre Lieferketten zu analysieren und zollrechtliche Maßnahmen zu evaluieren. Längerfristig können Änderungen der Lieferketten und Vertragsanpassungen geprüft werden. Arlt empfiehlt auch den Austausch betroffener Unternehmen untereinander und mit Beratern - wichtig „gerade für Unternehmen, die keine oder wenig interne Zollressourcen haben“. Auch eine laufende Beobachtung der Entwicklungen sei notwendig, da es immer wieder und oft kurzfristig zu Änderungen kommt. Generell sollten Betriebe in der Neujustierung ihrer US-Exportstrategie eine ganzheitliche Betrachtung vornehmen. „Es gibt beispielsweise auch Implikationen bei den Verrechnungspreisen, im Vertragsrecht und bei den Ertragsteuern, die analysiert werden müssen, wenn Entscheidungen getroffen werden. Letztlich spielen natürlich auch strategische Überlegungen eine Rolle“, betont Arlt.

Export in USA
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