Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechniker, Bundesinnung

Merkblatt Prüfung elektrischer Anlagen und ihre Dokumentation

Umfang der an den Auftraggeber zu übergebenden Prüfberichten und -befunden

Lesedauer: 5 Minuten

09.12.2023

In Zusammenhang mit der Prüfung von elektrischen Anlagen wurde die Frage nach dem erforderlichen Umfang des an den Auftraggeber zu übergebenden Konvoluts an Prüfberichten und -befunden gestellt und kann wie folgt zusammenfassend beantwortet werden: 

Aufgrund der entsprechenden (und nachstehend angeführten) elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften und der für den Geschäftsverkehr grundlegenden zivilrechtlichen Bestimmungen ergibt sich, dass die Anlagendokumentation alle im Zuge der Anlagenprüfung erhobenen technischen Daten, Prüf- und Messergebnisse mit sämtlichen Einzelbefunden, die aufgrund der Anlagenprüfung zu erheben nötig sind und für die ordnungsgemäße Erstellung des Anlagenbuches auch tatsächlich angefertigt werden, in jedem Fall zu enthalten haben und dem Anlagenbetreiber (Auftraggeber) in lückenloser, schriftlicher Form zu übergeben sind. 

I. Rechtsvorschriften  

Wird davon ausgegangen, dass für die Ausführung elektrotechnischer Leistungen ÖNORMEN/ÖVE-Vorschriften grundlegende Bedeutung besitzen bzw. allgemein den anerkannten Stand der Technik darstellen (vgl. 4 Ob 356/86, 6 Ob 566/95, 1 Ob 2626/00m), dann ist insbesondere bei der Prüfung von elektrischen Anlagen jedenfalls OVE E 8101 (Errichtungsbestimmungen für elektrische Niederspannungsanlagen) als anerkannter Stand der Technik umzusetzen.

Im Zuge einer Neuanlagenprüfung oder anderen Prüfung einer elektrischen Anlage (z.B. wiederkehrende Prüfung oder Prüfung nach wesentlicher Anlagenänderung) ist ein Anlagenbuch mit Prüfbefund zu erstellen, dessen Mindestinhalte mittels Besichtigen, Erproben und Messen zu erheben sind. Abhängig vom Errichtungszeitpunkt wird entschieden, welche Vorschriften der Prüfung zugrunde zu legen sind.

Hinsichtlich der Vermietung von Wohnungen ist grundsätzlich gem. § 7a ETV 2002 sicherzustellen, dass deren elektrische Anlagen den Bestimmungen vom ETG 1992 entsprechen. Spezielle Anforderungen (z.B. Fehlerstrom Schutzschalter) sind dabei einzuhalten und Beschädigungen oder sicherheitsrelevante Verschlechterungen des Anlagenzustandes sollen vermieden werden.

Bei elektrischen Anlagen müssen die Prüfungen nach §§ 8 und 9 ESV 2012 folgende Mindestinhalte umfassen: Sichtprüfung des ordnungsgemäßen Zustandes, Schutzmaßnahmen gegen direktes Berühren (Basisschutz), Schutzmaßnahmen bei indirektem Berühren (Fehlerschutz), ggf. Schutzmaßnahmen des Zusatzschutzes oder Erfassung des thermischen Zustandes relevanter elektrischer Betriebsmittel (vgl. § 10 Abs. 1 ESV 2012).

Es ist dafür zu sorgen, dass Prüfungsergebnisse im Rahmen eines Prüfbefunds festgehalten werden, der bestimmte Angaben zu enthalten hat, wie das Prüfdatum, den Namen des Prüfers, die Anschrift des Prüfers/der Prüferin oder Bezeichnung und Anschrift der prüfenden Stelle, die Unterschrift des Prüfers, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung, wobei eindeutig nachvollziehbar sein muss, welche Anlagen, Anlagenteile und Betriebsmittel geprüft wurden, sowie die in der elektrischen Anlage realisierten Maßnahmen des Fehlerschutzes und Zusatzschutzes (§ 11 Abs. 1 ESV 2012).

Ferner wird festgelegt, dass grundsätzlich Schaltpläne und Unterlagen für die elektrische Anlage sowie Befunde über Prüfungen vor Inbetriebnahme bis zum Stilllegen der elektrischen Anlage oder Ausscheiden des elektrischen Betriebsmittels aufzubewahren sind (§ 11 Abs. 2 ESV 2012).

Die Prüfbefunde für elektrische Anlagen oder deren Kopien müssen in der Arbeitsstätte oder auf der Baustelle, die Prüfbefunde für ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel müssen am Einsatzort des elektrischen Betriebsmittels einsehbar sein. Bei nicht besetzten Anlagen müssen die Prüfbefunde bei der dieser Anlage zugeordneten Stelle einsehbar sein (§ 11 Abs. 3 ESV 2012). 

II. Ordnungsgemäße Leistungserfüllung (§§ 922, 923 ABGB)

Gemäß § 922 ABGB leistet derjenige, der einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäftes oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann. Daraus folgt, dass wer der verkauften Sache (Leistung) Eigenschaften beilegt, die sie nicht hat, und die ausdrücklich oder aufgrund der Natur des Geschäftes stillschweigend bedungen worden sind bzw. wer ungewöhnlich Mängel, oder Lasten derselben verschweigt, der hat dafür zu haften (§ 923 ABGB).

Gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften einer Sache entsprechen der geschuldeten Beschaffenheit der Sache, die nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen sind (vgl. 1 Ob 140/00w; 8 Ob 63/05f; 1 Ob 14/05y u.a.). In Bezug auf die Prüfung von elektrischen Anlagen wird vorausgesetzt, dass deren Durchführung sich an den bestehenden rechtlichen Vorgaben zu orientieren hat, woraus sich ergibt, dass das entsprechende Anlagenbuch mit den einzelnen Prüfprotokollen bzw. –befunden dem Anlagenbetreiber zu übergeben ist. Es wird davon ausgegangen, dass damit die (gesetzlich oder vertraglich) geschuldete Arbeitsausführung oder Werkherstellung vollendet wird und die Anlage entsprechend ihrer bescheinigten Beschaffenheit verwendet werden kann bzw. aufgezeigte Mängel aufweist. Nur nach Aushändigung der vollständigen Überprüfungsunterlagen kann der Betreiber seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, das Anlagenbuch mit sämtlichen Prüfbefunden und ergänzenden Unterlagen, wie z.B. Plänen, am vorgeschriebenen Ort aufzubewahren bzw. nach der Prüfung der elektrischen Anlage nachvollziehbar und im Nachhinein, die einwandfreie Funktion derselben beweisen zu können, sowie dass die Betriebssicherheit und die Sicherheit von Personen und Sachen entsprechend gewährleistet ist. 

III. Beweisfunktion und Haftungsfragen

In allgemeiner Hinsicht sind nach den Bestimmungen der ÖNORM B 2110 Vorkommnisse, die die Ausführung der Leistung wesentlich beeinflussen und nicht zuletzt wenigstens auch Tatsachen, die den Leistungsfortschritt (z.B. Leistungsfertigstellung, Güte- und Funktionsprüfungen, Regieleistungen u.a.) konkret betreffen, schriftlich zu erfassen (vgl. ÖNORM B 2110/Pkt. 6.2.7). Auf diesem Weg sollen Tatsachen dokumentiert werden, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht oder nicht mehr auf entsprechende Weise getroffen werden können.

Unzweifelhaft liegt es im Interesse des Auftragnehmers, wichtige Umstände und Ereignisse in Prüf- bzw. Einzelbefunden sowohl im Zuge von Erstprüfungen oder wiederkehrenden Prüfungen zu dokumentieren und diese Prüfprotokolle dem Auftraggeber in umfassender und lückenloser Form auszuhändigen. Das Anlagenbuch und sämtliche angefertigte Prüfbefunde werden zu einem späteren Zeitpunkt zur Klärung von Beweisfragen (insbesondere vor Gericht) herangezogen. Die tatsächliche Übergabe von Prüfunterlagen an den Anlagenhalter (Auftraggeber) - weil damit die ordnungsgemäße Werksausführung bzw. Erbringung der vereinbarten Dienstleistung vollendet wird – kann erst die ordnungsgemäße gesetzliche und normengerechte Ausführung des Auftragswerks bzw. Erbringung der Auftragsleistung in Form der Prüfung der elektrischen Anlage bedeuten.

Selbstverständlich kann mit der entsprechenden Aushändigung sämtlicher Prüfbefunde auch zuweilen existenzbedrohenden Haftungsansprüchen, die gegen den Auftragnehmer gerichtet werden, zielführend vorgebeugt werden. Nur die vollständige und umfassende Übergabe des gemäß den betreffenden Sicherheitsvorschriften erstellten Anlagenbuches mit allen erhobenen technischen Daten, Prüf- und Messergebnissen sowie erforderlichen Einzelbefunden kann den Auftragnehmer aus haftungsrechtlicher Sicht wirksam absichern.

Stand: Juli 2020


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