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Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft

Europäische Strategie für nachhaltigen Tourismus

Zukunftsfähiger Tourismus in Europa: Strategien für Resilienz und Nachhaltigkeit − Wie Europas Tourismus auf Krisen reagiert, wirtschaftliche Stabilität sichert und mit nachhaltiger Entwicklung neue Wege geht

Lesedauer: 6 Minuten

02.10.2025

Neue Herausforderungen für den Tourismus in Europa

Europas Tourismus war bereits in der Vergangenheit mehrfach schwer von Krisen betroffen, wie beispielsweise die Wirtschaftskrise 2009 oder zuletzt die Covid-Pandemie ab 2019, um die zwei Wichtigsten hervorzuheben. Hinzu kommen der Klimawandel, der Arbeitskräftemangel und die Energiewende, die für Europas Tourismus langfristig enorme Herausforderungen darstellen. Europas Tourismus hat aber bewiesen, dass er resilient und anpassungsfähig ist und sich schnell wieder erholen kann, sodass das Niveau von vor der Krise in kurzer Zeit wieder erreicht oder sogar übertroffen werden kann. Dennoch werden sowohl die geopolitischen, ökologischen und die wirtschaftlichen Herausforderungen zunehmend mehr und folgen in immer kürzeren Abständen aufeinander. Deshalb ist es wichtiger denn je, dass Europas Tourismus eine klare Strategie verfolgt, um diesen Herausforderungen Stand zu halten und die Wettbewerbsfähigkeit der Tourismusbetriebe zu erhalten.

Tourismus als Wirtschaftsmotor der EU

Für die Wirtschaft der Europäischen Union spielt der Tourismus eine zentrale Rolle. Die Wertschöpfung des Tourismus zeigt sich in der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie der Förderung regionaler Entwicklung und Dienstleistungen. Vom Tourismus umfasst sind eine Vielfalt von Betrieben, Branchen und Leistungen, die enorme Effekte auf die Wertschöpfung, Arbeit und den Wohlstand innerhalb der EU haben. Insgesamt trägt Europas Tourismus mit einer Wertschöpfung von 5 % zum BIP der EU bei und verdeutlicht somit die immense Bedeutung des Tourismus für die wirtschaftliche Stabilität und das Wachstum in Europa. In Österreich sorgen die Tourismusbetriebe sogar direkt und indirekt für eine Wertschöpfung von 14 % des BIP und für 14 % (direkte und indirekte Effekte) aller Arbeitsplätze. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, braucht es eine klare Zielsetzung, wie sich der Tourismus innerhalb der EU weiterentwickeln soll und auf welche Schwerpunkte der Fokus gesetzt wird. Die Zukunft für uns liegt besonders im nachhaltigen Qualitätstourismus.

Der "Plan T": Österreichs Masterplan für nachhaltigen Tourismus  

In Österreich wurde noch vor der COVID-Pandemie im Frühjahr 2019 der "Plan T – Masterplan für Tourismus" etabliert, der die Grundlage für die Schwerpunktsetzung der nachhaltigen Weiterentwicklung des Tourismusstandortes Österreich ist. Damit wurde auch der Fokus auf Nachhaltigkeit in seinen drei Dimensionen - wirtschaftlich, sozial und ökologische Nachhaltigkeit - sowie auf die Digitalisierung gesetzt. Der "Plan T" wird derzeit bis Mitte 2026 in einem umfassenden partizipativen Prozess evaluiert und aktualisiert. Die europäische Zielsetzung im Tourismus war zuletzt durch den Transition Pathway for Tourism geprägt und hat den Weg ebenfalls in Richtung Nachhaltigkeit und den digitalen Wandel
vorgegeben.

Europäische Perspektive: Der Transition Pathway for Tourism 

Um den Grundgedanken des Transition Pathway for Tourism fortzuführen, sollte aus unserer Sicht die neue Europa-Tourismusstrategie folgende Schwerpunkte enthalten:

Stärkung des ökonomischen Nachhaltigkeitsgedankens, um weiterhin zukunftsfähig für die nächste Generation zu wirtschaften. Europas Tourismusbetriebe sind überwiegend klein strukturiert und im Bereich Gastronomie und Hotellerie mitunter traditionelle Familienunternehmen. Allein aufgrund dieser Tatsachen liegt es naturgegeben im Interesse der Betriebe nachhaltig zu denken, damit auch die nächste Generation den Betrieb innerhalb der Familie weiterführen kann.

Gezielte Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Rund 10 % der Stellen sind europaweit unbesetzt, was zu einer
Einschränkung der Betriebe und deren Wachstum führt. Gezielte Trainings und die Öffnung des Talentpools sichern Fachkräfte mit relevanten Green- und Digital Skills.
Aber auch flexiblere und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und bessere soziale Rahmenbedingungen stärken die Arbeitgeberattraktivität.

Weiterführende Unterstützung der Betriebe bei der Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeit. Besonders
KMU benötigen weiterhin gezielte Maßnahmen, um die bereits eingeleitete Energiewende umzusetzen und ihre Betriebe entsprechend für Energieeinsparungen umzurüsten.

Energieeffiziente Technologien und erneuerbare Energien reduzieren Kosten und den CO -Fußabdruck. Nachhaltigkeit muss von den Betrieben weiterhin als Chance gesehen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ermöglichung von Einheimischen-Tarife, damit die Tourismusakzeptanz innerhalb der nationalen Bevölkerung hoch bleibt. In stark touristisch frequentierten Gebieten
sind beispielsweise Preise für Produkte des täglichen Lebens, Freizeitaktivitäten aber auch Wohnungen oftmals teurer, was zu Unmut in der Bevölkerung führt. Einheimischen Tarife können diesen Unmut in Grenzen halten. Für die Tourismusakzeptanz ist aber auch der Respekt der Gäste gegenüber der lokalen Bevölkerung sowie die Offenheit gegenüber der Kultur und den Gebräuchen vor Ort durch Aufklärung und Erklärung der lokalen Bräuche und Gewohnheiten besonders wichtig.

Stärkere Positionierung Europas als attraktives Reiseziel für Gäste aus Fernmärkten wie beispielsweise Asien sowie Zentral- und Südamerika. Dazu gehört auch grenzüberschreitendes, smartes Reisen in Form von digitalen Visa. Ein vollständig digitaler Antragsprozess verkürzt die Vorlaufzeit auf wenige Tage.

Zusätzlich ist der Ausbau und die Modernisierung der Grenzinfrastruktur notwendig, um eine reibungslose Einreise zu ermöglichen. Auch ein standardisierter EU-Gesundheitsnachweis kann das Reisen und die Reaktionsfähigkeit bei globalen Krisen verbessern. Zudem ist Europa im Vergleich zu anderen Ländern ein äußerst sicheres Reiseziel mit einem historisch und kulturell vielfältigem Angebot.

Die Infrastruktur des Reiseverkehrs (Flugzeug, Bahn, Auto) befindet sich auf einem sehr hohen Niveau, was das Reisen innerhalb Europas erleichtert. Diese Besonderheiten sollten stärker in den Fokus gerückt werden.

Steigerung der Innovation im Tourismus durch die digitale Weiterentwicklung in Richtung Künstliche Intelligenz. Dazu gehören digitale Buchungssysteme und personalisierte Reiseerlebnisse, um gezielt die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern und gleichzeitig die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern.

Zusätzlich benötigt es den Ausbau von Breitband-Netzen und ausreichend Schulungsangebote, um auch kleineren Betrieben den Weg in die digitale Zukunft zu erleichtern.

Stärkung der sozialen Nachhaltigkeit durch faire Personalpolitik aber auch Eingliederung von sozial benachteiligten Gruppen, wie Langzeitarbeitslose, ältere Personen oder Menschen mit Behinderungen. Chancengleichheit im Tourismus durch faire Entlohnung ist ein wichtiger Faktor, um im Vergleich zu anderen Branchen langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Zudem stärken Investitionen in lokale Infrastruktur wie z.B. ausreichend Kinderbetreuungsplätze und Mitarbeiter:innenunterkünfte das Mitarbeiter:innenwohl und die Bindung der Arbeitnehmer:innen an ein Unternehmen.

Vereinfachung der bürokratischen Anforderungen an Unternehmen, die insbesondere mit der Umsetzung von
nachhaltigen Maßnahmen und Gesetzen verbunden sind. Realistische Zeitpläne und Umsetzungsfristen sowie branchenspezifische Prüfungen verhindern die Überforderung kleiner Betriebe. 

99 % der touristischen Unternehmen sind KMU, die mit den bürokratischen Anforderungen durch Informations-, Berichts- und Dokumentationspflichten an sie nicht mehr mithalten können und dadurch im Vergleich zu anderen internationalen Reisezielen ins Hintertreffen geraten und an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Schaffung rechtlich klarer Rahmenbedingungen mit der Durchsetzung des Digital Market Act (DMA) und des Digital Service Act (DSA). Ein fairer Online-Wettbewerb garantiert Fairness und transparente Algorithmen.

In der digitalen Welt entwickeln sich rechtlich fragwürdige oder unlautere Geschäftspraktiken rasant. Nur durch faire Wettbewerbsbedingungen kann auch die Wettbewerbsfähigkeit von KMU sichergestellt werden.

Vereinfachte Teilnahmebedingungen für Unternehmer bzw KMU an den EU-Förderprogrammen. Die Teilnahmebedingungen und der bürokratische Aufwand, um sich für eine Förderung zu bewerben sind oftmals enorm und für die überwiegend aus KMU bestehenden Tourismusbetriebe kaum zu bewältigen. 

Dennoch stellen sie für Betriebe eine wichtige finanzielle Unterstützung dar, um den Anforderungen an sie im Bereich Nachhaltigkeit gerecht zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb sollte der Förderzweck klar in Richtung Ausbildung, Digitalisierung, Infrastruktur und Resilienz gehen, um durch praxisnahe Investitionen langfristig die Branche zu stärken.

Förderung des Ganzjahrestourismus, um touristische Hot-Spots zu entlasten. In vielen Ländern und Regionen Europas konzentriert sich der Tourismus saisonbedingt stark auf die Winter- oder Sommermonate, was sowohl für die Betriebe und ihre Arbeitskräfte aber auch für die regionale Bevölkerung zu einer enormen Belastung führt.

Das Ziel sollte ein qualitativ hoher Ganzjahrestourismus sein, indem Europa als Reiseziel für Gäste, die in der Nebensaison reisen, attraktiver wird. Eine Möglichkeit könnte hierfür die Entzerrung der Ferienzeiten innerhalb Europas sein, damit die Saisonabhängigkeit entschärft wird.

Erweiterung und Modifikation der Mobilität innerhalb Europas durch den Ausbau der last mile und der Weiterentwicklung von smart mile Angeboten. Eine nachhaltige Urlaubsan- und Abreise ist von einem vielfältigen und attraktiven Angebot abhängig, wozu insbesondere eine leichte und flexiblere Erreichbarkeit auch entlegenerer Reiseziele sowie ergänzende öffentliche Mobilitätsangebote je nach Region zählen.

Damit zusammenhängt auch eine Vereinheitlichung des Bahn-Ticketsystems innerhalb der EU, um die Planung der An- und Abreise einfacher und übersichtlicher zu gestalten.

Zusätzlich ist der Ausbau von besseren Informationssystemen für PKW und Reisebusse notwendig, um eine Konzentration auf gewissen Verkehrsstrecken zu vermeiden. Aber auch im Bereich des Flugverkehrs ist eine raschere Umstellung von Kerosin auf kohlenstoffärmere Kraftstoffe ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiges Reisen.

Diese Schwerpunkte zeigen, dass die Vision der European Strategy for Sustainable Tourism aus Sicht der Unternehmen auch in Zukunft klar in Richtung Stärkung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Mobilität und Tourismusakzeptanz gehen muss, damit wir auch in Zukunft von den Leistungen des Tourismus profitieren können. Wir sehen es deshalb auch als essenzielle Chance, dass sich - angesichts der enormen wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus innerhalb der EU - nunmehr ein eigener Tourismuskommissar gezielt für die Belange und Forderungen der Tourismusbranche einsetzen kann.


Wirtschaftskammer Österreich | Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft | Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Stand: August 2025

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