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Haftung für Bauwerke, Wegehalter­haftung und Haftung nach dem EKHG

Die Besitzer von Gebäuden und die Halter von Wegen oder Kraftfahrzeugen treffen umfangreiche Haftungen und Sorgfaltspflichten.

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Haftung für Bauwerke

Der Besitzer eines Bauwerkes oder eines anderen auf einem Grundstück errichteten Werkes (z.B. Brücken, Baugruben, Schächte, Gartentore, Geländer, Baugerüste, Tribünen, Grabsteine oder Sendemasten) haftet für Schäden, die durch den Einsturz des Gebäudes oder Werkes bzw. durch Ablösung von Teilen desselben entstehen. Weiters haftet er für Schäden, die durch umstürzende Bäume oder abbrechende Äste von seinem Grundstück verursacht wurden.

Voraussetzung für die Haftung ist, dass der Einsturz oder die Ablösung von Teilen auf eine mangelhafte Beschaffenheit des Gebäudes oder Werkes zurückzuführen ist. Mangelhaftigkeit liegt immer dann vor, wenn das (Bau-)Werk nicht der allgemein zu erwartenden Sicherheit entspricht. Wenn der Geschädigte die Gefahr kennt und sich dennoch bewusst in diesen Gefahrenbereich begibt, kann er sich nicht auf diese Haftung berufen. 

Allerdings besteht keine Haftung, wenn der Besitzer beweisen kann, dass die erforderliche Sorgfalt angewandt wurde, um die Gefahr abzuwenden. Gleiches gilt, wenn die Gefahr für den Besitzer nicht erkennbar war. Ob eine Gefahr für den Besitzer erkennbar ist oder nicht, ist immer einzelfallabhängig.


Beispiel aus der Rechtsprechung:

Eine Person verletzt sich aufgrund einer defekten Schachtabdeckung. Der Besitzer haftete jedoch nicht, da der Defekt mit freiem Auge nicht ersichtlich war.

Ist Stockfäule von außen nicht erkennbar, haftet der Halter eines Hochstandes nicht, weil die objektive Sorgfalt nur Sicht- und Rüttelkontrollen verlangt. Eine für die Gefahrenerkennung erforderliche Überprüfung durch Sachverständige erscheint als nicht zumutbar.


Besitzer kann der Eigentümer selbst sein, aber auch ein Mieter bzw. Pächter oder ein Fruchtnießer. Auf die Eigentümereigenschaft kommt es letztlich nicht an. Vielmehr ist entscheidend, wer die tatsächliche Verfügungsmacht über die Sache und damit die Möglichkeit der Gefahrenabwehr hat.

Die Haftung besteht nicht nur für Schäden, die durch Einsturz bzw. Ablösung entstehen, sondern für alle Schäden, die infolge typischer Gefahren eines mangelhaften (Bau-)Werkes erwachsen.

Die Haftung setzt kein Vertragsverhältnis zwischen dem Haftenden und dem Geschädigten voraus, sondern es handelt sich um eine deliktische Haftung, die gegenüber jedermann bestehen kann. Die Besonderheit dieser deliktischen Haftung besteht in der ausnahmsweise gesetzlich festgelegten Beweislastumkehr in Bezug auf das Verschulden, die sonst nur bei der vertraglichen Haftung Anwendung findet.

Zieht der Besitzer zur Überprüfung jedoch einen Fachmann heran, wird er sich im Regelfall auf dessen Expertise verlassen dürfen und trifft ihn somit grundsätzlich keine Haftung. Jedoch darf der Besitzer dem Fachmann auch nicht blind vertrauen. 

Erkennt er nämlich als Nichtfachmann, dass die durchgeführten Maßnahmen des Fachmannes unzureichend sind, oder verfügt er selbst über höheres Fachwissen, so kann auch er zur Haftung herangezogen werden. 


Beispiel aus der Rechtsprechung:

Eine Passantin wurde durch das Abbrechen eines Fassadenteiles schwer verletzt. Da die Hausfassade erst vor 2,5 Jahren von Fachleuten renoviert wurde, trifft den Besitzer keine Haftung. Er hat die Substanz der Fassade „nur“ mittels jährlicher Sichtkontrolle vom Boden aus zu prüfen. Dadurch war eine Lockerung des Fassadenteils jedoch nicht erkennbar. 

Eine Haftung für Schäden durch Dachlawinen, Schnee oder Eiszapfen besteht auch dann, wenn sich darin keine mitgerissenen Teile des (Bau-)Werks befinden. Zusätzlich kann eine Haftung wegen Verletzung der Straßenverkehrsordnung zum Tragen kommen.


Wegehalterhaftung

Der Halter eines Weges haftet den Benützern, wenn durch den mangelhaften Zustand des Weges ein Schaden verursacht wird und dem Halter selbst oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist.

Die Wegehalterhaftung ist eine Deliktshaftung und setzt zumindest grobe Fahrlässigkeit voraus. Wer grob fahrlässig handelt, handelt auffallend sorglos und war der Eintritt des Schadens geradezu vorhersehbar. (z.B. wenn dem Wegehalter eine gefährliche Stelle bekannt war und er dennoch keine zumutbaren Sicherungsmaßnahmen gesetzt hat).

Halter eines Weges ist, wer die Kosten seiner Errichtung und Erhaltung trägt. Auf die Eigentümereigenschaft kommt es wiederum nicht an. Vielmehr ist entscheidend, wer die tatsächliche Verfügungsmacht über den Weg und damit die Möglichkeit der Gefahrenabwehr hat.

Die Haftung des Halters erstreckt sich auch auf seine Leute (z.B. Dienstnehmer, Gehilfen). Dieser „Leutebegriff“ reicht auch über jene des „Dienstnehmers“ hinaus. Erforderlich ist aber ein gewisses Naheverhältnis zum Wegehalter, das es diesem ermöglicht, seinen "Leuten" gegenüber im Einzelfall konkrete Anordnungen im Rahmen seiner Verpflichtung durchzusetzen. Nicht mehr erfasst sind selbständige Unternehmer mit eigenem Organisations- und Verantwortungsbereich. In diesem Fall haftet der Wegehalter nur, wenn er den Unternehmer nicht sorgfältig ausgewählt oder eine Überwachungspflicht verletzt hat.

Bedeutsam für die Haftung ist die Widmung des Weges, nämlich als Fläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzbar ist. Das Wege sind z.B. Autobahnen, Bundesstraßen, Rad- oder Gehwege, Wanderwege, Rodelbahnen, Schipisten, Langlaufloipen, Klettersteige. Dazu zählen auch am Weg befindliche Anlagen die dem Verkehr dienen, wie z.B. eine Brücke, eine Stützmauer oder Geländer die den Benützer vor einem Absturz schützen. Sogar Parkplätze können als Wege gelten!

Mangelhaft ist der Zustand eines Weges, wenn aufgrund vernachlässigter Instandhaltung oder Bestreuung auf der Fläche unübliche Schäden entstanden sind, Gefahrenquellen (z.B. Schnee, Eis) nicht beseitigt werden oder Sicherungseinrichtungen fehlen.

Kürzlich hat der Oberste Gerichtshof (OGH) entschieden, dass eine Streupflicht gegen Glatteis auch für die Nacht bestehen kann: „Der Hauseigentümer muss alle Vorkehrungen treffen, die vernünftigerweise nach den Umständen von ihm erwartet werden können. Dies gilt sowohl für die Häufigkeit des Streuens als auch die Anwendung verschiedener Streumittel“. Allerdings habe man als Höchstgericht auch bereits ausgesprochen, dass es „regelmäßig unzumutbar“ sei, für eine Streuung rund um die Uhr zu sorgen. „Das schließt es aber nicht aus, dass bei konkreter Vorhersehbarkeit einer außergewöhnlichen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Glatteis führenden Wetterlage eine vorsorgliche Streupflicht für viel begangene Wege in einer Wohnanlage bestehen kann.“ Außergewöhnlich bedeute aber, dass schon mehr erwartet werden müsse als bloße Nebelbildung und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Dass Glatteis vorhersehbar sei, könnte sich aber insbesondere aus entsprechenden Wetterwarnungen ergeben, meinte der OGH.

Ist der Schaden bei einer unerlaubten Benützung des Weges entstanden, kann sich der Geschädigte nicht auf den mangelhaften Zustand berufen, wenn ihm die Unerlaubtheit erkennbar war, z.B. aufgrund einer Abschrankung oder einer Betretungs- oder Fahrverbotstafel.

Die Beweislast, dass der Schaden auf den mangelhaften Zustand eines Weges zurückzuführen ist, trifft den Geschädigten. Dieser muss auch die Haltereigenschaft des Belangten sowie dessen grobe Fahrlässigkeit beweisen.

Haftung nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG)

Die Haftung nach dem EKHG ist das wichtigste Beispiel für eine Gefährdungshaftung. Der Gesetzgeber gestattet die Nutzung bzw. den Betrieb bestimmter Gefahrenquellen unter der Voraussetzung, dass der, der diese Gefahrenquelle (wirtschaftlich) nutzt und damit einen Vorteil daraus zieht, auch für einen allenfalls daraus entstehenden Schaden aufzukommen hat. Ein Verschulden des Betreibers der Gefahrenquelle ist für die Haftung nicht erforderlich.

Wird durch einen Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn oder eines Kraftfahrzeuges ein Mensch getötet, verletzt oder eine Sache beschädigt, hat der Betreiber den Schaden zu ersetzen. Beim Beurteilen der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs  sind auch verkehrstechnische Gesichtspunkte zu beachten. So gelten etwa gefährlich abgestellte Kraftfahrzeuge als noch im Betrieb.

Unter den Begriff der Eisenbahn fallen auch Seilbahnen, Sessel- und Schlepplifte. Der Begriff des Kraftfahrzeuges ist im Sinne des Kraftfahrgesetzes auszulegen. Nicht erfasst sind daher Fahrzeuge, mit denen auf gerader, waagrechter Fahrbahn bei Windstille 10km/h nicht überschritten werden können, z.B. bestimmte Traktoren, Mähdrescher, Pistenfahrzeuge.

Für Eisenbahnen im weiteren Sinn haftet der Betriebsunternehmer, für Kraftfahrzeuge der Halter. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es bei der Haltereigenschaft nicht unbedingt an, sondern auf das Betreiben auf eigene Rechnung und Gefahr. Geschädigte können außerdem unmittelbar den Versicherer des Halters eines Kraftfahrzeuges klagen. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz sieht einen derartigen Direktanspruch vor.

Keine Anwendung findet das EKHG, wenn der Verletzte zur Zeit des Unfalls als "blinder Passagier“ (Schwarzfahrer) befördert wurde oder eine beim Betrieb tätige Person (z.B. Buslenker, Lokführer) war. Benutzte jemand zur Zeit des Unfalls das Verkehrsmittel ohne den Willen des Betriebsunternehmers oder Halters, haftet er an dessen Stelle für den entstandenen Schaden. Es ist jedoch streng zu prüfen, ob die Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht wurde (z.B. Fahrzeughalter lässt Zündschlüssel stecken).  

Mehrere am Unfall beteiligte Eisenbahnunternehmer oder Fahrzeughalter haften solidarisch, dh der Geschädigte kann seine Ansprüche gegen einen oder alle richten. Den Haftpflichtigen stehen untereinander Rückgriffs- und Ausgleichsansprüche zu, wobei als Aufteilungskriterien der Grad des Verschuldens sowie die Schadensverursachung durch eine außergewöhnliche oder überwiegend gewöhnliche Betriebsgefahr herangezogen werden.  

Es besteht allerdings eine gesetzliche Haftungsbefreiung, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Als unabwendbar gilt ein Ereignis insbesondere dann, wenn es auf das Verhalten des Geschädigten selbst, eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten (z.B. Terroranschlag) oder eines Tieres zurückzuführen ist. Sowohl der Betriebsunternehmer oder Halter als auch die mit Willen des Betriebsunternehmers oder Halters beim Betrieb tätigen Personen müssen jede nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Sorgfalt beachtet haben.

Reine Vermögensschäden sind nach dem EKHG nicht zu ersetzen. Im Falle der Körperverletzung oder Tötung eines Menschen sind die Kosten der (versuchten) Heilung, ein Verdienstentgang, etwaige Kosten aus einer Vermehrung der Bedürfnisse (z.B. wenn infolge einer Schulterdeformierung nur mehr Maßkleider anstelle von Konfektionsware getragen werden können) sowie ein angemessenes Schmerzengeld zu ersetzen. Im Falle der Tötung hat der Haftpflichtige außerdem die Kosten einer angemessenen Bestattung zu tragen. Bei einer Körperverletzung ist unter Umständen eine Verunstaltungsentschädigung zu leisten.

Das EKHG kennt allerdings Haftungshöchstbeträge. Kann ein entstandener Schaden nicht im Rahmen des EKHG abgedeckt werden, kann ein Geschädigter aber immer noch auf die allgemeine zivilrechtliche Verschuldenshaftung zurückgreifen, die parallel zur Nichtverschuldenshaftung (Gefährdungshaftung) des EKHG besteht.

Ein Geschädigter verliert seinen Ersatzanspruch, wenn er nicht binnen 3 Monaten ab Kenntnis vom Schaden und Haftpflichtigen, diesem den Unfall anzeigt, es sei denn, ihm ist die Anzeigenerstattung aufgrund äußerer Umstände nicht möglich (z.B. weil er im Krankenhaus liegt) oder der Ersatzpflichtige hat von dem Schaden auf andere Weise Kenntnis erlangt.

Im Übrigen gelten die Verjährungsfristen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes.

Stand: 11.11.2021

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