Produktbegleitende Dienstleistungen als Hoffnungsträger

(in Anlehnung an „Dienstleistungsinnovation - Ein Leitfaden für produzierende Unternehmen“, WKOÖ 2013)

Lesedauer: 5 Minuten

Aus Gründen des globalen Wettbewerbes lassen sich im angestammten Produktgeschäft immer schwerer ausreichende Wettbewerbsvorteile und Deckungsbeiträge erzielen. Eine bisher vielfach noch unzureichend genutzte Chance bietet sich für Anbieter von innovativen Produkt-Dienstleistungskombinationen.

Studien belegen, dass hybride Komplettanbieter im Gegensatz zu reinen Produzenten zumeist deutlich höhere Margen erzielen und ein beträchtlich größeres Beschäftigungs-wachstum aufweisen.

Service Engineering – Eine Frage der Systematik

Der Bedarf nach einer strukturierten Vorgehensweise ist erkennbar, mit der neue Dienstleistungen systematisch entwickelt und diese in weiterer Folge sogar als eigenständig wertschöpfenden Teil des Geschäftsmodells im Unternehmen etabliert werden können.

Das Vorgehensmodell

Das vorliegende Vorgehensmodell dient dazu, in fünf aufeinanderfolgenden Schritten eine systematische Dienstleistungsentwicklung durchzuführen. Es beinhaltet Analyseschritte der eigenen Unternehmung sowie der kommenden Marktbedürfnisse, einen Kreativprozess mit Bewertung, eine Umsetzung der Ideen in Geschäftsmodellen sowie die Planung der Umsetzung.

Die folgende Kurzbeschreibung ermöglicht einen schnellen und übersichtlichen Einstieg in das Vorgehensmodell zur Generierung von Dienstleistungsinnovationen. Die Arbeit erfolgt dabei in fünf Einzelschritten, welche mit Nummern und Symbolen gekennzeichnet sind. Dieser Schnelldurchlauf dient einem ersten Überblick, um direkt mit der Entwicklung von Dienstleistungen beginnen zu können.

1 - Kompetenzen und Oberziel bestimmen

Den ersten Schritt im Modell stellt eine Analyse der aktuellen Kompetenzen im Unternehmen und des Oberziels – den „Zweck des unternehmerischen Handelns“ – dar. Wenn man sich lange Zeit immer wieder mit den gleichen KundInnen und Leistungen auseinandersetzt, ist das eigene Denken meist von einer Art „Tunnelblick“ geprägt. Man denkt immer nur in den gleichen Bahnen und es fällt schwer, andere Perspektiven einzunehmen.

Das stellt aber eine Grundvoraussetzung dar, um sich in die KundInnen hinein zu versetzen und deren spezielle Bedürfnisse zu verstehen.

Das Oberziel legt fest, in welche Richtung und mit welcher Priorisierung vorgegangen wird, um sozusagen nicht „blind“ loszulegen, sondern strukturiert von Anfang an in die richtige Richtung entwickeln.

Dabei abstrahiert man ständig ausgehend von den bestehenden Produkten, Services und Dienstleistungen die eigene Sichtweise und ermittelt das Oberziel.

Wenn man sich vorstellt, man ist in der Lage, immer größere Flughöhen zu erreichen, können plötzlich alle Produkte und Tä̈tigkeiten im Unternehmen aus einer Art Helikopterperspektive gesehen werden. Es geht nicht mehr um Details und spezielle Lösungen, sondern den Zweck des unternehmerischen Handelns zu erkennen. Das Oberziel beantwortet die Frage: Was wollen wir erreichen und welchen Wert wollen wir unseren KundInnen geben?

Ausgehend vom Oberziel ist es nun auch wichtig zu wissen, welche Kompetenzen im Unternehmen für die Erreichung der Ziele zur Verfügung stehen.

Die Kompetenzermittlung erfolgt dabei idealerweise im Team. Durch eine spezielle Fragetechnik, Fragen zu verschiedensten Organisations- und Ressourcenfeldern, werden die Kompetenzen im Unternehmen ermittelt und dargestellt. Sie bilden die Basis, um zukünftige Dienstleistungsinnovationen möglich zu machen.

Ist man sich seines Oberziels und der eigenen Kompetenzen bewusst, so ermittelt man im zweiten Schritt die wichtigsten zukünftigen Trends, nach denen KundInnen handeln und sich weiterentwickeln werden. Diese Einflüsse können von innerhalb wie auch außerhalb des Unternehmens kommen.

 

2 - Relevante Trends ermitteln

Die Ermittlung von relevanten Trends stellt den Blick in die Zukunft dar. Hier geht es nicht um die genaue Beschreibung von zukünftigen Produkten, Dienstleistungen oder Bedürfnissen des Unternehmens.

Vielmehr stehen die übergeordneten Veränderungen am Markt im Mittelpunkt. Solche Entwicklungen sind geprägt durch gesellschaftliche, soziale und auch technologische Veränderungen in unserem Umfeld.

Beispielhaft können hierfür der demografische Wandel, Social Media wie Facebook, Lebensstile, Vereinfachung oder technologische Neuerungen genannt werden, die unser Leben nachhaltig beeinflussen und verändern. In diesem Schritt geht es darum, diese Trends aus Sicht der Branche zu beurteilen und die wichtigsten zu identifizieren.

Als Methode eignet sich z.Bsp. die Methode des Trend Mapping mithilfe von Trendkarten.

Mit dem Vorwissen aus dem ermittelten Oberziel, aufgelisteten Kompetenzen und den relevanten Trends für die Zukunft, kommt es nun im dritten Schritt zur eigentlichen Entwicklung von Dienstleistungsideen.

 

3 - Dienstleistungsideen entwickeln und bewerten

Im dritten Schritt des Vorgehensmodells kommt es zur eigentlichen kreativen Arbeit an den zukünftigen Innovationen. Aufbauend auf den eigenen Kompetenzen, dem entwickelten Oberziel und den abgeleiteten Trends für die Zukunft werden mit Kreativitätstechniken Ideen für potenzielle Dienstleistungen geschmiedet.

Zuerst muss allerdings das eigentliche Suchfeld festgelegt werden, das sicherstellt, nicht unstrukturiert Ideen zu entwickeln, sondern gezielt in bestimmten Bereichen nach Lösungen zu suchen.

Danach wird in diesem Modell mit z. Bsp. zwei speziellen Kreativitätsmethoden gearbeitet.

Das 9-Fenster-Tool ist ein sehr gutes Werkzeug, um Kundenbedürfnisse zu ermitteln, welche KundInnen eventuell gar nicht nennen können, weil sie ihnen bisher nicht bewusst waren.

Man bewegt sich dabei gedanklich in den Dimensionen RAUM und ZEIT. Unter Raum versteht man den Aufbau eines Produkts oder einer Dienstleistung einschließlich der gesamten Umgebung unter räumlichen Aspekten.

Die zweite Ebene bildet eine Betrachtung der Zeitachse. Welche Dinge geschehen etwa vor oder nach der Verwendung eines Produkts. Der zeitliche Horizont kann sich zwischen Minuten aber auch Jahren bewegen.

Über all diese Felder kommt es nun zur Ableitung von konkreten Ideen.

Um diese Ideenableitung auch systematisch zu unterstützen, kommt ein zweites Tool zum Einsatz. Gut geeignet dafür ist z.Bsp. die 6-3-5-Methode. Dieses Kreativitätswerkzeug ist eine der bekanntesten schriftlichen Ideenfindungsmethoden.

Bei der 6-3-5 Methode, schreiben sechs Personen drei Ideen in fünf Minuten auf ein vorbereitetes Blatt.

Nach fünf Minuten werden diese Blätter an die nächste Person weitergegeben, die an der ursprünglichen Idee weiterarbeitet, und so weiter – bis das Blatt wieder beim ursprünglichen Ideenbringer angelangt ist.

Alle Ideen die mit den beiden Methoden gesammelt wurden, werden nun einer Bewertung unterzogen. Die 4-Feldbewertung nach Lercher ist eine sehr einfache Bewertungsart. Dabei werden die erhobenen Ideen hinsichtlich ihres Potenzial-Aufwand Verhältnisses eingeschätzt und den in der nachfolgenden Abbildung dargestellten 4 Quadranten zugeordnet.

Die Ideen mit hohem Potenzial und niedrig zu erwartendem Realisierungsaufwand werden weiterverfolgt. Die Ideen mit hohem Potenzial aber hohem Aufwand werden präzisiert, näher beleuchtet und einer Neubewertung unterzogen.

 

4 - Ideen konkretisieren, Geschäftsmodelle entwickeln

Eine Idee alleine macht noch keine Innovation. Im Wesen der Innovation steckt vielmehr die tatsächliche Wertsteigerung für das Unternehmen. Daher ist es von großer Bedeutung, sich auch Gedanken über das tatsächliche Geschäftsmodell zu machen, mit dem man die Dienstleistung erfolgreich in die Unternehmung integrieren kann.

Welchen Nutzen stiftet die Dienstleistung? Welche Ressourcen benötige man dafür? Wie lässt sich damit etwas verdienen? Kann man sich damit von den Mitbewerbern abheben? Wie lässt sich die Dienstleistung optimal mit Produkten kombinieren?

All diese Fragen müssen beantwortet werden, um eine erfolgreiche Implementierung der Ideen vorzubereiten.

 

5 - Entscheidung, Umsetzung

Einen wichtigen Teilaspekt eines Innovationsprojektes stellt auch die Phase der konkreten Umsetzungsplanung dar. Rein auf Ideenfindungen basierende Vorgehensweisen, ohne den Hintergrund konkreter wirtschaftlicher Umsetzungsgedanken, entsprechen nicht dem Wesen der Innovation.

Daher ist es auch in dieser Phase von Bedeutung, methodisch unterstützt zu arbeiten. Für Unternehmen, welche bereits einen systematischen Ansatz zur Innovation verfolgen, kommt es hier auch auf eine gute Überleitung in den Unternehmensprozess an. Diese Schnittstellen zwischen Idee, Umsetzung und Unternehmensprozessen sollte möglichst keinen Angriffspunkt für Reibungsverluste bieten.

Die Fähigkeiten des klassischen Projektmanagements sind die Grundvoraussetzungen für die Umsetzungsphase.

Stand: 22.12.2023