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Person mit Brille mittleren Alters sitzt in Businesskleidung an einem Schreibtisch und bearbeitet ein Dokument mit einem Stift, im Hintergrund ist eine helle Fensterfront
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Vergabetipp: Ausscheidung wegen unvollständiger Aufklärung

von Dr. Andreas Gföhler, Rechtsanwalt bei Schramm Öhler RAe und Angela Vogl-Prenner, LL.M., Rechtsanwältin bei Schramm Öhler RAe

Lesedauer: 3 Minuten

10.09.2025

Gemäß § 78 Abs 1 Z 10 Bundesvergabegesetz 2018 (kurz: BVergG 2018) hat ein:e öffentliche Auftraggeber:in ein Unternehmen jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn das Unternehmen sich bei der Erteilung von Auskünften betreffend die Eignung einer schwerwiegenden Täuschung schuldig gemacht hat, diese Auskünfte nicht erteilt hat oder die von der:vom öffentlichen Auftraggeber:in zum Nachweis der Eignung geforderten Nachweise bzw. Bescheinigungen nicht vorgelegt, vervollständigt oder erläutert hat.

Gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 hat ein:e öffentliche Auftraggeber:in darüber hinaus vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagserteilung, Angebote von Bieter:innen, deren Eignung nicht gegeben ist, auszuscheiden. Das Landesverwaltungsgericht Wien beschäftigte sich kürzlich mit diesem Ausscheidensgrund:

Der Magistrat der Stadt Wien führte als öffentlicher Auftraggeber im Wege eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich das Vergabeverfahren „MA 48 – VEAI-…-2024 – Winterliche Betreuung von Gehsteigen, Radwegen, Stiegenanlagen, Märkten und sonstigen Flächen Wien 2025-2026 (2033)“ durch. Zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit legte der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen fest, dass unter anderem auch eine Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m des Gerichtsorganisationsgesetzes (kurz: GOG) oder gleichwertig vorzulegen ist.

Die spätere Antragstellerin legte für sämtliche Lose ein Angebot. Diesem Angebot fügte sie jedoch keine Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m GOG bei. Im Zuge der Angebotsprüfung forderte der Auftraggeber sie daher unter anderem auf

  1. eine Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m des GOG vorzulegen sowie
  2. falls sich aus der Registerauskunft ergibt, dass das Unternehmen als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt wird: die konkret erhobenen Vorwürfe darzustellen und bekanntzugeben, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um zukünftig solche Vorwürfe hintanzuhalten.

Die Antragstellerin legte in weiterer Folge mit ihrer Aufklärung eine Registerauskunft für Verbände vor, woraus ersichtlich war, dass im Zeitpunkt der Auskunft die Bieterin als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt wird. Eine gesonderte Erklärung / Darstellung zu den konkreten Vorwürfen und getroffenen Maßnahmen wurden mit der Aufklärung jedoch nicht vorgelegt. Das Angebot wurde daraufhin vom Auftraggeber ausgeschieden, woraufhin diese Bieterin mittels Nachprüfungsantrag die Nichtigerklärung der an sie übermittelten Ausscheidensentscheidung beantragte.

Das LVwG Wien wies den Nachprüfungsantrag ab und führte zur Ausscheidung gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 folgendes aus: Gemäß § 80 Abs 3 BVergG 2018 – wonach im Rahmen der Eignungsprüfung es auch erforderlich sein kann ergänzende Erläuterungen von Bieter:innen einzuholen – sowie den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen war die Aufforderung zur Nachreichung der Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m GOG samt den geforderten Erläuterungen rechtmäßig. Die Eignung von Bieter:innen muss nicht nur spätestens im eignungsrelevanten Zeitpunkt vorliegen, sondern sie darf danach in weiterer Folge auch nicht mehr verloren gehen. Der Auftraggeber ist demnach verpflichtet, konkreten Anhaltspunkten nachzugehen, die darauf hindeuten, dass die Eignung im Laufe des Verfahrens verloren gehen bzw. bereits verloren gegangen sein könnte. Mit der Aufforderung, die konkret erhobenen Vorwürfe darzustellen, sofern sich aus der Registerauskunft für Verbände gemäß § 89m GOG ergibt, dass die Bieterin als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt wird, nimmt der Auftraggeber daher seine gesetzlich übertragenen Pflichten wahr. Allein anhand der Angaben aus der Registerauskunft ist für den Auftraggeber nämlich nicht ersichtlich, hinsichtlich welchen Delikts die Bieterin als Beschuldigte in einem Strafverfahren geführt wird. Erst durch die ergänzenden Erläuterungen der Bieterin zum konkreten Delikt ist es dem öffentlichen Auftraggeber möglich zu beurteilen, ob konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass im Verlauf des Verfahrens die berufliche Zuverlässigkeit durch Vorliegen eines Ausschlussgrundes wegfallen könnte. Da die Antragstellerin es im gegenständlichen Fall jedoch innerhalb der gestellten Frist unterlassen hat, die konkret erhobenen Vorwürfe samt allfälliger Maßnahmen entsprechend darzustellen, wurde das Angebot der Antragstellerin gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 zu Recht ausgeschieden.

Vergabetipp

Gemäß § 80 Abs 3 erster Satz BVergG 2018 kann es erforderlich sein, dass – zusätzlich zur Vorlage von bestimmten Nachweisen – ebenso eine ergänzende Erläuterung von der:vom Auftraggeber:in verlangt werden kann. Diese „Erforderlichkeit“ bestimmt sich grundsätzlich nach den Einschätzungen der:des Auftraggeberin:Auftraggebers. Diese:r hat dabei einen weiten Ermessenspielraum. Als Bieter:in in einem Vergabeverfahren ist daher darauf zu achten, sämtliche Nachweise und Erläuterungen, zu denen sie:er von der:vom Auftraggeber:in um Aufklärung ersucht wurde – auch, wenn die Vorlage in den Ausschreibungsunterlagen des Vergabeverfahrens nicht ausdrücklich vorgesehen war – vorzulegen bzw. zu erteilen.

Landesverwaltungsgericht Wien vom 31.07.2025, VGW-123/095/9549/2025