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Wann ist eine nationale Förderung eine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts?

Eine staatliche Förderungsmaßnahme ist grundsätzlich dann nach EU-Beihilfenrecht von der Kommission zu genehmigen, wenn sie eine Beihilfe darstellt.

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Eine staatliche Förderungsmaßnahme ist grundsätzlich dann nach EU-Beihilfenrecht von der Kommission zu genehmigen, wenn sie eine Beihilfe darstellt. Der Beihilfenbegriff ist ein weiter und komplexer. Damit eine Förderung als Beihilfe qualifiziert werden kann, müssen alle folgenden Merkmale erfüllt sein

Die Kommission hat eine eigene Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe erlassen (ABL 2016/C 262/01).


Transfer staatlicher Mittel

Beihilfen müssen vom Staat bzw aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Unter staatlichen Mittel sind nicht nur solche Ressourcen zu verstehen, die dem Staat im engeren Sinn (Gebietskörperschaften und autonome innerstaatliche Rechtsträger) zuzurechnen sind; erfasst sind auch Förderungsmaßnahmen öffentlicher Unternehmen bzw. privatrechtlich organisierter Fördergeber, wenn es Indizien für die staatliche Mitwirkung gibt. Keine Beihilfe liegt dagegen vor, wenn Förderungen von privater Seite gewährt werden; dies gilt sogar, wenn die Privaten dazu gesetzlich verpflichtet sind, ein bestimmtes Unternehmen durch Abgaben, Gebühren oder Abnahmeverpflichtungen zu unterstützen. 

Weiters muss die staatliche Maßnahme zu einer zusätzlichen budgetären Belastung für den Staat entweder durch eine Ausgabe oder einen Einnahmenverzicht in bestimmter Höhe führen. So würde etwa das Absenken des Arbeitnehmerschutzes für einen bestimmten Produktionszweig keine Beihilfe darstellen, eine Steuerdeckelung aber sehr wohl. 

Zu einem Mitteltransfer kommt es allerdings nur dann, wenn der Begünstigte keine marktgerechte Gegenleistung für die betreffende Unterstützung erbringt. Als Gegenleistung reicht dabei ein subventionsgerechtes Verhalten nicht aus. 

Komplexer stellt sich das Problem bei der Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen dar. Die Belastungen aus gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (auch: Daseinsvorsorge, Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, z.B. flächendeckende Versorgung, Universaldienst) dürfen durch den Staat ausgeglichen werden, ohne dass dieser Ausgleich eine Beihilfe iSd Art. 107 AEUV darstellen würde. Wird eine gemeinwirtschaftliche Leistung überkompensiert, dann ist der überschießende Betrag als Beihilfe zu werten.

Begünstigung von Unternehmen und Produktionszweigen

Der beihilfenrechtliche Unternehmerbegriff entspricht weitgehend jenem des allgemeinen Wettbewerbsrechtes (funktionaler Unternehmerbegriff). Die rechtliche Form, in der das Unternehmen betrieben wird, ist dabei unerheblich. Potentielle Beihilfenempfänger können daher private und öffentliche Unternehmen sein, ebenso Unternehmen, die Daseinsvorsorgedienstleistungen erbringen.

Selbst Einrichtungen des Staates und in der Verwaltung integrierte Einheiten gelten, wenn sie als Anbieter selbständig am Markt auftreten, als Unternehmen. Letztlich wird jede Wirtschaftstätigkeit, die auf Dauer angelegt ist, von diesem weiten Begriff umfasst. Ausgeschlossen sind Subventionen an private Personen, außer diese sind derart zweckgebunden, dass tatsächliche und indirekte Nutznießer der Förderung konkrete Unternehmen sind. Der Begriff „Produktionszweig“ umfasst nicht nur industrielle Betriebe, sondern auch Gruppen von Dienstleistungsunternehmen und Handelsgesellschaften.

Selektivität

Es kommt darauf an, dass die betreffende staatliche Maßnahme nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen zugutekommt, dh diese selektiv gewährt werden. Daher unterscheidet sich der Begriff einer Beihilfe ganz wesentlich von jenem der allgemeinen Maßnahme. Unter einer allgemeinen Maßnahme sind alle wirtschaftspolitischen Vorgehensweisen eines Staates zu verstehen, die unterschiedslos für alle Unternehmen sämtlicher Wirtschaftszweige eines Mitgliedstaates gelten und die Volkswirtschaft des Mitgliedstaates insgesamt betreffen. 

Selektivität liegt vor, wenn ein oder mehrere bestimmte Unternehmen, Unternehmen einer bestimmten Region oder eines bestimmten Wirtschaftszweiges gefördert werden sollen. Die Voraussetzung gilt bereits als erfüllt, wenn sich die Maßnahme an alle Produktionsunternehmen oder Exportunternehmen richtet. Es reicht dabei auch aus, wenn nur de facto im Zuge des Vollzugs einer Fördermaßnahme offenbar wird, dass bestimmte Unternehmen von der Maßnahme mehr profitieren als andere. Problematisch ist es weiters, wenn die für die Vergabe der Förderung zuständige Stelle ein Ermessen bei der Auswahl der Förderempfänger hat.

Begünstigung verfälscht den Wettbewerb

Eine Beihilfe liegt dann vor, wenn durch die staatliche Maßnahme einem Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern eingeräumt wird, welchen es bei normalem Geschäftsverlauf nicht erlangt hätte. Grundsätzlich fallen aber auch solche Vorteile in den Anwendungsbereich der Beihilfenaufsicht, die regionale, soziale oder sonstige Nachteile bestimmter Unternehmen ausgleichen sollen.

Gleiches gilt für Retorsionsbeihilfen eines Mitgliedstaates gegenüber den Maßnahmen eines anderen Mitgliedstaates (Eindämmung des Förderwettlaufes). Nicht zuletzt liegt auch dann eine Wettbewerbsverzerrung vor, wenn der Staat einem Unternehmen z.B. günstigere Finanzierungskonditionen einräumt, als dies ein privater – also marktwirtschaftlich handelnder - Investor (Private Investors Test) tun würde.

Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels

Wie auch im allgemeinen Wettbewerbsrecht üblich, findet das EU-Beihilfenrecht nur dann Anwendung, wenn durch die inkriminierte Maßnahme der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Die abstrakte Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels reicht dabei aus; konkrete Auswirkungen müssen nicht nachgewiesen werden. Dieses Tatbestandsmerkmal gilt jedenfalls immer dann als erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen selber Handel innerhalb der Gemeinschaft betreibt oder die Maßnahme einen Wirtschaftssektor betrifft, der typischerweise grenzübergreifend aktiv ist.

Aber selbst die Förderung kleiner, nur regional tätiger Unternehmen kann relevant sein, wenn durch die Maßnahme die Exportchancen von Anbietern aus anderen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden.

Geringfügigkeitsschwelle

Die Europäische Kommission (EK) vertritt die Auffassung, dass lediglich geringfügige staatliche Transferleistungen keine Beihilfen im Sinne des EU-Beihilfenrechtes darstellen, da sie meist nicht geeignet sind, den Wettbewerb oder den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen.

Mit Einführung und Ausweitung der sogenannten De-minimis-Schwelle im Beihilfenrecht verfolgt die EK einen eindeutig verwaltungsökonomischen Ansatz. In ihrer De-minimis Verordnung (VO Nr. 2023/2831, ABl. L vom 15.12.2023) hat die EK diese Schwelle mit 300.000 EUR pro Unternehmen über einen Zeitraum von drei Jahren festgelegt. Dieser Wert gilt allerdings nur für „transparente“ Beihilfeformen – das sind solche, wo sich einfach in vorhinein der Beihilfenwert bestimmen lässt (z.B. verlorene Zuschüsse) – und jedenfalls keine Exportbeihilfen. Es gibt weitere Einschränkungen des Geltungsbereiches. 

De–minimis Förderungen sind zwar von der Notifikationspflicht befreit; zur Kontrolle der Rechtsmäßigkeit treffen den Mitgliedschaft Pflichten zur Überwachung und Berichterstattung. 

Stand: 22.01.2024

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