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Sparte Industrie

VfGH-Erkenntnis zum Bahnzwang für Abfalltransporte

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 3 Minuten

05.12.2025

Der – mit Unterstützung der BSI – eingebrachte Antrag gegen die AWG-Verpflichtung, Sekundärrohstoffe mit der Bahn zu befördern, wurde vom VfGH abgewiesen.  

Vor knapp einem Jahr wurde, unterstützt und koordiniert von der Bundessparte Industrie (BSI) und vom Fachverband Entsorgungs- und Ressourcenmanagement, ein sogenannter Individualantrag auf Normenkontrolle – eine Gesetzesbeschwerde – gegen den verpflichtenden Bahntransport von Abfällen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht. Die angefochtene Bestimmung aus dem Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) betrifft auch Sekundärrohstoffe wie Altmetall, Altholz und Altpapier. Unter den neun Antragstellerinnen waren daher namhafte Unternehmen aus der Papier-, Holz- und Metallindustrie die – ganz im Sinne einer Kreislaufwirtschaft - Sekundärmaterial in der Produktion einsetzen und dabei durch die Bahnzwang-Bestimmung behindert werden.

Weshalb dieser Antrag?

Obwohl um ein Vielfaches teurer als der LKW, kann die Bahn nicht einmal annähernd die für den Einsatz von Sekundärmaterial in der Produktion erforderlichen ‚Just-in-time-Lieferungen‘ sicherstellen. Damit wird das österreichische Kreislaufwirtschaftssystem, das auf verlässliche und flexible Transportwege angewiesen ist, empfindlich gestört. Sekundärrohstoffe werden gegenüber Primärrohstoffen (für die der Bahnzwang nicht gilt) am Markt massiv benachteiligt, deren Recycling wird erschwert und behindert. Das vom Gesetzgeber postulierte Hauptziel, mit dem Bahnzwang einen wirksamen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen zu leisten, wird nicht erreicht. Selbst der im August veröffentlichte Evaluierungsbericht „Abfalltransporte auf der Schiene“ des Umweltministeriums weist keinerlei durch den Bahnzwang erzielte CO2-Einsparungen aus. Im Gegenteil: Durch kompliziere Umschlagsprozesse, längere Transportwege und fehlende Bahnanschlüsse vor Ort entstehen sowohl ökologische als auch ökonomische Mehrbelastungen und insbesondere zusätzliche CO2-Emissionen. Abgesehen von den negativen ökologischen und ökonomischen Auswirkungen bestanden aus unserer Sicht auch gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen den verpflichtenden Bahntransport von Abfällen/­Sekundärrohstoffen. Das sah der VfGH leider anders.

Was sagt der VfGH?

Am 24. Oktober 2025 hat der VfGH seine Entscheidung über den Individualantrag gegen den Bahnzwang für Abfalltransporte veröffentlicht. Das enttäuschende Ergebnis am Ende des knapp 40-seitigen Erkenntnisses: Der Bahnzwang sei nicht verfassungswidrig, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.

Der VfGH bejahte immerhin – was ganz und gar keine Selbstverständlichkeit ist - die Zulässigkeit des gesamten Antrags, auch hinsichtlich der erst 2026 wirksam werdenden 100 km-Regelung. Laut AWG besteht aktuell die Verpflichtung, Abfalltransporte über die Schiene abzuwickeln, wenn die Transportstrecke auf der Straße mehr als 200 km beträgt. Ab 2026 ist laut Gesetz eine Verschärfung dieser Kilometergrenze auf 100 km vorgesehen.

Der VfGH kommt zum Ergebnis, dass die Grundrechte auf Erwerbs- und Eigentumsfreiheit nicht verletzt seien: An dem mit dem Bahnzwang verfolgten Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz bestehe ein gewichtiges öffentliches Interesse. Der Bahnzwang sei grundsätzlich ein taugliches Mittel, um den angestrebten Klimaschutz zu verfolgen. Auf den tatsächlichen Effekt der Regelung kommt es offenbar nicht an. Angesichts der Bedeutung der öffentlichen Interessen sei die Regelung verhältnismäßig, zumal auch Ausnahmen vom und Alternativen zum Bahntransport gesetzlich vorgesehen sind.

Weiters liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor: Es sei rechtspolitischer Gestaltungsspielraum, den Bahnzwang derzeit nur für Abfälle vorzusehen. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, zur Erreichung der Klimaschutzziele gleichartige Maßnahmen auch auf anderen Gebieten einzusetzen.

Bemerkenswert ist, dass der VfGH in seinen Erwägungen mit keinem Wort auf die Kreislaufwirtschaft und den im Hinblick darauf besonderen Beitrag des Einsatzes von Sekundär­rohstoffen in der Industrieproduktion eingeht.

Die Begründung ist aus unserer Sicht enttäuschend und erscheint tendenziös. Bloße Behaupt­ungen aus der Replik der Bundesregierung gegen unseren Antrag werden als entscheidend in die Waagschale geworfen, unser Vorbringen und die von uns vorgetragenen Fakten nicht.

Immerhin hält der VfGH fest, dass die Bahn verpflichtet ist, Angebote zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen bereitzustellen. Zwar weist der VfGH auch darauf hin, dass finanzielle Mehrkosten des Bahnzwangs nicht zur Unsachlichkeit der Regelung führen. Man könnte den VfGH aber durchaus auch so verstehen, dass ein krasses finanzielles Missverhältnis zwischen Bahn- und Lkw-Transport im Einzelfall nicht hingenommen werden muss. Wann diese Schwelle erreicht wird, bleibt allerdings unklar.

Aktivitäten auf politischer Ebene

Der Bahnzwang ist aufgrund unseres Lobbyings derzeit auch Thema im Nationalrat: Wir haben Presseaussendungen lanciert und eine ganze Reihe von Schreiben mit Argumentarien an die Umwelt- und Verkehrssprecher aller Regierungsparteien verschickt sowie Spitzenfunktionäre der Gewerkschaft persönlich in dieser Sache kontaktiert.

ÖVP und NEOS sind nicht nur auf unserer Linie bzw. teilen unseren Standpunkt, sondern setzten sich in den gerade laufenden Verhandlungen im Parlament für eine Lösung in unserem Sinn ein. Blockiert wird eine von uns angestrebte Aufhebung bzw. Entschärfung der Bahnzwang-Bestimmung von der SPÖ. Rail Cargo und ÖBB machten in letzter Zeit massiv Druck, dass der Bahnzwang unverändert bestehen bleibt, inklusive der demnächst in Kraft tretenden 100 km-Schwelle.

Unser aktuelles Minimalziel ist ein Aufschub der laut AWG am 1. Jänner 2026 in Kraft tretenden 100-km-Schwelle, was nach unseren Recherchen eine Ausweitung der Betroffenheit um weitere 50 % bewirken würde. Ein solcher Aufschub wird selbst im BMLUK Evaluierungsbericht vorgeschlagen; auch der kürzlich veröffentlichte „ÖWAV-Onlinekonsultation zum AWG 2002 – Ergebnisbericht“ unterstützt unsere Position weitestgehend.

Autor:
Mag. Gerfried Habenicht
E-Mail: gerfried.habenicht@wko.at

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