Anonymisierte Bewerbungen: Defensiv-strategie mit Nachteilen für Unternehmen

Argumente der WKÖ

Lesedauer: 2 Minuten

Aktualisiert am 11.03.2023

Es wird immer wieder vorgeschlagen, Bewerbungen anonym zu gestalten um etwaige Hürden am Arbeitsmarkt, mit denen MigrantInnen, Ältere und andere Personengruppen konfrontiert sind, abzubauen. Bewerbungsunterlagen dürften dann keine Angaben zu Name, Geschlecht, Alter, Herkunft und Familienstand sowie kein Foto enthalten. Diese Informationen würden erst im direkten Vorstellungsgespräch preisgegeben. Damit soll Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts, des Alters oder der Herkunft vorgebeugt werden. Die Erfahrung bestätigt aber: Die Anonymisierung ist ungeeignet und schießt weit über das Ziel hinaus. 

Keine positiven Effekte von anonymen Bewerbungen 

Die Idee von anonymen Bewerbungen ist es, benachteiligten Gruppen wie MigrantInnen höhere Chancen für eine Anstellung zu ermöglichen. Allerdings belegen Studien (u.a. IHS), dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Auch ein Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle in Deutschland zu anonymen Bewerbungen zeigt, dass Unternehmen diese Praxis nicht fortführen werden, weil sie keinen Mehrwert gebracht hat. Ganz im Gegenteil: Interessante Lebensläufe oder Personen sind nicht mehr aufgefallen, es konnte kein zusätzliches Bewerberpotenzial erschlossen werden und auch der Anteil an MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund ist dadurch nicht gestiegen. 

Anonymisierte Bewerbungen beschränken die Individualität 

Gerade eine Bewerbung gibt einer Person die Möglichkeit, sich selbst zu präsentieren. Auch die individuellen Stärken, die sich durch den persönlichen Hintergrund ergeben, spielen dabei eine wesentliche Rolle, um sich besser „verkaufen“ zu können. Durch eine anonyme Bewerbung fällt dieser Aspekt in der ersten Auswahl komplett weg und alle BewerberInnen werden auf einen Rumpf reduziert, der keine persönlichen Merkmale mehr zulässt. Allein aus den Infos zu Sprachkompetenzen oder früheren Arbeitgebern können Personalisten Faktoren wie Herkunft und Alter genauso herauslesen. Dies müsste – denkt man die anonyme Bewerbung konsequent zu Ende – ebenso weggelassen werden; aber was bleibt dann noch übrig? 

Vorteile eines Migrationshintergrundes bleiben ungenutzt 

Personen aus anderen Ländern bringen Fähigkeiten und Kenntnisse mit, die für Unternehmen sehr wertvoll sind, z.B. diverse Fremdsprachen, interkulturelle Kompetenz und spezifisches regionales Wissen. Viele Betriebe haben etwa auch einen großen Kundenstock mit Migrationshintergrund, wollen den Kundenkreis erweitern oder in neue Märkte exportieren und suchen deshalb explizit MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund. Damit Unternehmen das Potenzial von Personen mit und ohne Migrationshintergrund herausfiltern können bzw. damit BewerberInnen sich entsprechend präsentieren können, muss die Information von Anfang fließen und sollte keiner „Zensur“ zum Opfer fallen.  

Vielfalt ist ein Vorteil 

Anonyme Bewerbungen sind eine Defensivstrategie, die die Vorteile von Vielfalt vollständig verneint. Ein vielfältiges Personal ist für Unternehmen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, der Innovationsfähigkeit, Kreativität und die Erschließung neuer Märkte fördert. Der potenzielle Pool an geeigneten Talenten, aus dem die Unternehmen rekrutieren können, wird erweitert, ein Vorteil im Kampf um die Besten Köpfe.

Statt eine wenig zukunftsorientierte Defensivstrategie mit anonymisierten Bewerbungen zu fahren, gilt es, die Vorteile, die Vielfalt bietet, darzustellen und gezielt zu nutzen. Zu diesem Zweck muss das Bewusstsein über die positiven Aspekte des Migrationshintergrundes aktiv gestärkt und durch diese Sensibilisierung ein gesellschaftlicher Wandel erreicht werden.

 

Aktivitäten der WKO:

Fachkräftesicherung (www.wko.at/fachkraefte)

Mentoring für MigrantInnen (www.wko.at/mentoring)

Charta der Vielfalt (www.charta-der-vielfalt.at), WKW/WKÖ


Autorin:  Mag. Julia Moreno-Hasenöhrl

Stand: April 2021